- Wenig überraschend dürfte die Europäische Zentralbank während ihrer Juni-Sitzung eine Zinssenkung um 25 Bp. beschließen
- Die Marktteilnehmer dürften ein großes Augenmerk auf Hinweise bezüglich des Tempos des damit beginnenden Zinssenkungszyklus richten
- Der jüngste Abwärtsdruck auf die gesamte Renditekurve bietet eine gute Gelegenheit, ein Übergewicht in Duration aufzubauen, indem Strategien bevorzugt werden, die auf eine steiler werdende Zinskurve abzielen.
Bestärkt durch den Abwärtstrend der Inflation in der Eurozone dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) während ihrer anstehenden Sitzung eine Zinssenkung um 25 Bp. beschließen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde und ‚hawkishe‘ Mitglieder des EZB-Rates haben die Märkte auf eine derartige Entscheidung vorbereitet, so dass sie dort vollständig eingepreist ist.
Das Hauptaugenmerk der Finanzmärkte dürfte somit woanders liegen. Nach einer langen Zinsplateauphase markiert der nun absehbare Schritt den Beginn eines Zinssenkungszyklus, was unweigerlich Fragen über das weitere Vorgehen aufwerfen wird: Auf welches Niveau dürfte die EZB die Zinsen in diesem Zyklus insgesamt senken? Und wie schnell wird dieses Niveau erreicht werden? Daneben werden Marktteilnehmer auf die voraussichtlich ebenfalls vorgelegten makroökonomischen Prognosen achten.
Denn während im EZB-Rat anscheinend Einigkeit über diese erste Zinssenkung herrscht, wird das Tempo künftiger Zinssenkungen dort heftig diskutiert. Die Verankerung der Inflationserwartungen nahe des 2-Prozent-Ziels der EZB (die 5-Jahres-Swaps auf Sicht von 5 Jahren liegen bei 2,3 Prozent1) ist ein guter Indikator für das Vertrauen der Anleger in die Fähigkeit der Zentralbank, ihr Mandat einzuhalten. Es geht also weniger darum, ob das Inflationsziel erreicht wird, als vielmehr, welchen Pfad die Teuerung hin zum Preisstabilitätsziel nehmen wird und ob bzw. wie lange die Inflation auf diesem Niveau bleiben wird.
Nach einem Höchststand von 10,6 Prozent im Oktober 2022 lag der Verbraucherpreisindex in der Eurozone im Mai 2024 bei 2,6 Prozent2. Auch bei der Kerninflation ist ein deutlicher Abwärtstrend zu beobachten: Nach einem Höchststand von 5,7 Prozent im März 2023 ging diese bis Mai 2024 auf 2,9 Prozent zurück. Auch wenn dieser Teuerungsrückgang bemerkenswert ist, sollte die EZB weiter auf mögliche Zweitrundeneffekte durch Lohnerhöhungen (die Lohnabschlüsse im Euroraum lagen im ersten Quartal 2024 bei 4,7 Prozent gg. Vj.3) und andere Kostenentwicklungen achten, wie etwa die Kosten für Seefracht, die durch die Krise im Roten Meer beeinflusst werden.
Die nächsten Inflationsdaten werden aller Voraussicht nach noch etwas volatil sein. Die EZB dürfte daher eine vorsichtige und schrittweise weitere Senkung der Leitzinsen in den Raum stellen.
Eine derartige letzten Jahres für 2024 noch Zinssenkungen im Umfang von 164 Bp., waren es per Ende Mai 2024 nur noch 62 Bp.4 Damit dürften die Märkte nun am Ende der Erwartungsrevisionen angelangt sein. Zwei Zinssenkungen von jeweils 25 Bp. und die Möglichkeit eines dritten Schrittes gleichen Umfangs erscheinen uns aus heutiger Sicht eine sehr vernünftige Erwartung zu sein.
Für Anleger bietet der jüngste Abwärtsdruck auf die gesamte Renditekurve eine gute Gelegenheit, ein Übergewicht in der Duration aufzubauen, indem Strategien bevorzugt werden, die auf eine steiler werdende Zinskurve abzielen.
Von Franck Dixmier, Global CIO Fixed Income bei Allianz Global Investors
1 Bloomberg, 30. Mai 2024
2 Eurostat, 31. Mai 2024
3 Europäische Zentralbank, 23. Mai 2024
4 Bloomberg, 30. Mai 2024