- Neue Leitlinien für ESG-bezogene Vergütung von Führungskräften, Aktien mit Mehrfachstimmrechten sowie Netto-Null-Strategien von Unternehmen stellen die Rechte von Minderheitsaktionären und Nachhaltigkeit stärker in den Vordergrund.
- Aktive Einflussnahme: AllianzGI nahm 2024 an 8.879 Aktionärsversammlungen teil und stimmte über rund 90.000 Anträge ab. Bei 72% aller Versammlungen gab es mindestens eine Ablehnung eines Tagesordnungspunktes oder eine Enthaltung
- Gremien-Qualität: AllianzGI stimmte 2024 gegen 22% der Mitglieder von Aufsichts- und Verwaltungsräten, hauptsächlich aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Amtszeit, Ämterhäufung oder der Unabhängigkeit der Ausschüsse.
Allianz Global Investors hat heute seine jährliche Analyse der Stimmabgabe auf Hauptversammlungen (HV) veröffentlicht. Die Analyse basiert auf der Teilnahme an weltweit 8.879 HVs (2023: 9.137) und der Abstimmung über rund 90.000 Aktionärs- und Managementvorschläge. AllianzGI stimmte bei 72% (2023: 71%) aller Versammlungen weltweit gegen mindestens einen Tagesordnungspunkt oder enthielt sich. Insgesamt lehnte AllianzGI 19% aller kapitalbezogenen Anträge, 22% der Wahlen von Aufsichtsräten und 41% aller vergütungsbezogenen Anträge ab. Dies spiegelt die hohen Erwartungen der Firma an die Governance-Standards von Unternehmen wider.
Matt Christensen, Global Head of Sustainable and Impact Investing, AllianzGI kommentiert: „AllianzGI hat sich verpflichtet, durch Stimmrechtsvertretung und verantwortungsvolle Investmentpraktiken einen positiven Wandel voranzutreiben. Mit unserem Engagement für den Aktionärsdialog und die Stimmrechtsausübung – englisch: Stewardship – sowie mit unserem zukunftsorientierten Ansatz treten wir weiterhin an vorderster Front für hohe Governance-Standards und den Schutz der Rechte von Minderheitsaktionären ein. Im Fokus stehen dabei pragmatische und praxisnahe Nachhaltigkeitslösungen, und auf diesem Weg werden wir 2025 weiter voranschreiten.“
Weiterentwicklung der Abstimmungsrichtlinien für 2025
AllianzGI überprüft regelmäßig seine Richtlinien zur Stimmrechtsvertretung, um sich ändernde Erwartungen an Unternehmen zu berücksichtigen. Für 2025 werden daher mehrere Änderungen eingeführt, die die Rechte von Minderheitsaktionären noch stärker betonen und den Ansatz der Nachhaltigkeit bei der Stimmrechtsausübung erweitern.
- Vergütung von Führungskräften: Für Small- und Mid-Cap-Unternehmen in entwickelten Märkten (ohne Asien) schreibt AllianzGI ab 2025 ESG-bezogene Leistungskennzahlen (KPIs) vor.
- Netto-Zero-Strategie: AllianzGI wird zunehmend Vertreter in den Aufsichtsgremien in die Verantwortung nehmen, wenn die Firmen keine glaubwürdige Netto-Null-Strategie aufweisen. Ab 2025 werden Abstimmungsentscheidungen auf der Grundlage der von AllianzGI entwickelten „Net-Zero Alignment Share“-Methode getroffen. Diese Methode ermöglicht über verschiedene Sektoren und Märkte hinweg eine standardisierte Bewertung von Fortschritten, die Unternehmen bei der Erreichung ihrer Net-Zero-Ziele machen.
