Keine nachhaltigen Rahmenbedingungen für fiskalische Krisenfälle
Trotz Bankenunion, Europäischem Stabilitätsmechanismus (ESM) und Konditionalität als politischem Instrument in der Staatsschuldenkrise hat sich in den Verhandlungen zwischen der Eurogruppe und Griechenland gezeigt: Die Eurozone bietet keine nachhaltigen Rahmenbedingungen für fiskalische Krisenfälle. Das Management in derartigen Situationen ist letztlich der Europäischen Zentralbank überlassen worden, was aber im Widerspruch zum Verbot der monetären Staatsfinanzierung steht. Mit Blick auf eine größere fiskalische Integration und die dazugehörigen institutionellen Reformen in Europa schlägt das ZEW in einer aktuellen Studie die Verzahnung von zwei Werkzeugen vor: ein fiskalischer Versicherungsmechanismus ohne permanente Umverteilung, kombiniert mit einem geordneten Verfahren zur Abwicklung insolventer Staaten.
Arbeitslosenversicherung auf supratantionaler Ebene?
Erstens plädieren die Forscher für die Einführung einer gemeinsamen Arbeitslosenversicherung auf supranationaler Ebene. Als automatischer Stabilisator kann ein derartiger Mechanismus Mitgliedstaaten der Währungsunion dabei helfen, asymmetrische Konjunkturschocks im Euroraum abzufedern. Kernelemente des Vorschlags sind, dass Transfers aus der europäischen Arbeitslosenversicherung nur in besonders starken Rezessionen aktiviert und an Kurzzeitarbeitslose für eine Dauer von maximal zwölf Monaten gezahlt werden. Darüber hinaus müssten die Arbeitslosentransfers durch die Staatshaushalte in den Empfängerländern mitfinanziert werden. Berechnungen des ZEW zeigen, dass eine so ausgestaltete Versicherung positive Stabilisierungswirkungen erzielen kann und gleichzeitig negative Anreize sowie die Gefahr einer Transferunion in Europa minimiert werden.
Insolvenzverfahren im Falle eines Staatsbankrotts
Zweitens schlagen die Wissenschaftler ein Insolvenzverfahren für Länder vor, die vom Staatsbankrott bedroht sind. Ein gangbares Umschuldungsverfahren für souveräne Staaten in der Eurozone hat das ZEW mit seinem "Viable Insolvency Procedure for Sovereigns"- (VIPS-) Konzept bereits vorgelegt. Um das geltende Verbot der Staatenfinanzierung demnach nicht ad absurdum zu führen, können zahlungsunfähige Länder zunächst auf Hilfskredite des ESM zurückgreifen, wenn sie sich dazu entscheiden. Führen die Hilfskredite allerdings nicht dazu, dass die Kreditwürdigkeit des Landes sich wieder stabilisiert, muss nach mindestens drei Jahren mit Gläubigern und ESM über die Neuordnung der Schulden verhandelt werden. Während der Verhandlungen sollte dann ein Schuldenmoratorium gelten. Steht das VIPS-Konzept auf vertraglich festen Füßen, könnten nach Ansicht der Forscher drohende Austritte aus der Eurozone von vornherein vermieden werden.
"Unser Vorschlag bedeutet praktisch, dass Stabilisierungseffekte und Haushaltsdisziplin verbindlich miteinander verknüpft werden", sagt Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs "Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft" und Mitautor der Studie. Weiter erklärt er: "Ein fiskalischer Versicherungsmechanismus und ein Insolvenzverfahren für souveräne Staaten sind kein Widerspruch. Im Gegenteil: Beides ergänzt und verstärkt sich gegenseitig. Eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung unterstützt die Mitgliedstaaten der Eurozone in Krisenzeiten. Gleichzeitig sorgt ein gangbares Umschuldungskonzept dafür, dass die Akzeptanz einer automatischen Stabilisierung auf EU-Ebene steigt. Denn der Mechanismus verhindert ja gerade, dass es zu permanenten Transferzahlungen zwischen den Mitgliedstaaten kommt."
Download-Link: Vollständige Studie als PDF-Dokument