Wie beeinflusst die Lage in Israel Kapitalmärkte und Geopolitik?

Welche Auswirkungen hat die Eskalation der Lage in Israel auf die Ukraine, die US-Wahl, die Annäherungen zwischen der arabischen Welt und Israel sowie auf die Märkte und speziell den Ölpreis? Das erläutern Vincent Mortier, Group CIO von Amundi, und Anna Rosenberg, Head of Geopolitics im Amundi Institute, in einer aktuellen Publikation. Research | 16.10.2023 08:41 Uhr
Anna Rosenberg, Head of Geopolitics im Amundi Institute & Vincent Mortier, Group CIO von Amundi / © e-fundresearch.com / Amundi Austria GmbH
Anna Rosenberg, Head of Geopolitics im Amundi Institute & Vincent Mortier, Group CIO von Amundi / © e-fundresearch.com / Amundi Austria GmbH
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Der Angriff der Hamas, die höchstwahrscheinlich vom Iran unterstützt wird, hat zu einer heftigen Reaktion Israels geführt. Der israelische Premierminister bezeichnete den Terroranschlag als einen Kriegsakt. Es scheint, dass Israels ausgeklügelte Sicherheitsüberwachung versagt hat, höchstwahrscheinlich aufgrund interner Konflikte, die auf Netanjahus Justizreform zurückzuführen sind. Dadurch kam es zu einer wachsenden Spaltung zwischen der Regierung und den Sicherheitsdiensten.

Der Iran versucht durch die Unterstützung der Hamas die jüngste Normalisierung der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Israel zu sabotieren und die Saudis an die Macht des Iran in der Region zu erinnern. Die zuletzt stattgefundene Normalisierung stellt eine erhebliche Bedrohung für den Iran dar und könnte sich möglicherweise auf regionale Sicherheitsabkommen unter Beteiligung der USA ausweiten. Dies könnte dazu führen, dass der Iran in der Region isoliert würde.

Außerdem versucht die Hamas mit dem Angriff angesichts ihrer geschwächten innenpolitischen Position, ihre militante Glaubwürdigkeit zu untermauern. Die Hamas hat ein geringes Interesse an einem Frieden mit Israel. Sie will ebenfalls eine saudisch-israelische Normalisierung verhindern, bei der die Saudis wohl eine Behelfslösung für die palästinensische Frage akzeptieren würden. Die aktuelle Eskalation ist aber auch eine Reaktion auf die zunehmende israelische Einschüchterung und Gewalt gegen Palästinenser.

Der Konflikt wird wahrscheinlich mehrere Wochen andauern, wobei die Geiselnahmen die Reaktion Israels derzeit erschweren. Die USA werden sich höchstwahrscheinlich einschalten, nicht zuletzt, da es auch US-Bürger unter den Geiseln gibt. Innenpolitisch wird Premierminister Netanjahu angesichts des Sicherheitsversagens mit einem erheblichen Gegenwind rechnen müssen, so dass er wohl eher wenig zurückhaltend agieren wird. Der Konflikt wird wahrscheinlich auf den Gazastreifen und das Westjordanland beschränkt bleiben. Allerdings könnten vom Iran unterstützte Milizen in Syrien und im Libanon involviert werden, und sich der Konflikt somit dorthin ausweiten.

Ölpreis könnte weiter steigen

Die Auswirkungen auf die Märkte dürften sich in Grenzen halten, solange der Konflikt sich nicht ausweitet. Für den Verteidigungs- und den Erdölsektor ist die Entwicklung leicht positiv, für einige andere Sektoren wie Luftfahrt und Langstreckenreisen jedoch negativ, da Reisen nach Israel und Flüge über die Region erschwert werden.

In den USA wird die Situation als Chance gesehen, die Gefahr eines Regierungs-Shutdowns einzudämmen, um für zusätzliche israelische Hilfen stimmen zu können. Das größte Risiko besteht jedoch für die Ölpreise. Wir gehen davon aus, dass nach der aktuellen Lockerung die US-Sanktionen gegen iranische Ölverkäufe wieder strenger werden. Sollten die Auswirkungen des Angriffs zu einem Anstieg der Ölpreise führen, wäre dies aber natürlich in einem Wahljahr negativ für US-Präsident Joe Biden. Israel könnte, sobald der unmittelbare Konflikt unter Kontrolle ist, beschließen, die iranischen Nuklearkapazitäten anzugreifen. So könnte ein größerer regionaler Konflikt ausbrechen, der wohl zu höheren Ölpreisen führen würde.

Ukraine könnte leiden, Länderbeziehungen werden erschwert

Unterstützung für die Ukraine gefährdet: Das Ausmaß der Sicherheitsbedrohung in der Region könnte die Unterstützung des Westens für die Ukraine weiter gefährden, einfach dadurch, dass der Schwerpunkt verlagert wird. Der Westen wird gerade daran erinnert, dass es andere Konflikte geben kann, die militärische und finanzielle Unterstützung erfordern. Wegen des Todes von US-Bürgern in Israel und den US-Geiseln werden in den USA Stimmen laut werden, dass möglicherweise dringendere Probleme für die Sicherheit der USA existieren als die Ukraine.

Israel & Iran: Der Hamas-Angriff erhöht das Risiko eines israelischen Angriffs auf den Iran. Israel scheint zu glauben, dass, wenn der Iran die aktuellen Angriffe unterstützt, ohne Atombomben zu besitzen, diese Aktionen nur noch häufiger werden, wenn der Iran eine "einsatzbereite" Atommacht wird. Dies wird wahrscheinlich auch zu einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und dem Iran führen und die jüngsten Verbesserungen zunichtemachen. Als Reaktion darauf könnte der Iran die Urananreicherung wieder beschleunigen. Dann könnte Israel bei einem Angriff auf den Iran auf weniger Widerstand seitens der USA stoßen.

Israel & Saudi-Arabien & Türkei: Der Konflikt und die zu erwartende harte Reaktion Israels werden die Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien – ebenso auch zwischen Israel und der Türkei – erschweren. Israels innenpolitischer Diskurs wird sich weiter nach rechts verlagern, was die Suche nach einer Lösung für die Palästinenserfrage noch schwerer machen dürfte.

USA & Saudi-Arabien: Die Entwicklungen könnten US-Präsident Bidens Hoffnungen auf gute Schlagzeilen vor den US-Wahlen zerschlagen und die sich in letzter Zeit verbessernden saudi-amerikanischen Beziehungen beeinträchtigen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Israel nun hoffnungslos ist oder dass sich die Beziehungen zwischen den USA und Saudi-Arabien verschlechtern werden. Aber sie sind neuen Risiken ausgesetzt.

Von Vincent Mortier, Group CIO von Amundi, und Anna Rosenberg, Head of Geopolitics im Amundi Institute

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