- Geschlechtervielfalt: AllianzGI weitet die Richtlinien zur Geschlechtervielfalt auf kleine und mittelgroße Unternehmen in den Industrieländern (außer Asien) aus. Künftig wird erwartet, dass auch bei diesen Unternehmen maximal 70% der Gremien (Vorstand und Aufsichtsrat) von nur einem Geschlecht besetzt werden.1
- Aktionärsrechte: AllianzGI stärkt die Richtlinien zu Aktionärsrechten und lehnt unter anderem Minderheitsaktionäre benachteiligende Aktienstrukturen mit Mehrfachstimmrechten in Europa und den USA sowie die Ausnutzung von Vorteilen neuer Kapitalmarktregelungen – wie etwa das DDL Capitali-Gesetz in Italien – ab.
Ergebnisse der HV-Abstimmungen 2024
Vergütung: AllianzGI ist weiterhin besorgt hinsichtlich der Vergütungspraktiken in Europa und lehnte einen großen Teil der Vergütungssysteme in Belgien (54%), Italien (50%) und Deutschland (44%) ab – trotz gewisser Fortschritte, etwa bei der Transparenz. Bedenken bestehen nach wie vor hinsichtlich des Ermessensspielraums bei der Gewährung von Sonderzahlungen, etwa in Italien. Trotz Verbesserungen bei der Transparenz von Vergütungsberichten, insbesondere in Deutschland, sind einige Unternehmen immer noch zögerlich, den Zusammenhang zwischen Leistung, Zielerreichung und Auszahlung vollständig offenzulegen. Dies macht es Investoren wie AllianzGI unmöglich zu beurteilen, ob die Ziele angemessen fordernd waren.
In den USA lehnte AllianzGI im vergangenen Jahr 69% der vergütungsbezogenen Vorschläge ab. Dies ist weniger als im Vorjahr, so dass sich der abnehmende Trend der letzten Jahre fortsetzte. US-Firmen konnten 2024 eine starke Performance vorweisen, insbesondere die großen Unternehmen. Daher konnten vor allem jene Firmen Kontroversen vermeiden, in denen es einen angemessenen Zusammenhang zwischen gezahlter Vergütung und Leistung gibt. Im Vergleich zu den beiden vorhergehenden Jahren führte dies zu einer leicht höheren Zustimmung bei Vergütungsthemen.
Mit Blick auf die 2025 anstehende HV-Saison ist AllianzGI in mehreren europäischen Ländern über sich abzeichnende steigende Maximalvergütung für Vorstände besorgt. Für fundierte Abstimmungsentscheidungen werden diese Entwicklungen genau beobachtet werden, insbesondere auch das Verhältnis zwischen der Vergütung des Vorstands und der von Mitarbeitern.
Aktionärsanträge: In den USA ist bei den Unternehmen des breiten Russell-3000-Index die Anzahl der Aktionärsanträge (bis 30. Juni 2024) auf einen neuen Rekordwert gestiegen. Mit weniger als 20% blieb die durchschnittliche Unterstützung für derartige Anträge allerdings gering. AllianzGI stimmte in den USA über 695 Aktionärsanträge ab. Dabei bezogen sich 77 Anträge auf die Unternehmensführung (Corporate Governance), 50 auf Vergütungs- und 230 auf soziale Themen. Die restlichen 338 Aktionärsanträge bezogen sich auf Umwelt- oder gemischte Themen.
AllianzGIs Unterstützung für klimabezogene Aktionärsanträge in den USA blieb 2024 mit 98% sehr hoch. Es handelte sich hierbei um insgesamt 45 Anträge in vier klimabezogenen Kategorien: Berichterstattung über den Klimawandel, Treibhausgasemissionen, Offenlegung oder Einschränkung der Finanzierung von Projekten zu fossilen Brennstoffen.
Darüber hinaus unterstützte AllianzGI 97% der menschenrechtsbezogenen Anträge und 93% der Vorschläge für mehr Transparenz bei politischen Spenden und Lobbying. Eine bemerkenswerte neue Kategorie von Aktionärsanträgen konzentrierte sich 2024 auf die verantwortungsvolle Entwicklung und Anwendung von künstlicher Intelligenz (Responsible AI). AllianzGI unterstützt generell Resolutionen, in denen Aufsichtsgremien aufgefordert werden, ihr Risikomonitoring weiterzuentwickeln und nachzuweisen, dass identifizierte Risiken adäquat gemanagt werden.
