Wie steht es um den langfristigen Investment-Case des Biotech-Sektors – sind Unternehmen Ihrer Meinung nach „fair“ bewertet?
Harald Schwarz: Wir sehen heute eine neue Ära der Medikamentenentwicklung auf Basis einer relativ jungen Grundlagenforschung, aus der nun eine historisch beispiellose Flut innovativer und unverzichtbarer Produkte auf den Markt drängt. Diese sind lebensrettend bzw. krankheitsmodifizierend – d. h. sie wandeln tödliche Krankheiten in chronische Krankheiten. Erfolgreiche Biotech-Unternehmen mit innovativen Medikamenten haben daher nach wie vor die Macht, Preise zu diktieren – trotz Diskussionen um Sovaldi. Wir bei Medical Strategy sind überzeugt: Diese Lawine an biotechnologischen Innovationen wird sich fortsetzen. Daher sehen wir langfristig exzellente Chancen gerade bei innovativen jungen Unternehmen. Bedroht sind jedoch bald die heutigen Biotech-Blockbuster, z. B. umsatzstarke Biotech-Produkte im Rheuma- und Krebsmarkt. Preisgünstigere Biosimilars werden diese nach Ablauf der Patente verdrängen. Laut Express Scripts läge das Einsparungspotenzial allein für das US-Gesundheitssystem durch Biosimilars bis 2024 bei 250 Milliarden Dollar (Biotech 2014, Burrill). Bisher gibt es in den USA noch keine Biosimilars, was sich sicherlich bald ändert.
Welche Sektor-Unternehmen konnten Ihrer Meinung nach im bisherigen Jahresverlauf am meisten begeistern?
Harald Schwarz: Zweifelsohne Gilead mit Sovaldi. Dieser sogenannte Nukleotid-Polymerase-Hemmer ist der Eckpfeiler einer hochwirksamen oralen Hepatitis-C-Therapie. Im Einführungsquartal erzielte Sovaldi über 3 Mrd. USD Umsatz. In der Zulassung befindet sich eine Kombinationstherapie, die mit einer täglich einmaligen Tabletteneinnahme die Krankheit binnen 8 Wochen zu heilen vermag. Diese Kombinationspille wird daher der „Heilige Gral“ in der HCV-Behandlung genannt. Wettbewerber wollen den 20 Mrd. USD-Markt nicht Gilead allein überlassen. Daher die Übernahme von Idenix durch Merck & Co. Achillion ist das dritte Unternehmen mit einer derartigen Kombinationspille. Nach der Idenix-Übernahme schoß Kurs von Achillion im Juni um 180% in die Höhe.
Dann sind es lebensrettende Produkte. Trotz kleiner Patientenzahlen erzielen diese Milliarden-Umsätze. Ein Beispiel: Esbriet von Intermune gegen idiopathische Pulmonalfibrose, einer innerhalb von 2 bis 3 Jahren nach Diagnosestellung tödlichen Erkrankung. Esbriet ist in Europa zugelassen und in den USA im Zulassungsprozess. Die US-Markteinführung könnte in 2015 erfolgen und die erwarteten US-Umsätze liegen bei 1,5 Mrd. USD.