Das alljährlich in der zweiten Augusthälfte stattfindende Treffen der führenden Vertreter von internationalen Notenbanken im US-Bundesstaat Wyoming zieht stets die Aufmerksamkeit des Kapitalmarkts auf sich. In diesem Jahr stand der US-Notenbankchef Jerome Powell ganz besonders im Fokus, nicht nur, weil es sein letztes Treffen und seine letzte Rede dort war, sondern auch weil er seit Monaten unter politischem Druck steht, die Leitzinsen zu senken. Die US-Notenbank ist seit Dezember 2024 im „wait and see“-Modus verblieben und hat die Zinsen unverändert belassen. Dies wurde nachvollziehbar damit begründet, dass zum einen die Arbeitslosigkeit mit knapp über vier Prozent historisch gesehen sehr niedrig war und der Arbeitsmarkt bislang recht robust erschienen ist. Zum anderen lag die im Rahmen des Dual Mandats der Fed ebenso relevante Inflationsrate deutlich über dem angepeilten Ziel von zwei Prozent, mit der Perspektive, infolge der Effekte aus den eingeführten Importzöllen zumindest temporär noch weiter anzusteigen. Dennoch wurden vor Jackson Hole zwei Zinssenkungen noch im Jahr 2025 mit hoher Wahrscheinlichkeit am Markt gepreist und damit unterstellt, dass enttäuschende Arbeitsmarktdaten letztlich schwerer wiegen würden als nur temporär höhere Inflationsraten infolge der Zölle. Die Rede von Fed-Chef Powell in Jackson Hole hat dann die Markterwartung dahingehend bestätigt, dass Zinssenkungen schon bald erfolgen könnten. Die unmittelbaren Reaktionen sowohl am Renten- als auch am Aktienmarkt waren daraufhin entsprechend positiv, wenngleich sich an der ohnehin schon bestandenen Aussicht auf zwei Zinssenkungen bis Jahresende nicht wirklich etwas geändert hat. Allerdings hat sich im Nachgang des Jackson-Hole-Meetings der politische Druck auf den Gouverneursrat der Fed noch weiter erhöht und für neuerliche Verunsicherung in Hinblick auf die Unabhängigkeit der US-Notenbank gesorgt. Die erwarteten Zinssenkungen in den USA, in einem Umfeld von stabilen bis besser werdenden Makrodaten dürfte zwar die Wirtschaft zusätzlich stimulieren, aber auch die Inflation auf erhöhtem Niveau halten. Obwohl die Indikatoren aktuell ein weitgehend konstruktives fundamentales Umfeld anzeigen, scheint kurzfristig schon viel eingepreist zu sein. Für September erwarten wir etwas mehr Marktvolatilität und bleiben daher bei Aktien neutral gewichtet.
Staatsanleihen: französische und deutsche Staatsanleihen weiterhin interessant
Wir rechnen mit sinkenden Renditen bei deutschen Staatsanleihen mit mittlerer Laufzeit (5 Jahre) und bleiben entsprechend positiv gestimmt. Das trifft auch auf US-Staatsanleihen (5-Jahre) zu. Italienische Staatsanleihen wandern auf unseren Verkaufszettel. Bei französischen und deutschen Staatsanleihen bleiben wir hingegen weiterhin investiert.
Unternehmensanleihen: neue Impulse seitens Primärmarkt erwartet
Am Markt für Unternehmensanleihen bleiben wir bei US High-Yield-Unternehmensanleihen zurückhaltend, da wir mittelfristig mit steigenden Risikoprämien rechnen. Mit dem Ende der Sommermonate wird auch der Primärmarkt neue Impulse bzw. Preisanker für den Sekundärmarkt setzen. Am Markt für EUR-Unternehmensanleihen bleiben wir unverändert neutral positioniert.
Emerging-Markets-Anleihen: Optimismus des Marktes nicht nachvollziehbar
Wir bleiben bei Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen weiterhin zurückhaltend und schließen uns dem Optimismus des Marktes hinsichtlich Schwellenländer-Papieren nicht an. Insbesondere die von den USA verhängten Zölle gegenüber den Emerging-Markets-Handelspartnern dürften mittelfristig negativ wirken. Wir denken, dass hier ein Schönwetter-Szenario diskontiert wird, das mit den realen Gegebenheiten (Wirtschaftsdynamik, geopolitische Eventrisiken etc.) nicht zusammenpasst und fokussieren uns auf andere Ertragsbringer.
Entwickelte Aktienmärkte von Unternehmensgewinnen unterstützt
Die globalen Aktienmärkte präsentierten sich in Summe in den letzten Monaten weiterhin recht fest. Neben besser als erwarteten Konjunkturdaten erwiesen sich einmal mehr die
Unternehmensgewinne als wichtiger Unterstützungsfaktor. Die Stimmung scheint kurzfristig schon etwas optimistisch (Kontraindikator), wir bleiben daher aktuell bei unserer neutralen Aktienpositionierung.
Emerging-Markets-Aktien: fundamentale Bewertung weiterhin recht günstig
Nach der durchwachsenen Entwicklung von US-Aktien in den letzten Monaten ist eine globale Erholung eingetreten, die insbesondere an den entwickelten Märkten stattgefunden hat. Dennoch konnten Emerging-Markets-Aktien den Performancevorteil halten, den sie bisher in diesem Jahr herausgeholt hatten. Weiter fraglich bleibt, wie die Maßnahmen der US-Regierung sich konjunkturell auswirken werden. Die fundamentale Bewertung für die Emerging-Markets-Region ist weiter recht günstig. Seit Jahresbeginn konnten insbesondere Telekom und Grundstoffwerte profitieren.
Rohstoffmärkte: Zentralbankkäufe sorgen für strukturelle Unterstützung bei Gold
Die internationalen Rohstoffmärkte präsentierten sich zuletzt uneinheitlich. Edelmetalle kletterten kürzlich auf ein neues Allzeithoch. Strukturell sorgen Zentralbankkäufe weiterhin für anhaltende Unterstützung. Auch Retailkäufer:innen fanden zuletzt wieder vermehrt Gefallen an Gold. Industriemetalle konnten sich zuletzt wieder etwas erholen, während Energierohstoffe leicht nach unten tendierten. Wir sehen den Bereich Edelmetalle auch in den nächsten Monaten gut unterstützt.
Von Karin Kunrath, Chief Investment Officer von Raiffeisen Capital Management
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