Auch in Japan waren Aktionärsanträge weiterhin ein wichtiges Thema, wobei sowohl die Anzahl als auch die Themenvielfalt zunahmen. AllianzGI unterstützte 50% aller klimabezogenen Aktionärsanträge und kündigte im Vorfeld der Hauptversammlung von Toyota Motor Corporation an, für eine Resolution zum Thema Klimalobbying zu votieren. Sämtliche Entscheidungen zur Stimmabgabe werden im Vorfeld der jeweiligen Hauptversammlung auf Basis des konstruktiv-kritischen Dialogs mit den Firmen sowie interner Einschätzungen getroffen.
Förderung qualitativ hochwertiger Gremien: AllianzGI legt großen Wert auf die fachliche Eignung von Aufsichtsräten, da eine gute Unternehmensführung üblicherweise mit einer besseren finanziellen Performance und hohen Nachhaltigkeitsstandards einhergeht. 2024 stimmte AllianzGI weltweit gegen 22% aller zur Wahl stehenden Aufsichtsratsmitglieder (2023: 24%), oftmals aufgrund langer Amtszeiten oder wegen Ämterhäufungen (Overboarding). AllianzGI senkte auch dann den Daumen, wenn es zentralen Gremien – oftmals waren dieses die Prüfungsausschüsse – an Unabhängigkeit mangelte. AllianzGI setzt sich für einen unabhängigen Vorsitzenden des Prüfungsausschusses ein, was in einigen Märkten zu Ablehnungen führte. So stimmte AllianzGI etwa in der Schweiz bei 34% der Wahlen gegen den Kandidaten für den Verwaltungsratsvorsitz, vor allem aufgrund der Tatsache, dass dieser auch den Vorsitz des Prüfungsausschusses innehatte, und nicht unabhängig war.
AllianzGI unterstreicht auch die Bedeutung einer vorausschauenden Nachfolgeplanung, die für alle Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder erforderlich ist.
Antje Stobbe, Head of Stewardship bei AllianzGI kommentiert: „Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Nachfolgeplanung für den Aufsichtsratsvorsitzenden. Wir wollen verstehen, welche Schlüsselkompetenzen notwendig sind, um den Vorstand effektiv zu kontrollieren, und wie der Suchprozess abläuft. Jeder Aufsichtsratsvorsitzende soll über starke Führungsqualitäten, Branchenerfahrung, unbestreitbare Unabhängigkeit und genügend Zeit verfügen – insbesondere in Krisenzeiten.“
Matt Christensen ergänzt: „AllianzGI hat sich verpflichtet, durch Stimmrechtsvertretung und verantwortungsvolle Investmentpraktiken einen positiven Wandel voranzutreiben. Mit unserem Engagement für den Aktionärsdialog und die Stimmrechtsausübung – englisch: Stewardship – sowie mit unserem zukunftsorientierten Ansatz treten wir weiterhin an vorderster Front für hohe Governance-Standards und den Schutz der Rechte von Minderheitsaktionären ein. Im Fokus stehen dabei pragmatische und praxisnahe Nachhaltigkeitslösungen, und auf diesem Weg werden wir 2025 weiter voranschreiten.“
In einzelnen Ländern wurden mit Blick auf die Qualität der Gremien positive Entwicklungen festgestellt. Etwa in Japan, wo fast alle Unternehmen, in die AllianzGI investiert, dank der Reforminitiativen der Tokioter Börse und des Engagements der Anleger mehr als ein Drittel an unabhängigen Direktoren und mindestens eine weibliche Direktorin aufweisen.
Ergebnisse für Deutschland
In Deutschland stimmte AllianzGI 2024 gegen 18% aller Anträge (2023: 19%), bei weiteren 3% der Anträge gab es Enthaltungen.
Vorstandsvergütung: AllianzGI stimmte 2024 gegen 44% aller vergütungsbezogenen Vorschläge (2023: 48%). Bei 144 Anträgen, in denen eine beratende Abstimmung über den Vergütungsbericht angestrebt wurde, lehnte AllianzGI mit 49% zwar immer noch jeden zweiten Vorschlag ab, dies stellt aber einen deutlichen Rückgang im Vergleich zum Vorjahr dar (2023: 62%). Das aktive Engagement von AllianzGI seit Einführung eines regelmäßigen Mitspracherechts bei Vergütungsthemen scheint zu einem besseren Verständnis und besseren Marktpraktiken beizutragen. Bei vielen Unternehmen bestehen jedoch weiterhin erhebliche Bedenken hinsichtlich einer transparenten Offenlegung des Zusammenhangs zwischen Vergütung und Zielerreichung oder diskretionärer Vergütungskomponenten, die nicht an KPIs geknüpft sind. Nicht begründete Erhöhungen der fixen Vergütung und hohe Pensionsrückstellungen bleiben ebenfalls ein Problem. Bei 14% der Vergütungsberichte hat sich AllianzGI außerdem der Stimme enthalten (2023: 9%), zum Beispiel wenn das Engagement erste Fortschritte zeigte.
Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern: 2024 stimmte AllianzGI bei 32% aller Wahlen von Aufsichtsratsmitgliedern mit „Nein“, was dem Niveau von 2023 entspricht. Hauptgrund war erneut eine mangelnde Unabhängigkeit vieler Aufsichtsräte, insbesondere von Mitgliedern des Prüfungsausschusses. Wenn keine Wahlen von Aufsichtsräten stattfanden, wurden etwaige Bedenken über ein Nein zur Entlastung zum Ausdruck gebracht (23% der Anträge). 2024 gab es darüber hinaus viele Ablehnungen von Aufsichtsräten aufgrund einer zu langen Wahlperiode (mehr als vier Jahre). Und schließlich bleibt Ämterhäufung (Overboarding) ein großes Problem. Dies gilt insbesondere für Vorstandsmitglieder, die in mehr als einem anderen Aufsichtsrat tätig sind. AllianzGI berücksichtigt bei den Abstimmungsentscheidungen auch die – häufig bedenklich vielen – Verpflichtungen von Aufsichtsratsmitgliedern in nicht börsennotierten, mittelständischen Unternehmen.
Kapitalgenehmigungen: Trotz verbesserter Marktpraktiken bleibt das Thema zu großzügiger Kapitalgenehmigungen ein Problem in Deutschland. 2024 stimmte AllianzGI gegen 26% aller Anträge zu Kapitalgenehmigungen (2023: 29%). AllianzGI lehnt Kapitalgenehmigungen, die 10% des ausstehenden Kapitals ohne Bezugsrechte und 30% mit Bezugsrechten überschreiten, grundsätzlich ab.
Say on Climate: 2024 fand in Deutschland bei einem Unternehmen die erste und bisher einzige Say-on-Climate-Abstimmung im DAX statt. Say-on-Climate-Beschlüsse fördern eine stärkere Beteiligung der Aktionäre in Fragen des Klimastrategie eines Unternehmens. AllianzGI hat den genannten Beschluss unterstützt, der insgesamt eine sehr hohe Zustimmungsrate erhalten hat. Aus Sicht von AllianzGI wäre es begrüßenswert, wenn mehr deutsche Unternehmen Say-on-Climate-Beschlüsse einführen würden. Derzeit sieht es allerdings nicht danach aus, dass dieses Thema an Fahrt gewinnt.
1 Ziele für die Repräsentation von Männern und Frauen werden festgelegt, soweit dies nach lokalem Recht zulässig ist.