„Selbst seitwärts tendierende Märkten bieten Investoren gute Anlagemöglichkeiten. Bei einer Geldanlage gilt es langfristig zu denken und eine Anlagestrategie, welche die eigenen Ziele berücksichtigt, umzusetzen. Vielleicht ist das neue Börsenhoch auch gleichzeitig das neue Börsentief? Anleger dürfen sich nicht von neuen Hochs blenden lassen. Es gibt viel zu viele Beispiele, die das widerlegen. Die Kurse von Amazon, Apple, Google und Co. wurden immer wieder hinterfragt um später festzustellen, da geht noch etwas. Und, man sollte nicht vergessen, dass man mit fallenden Kursen auch Geld verdienen kann. Es ist nur eine Frage der Investment-Strategie und nicht die des Timings, des Kurses, oder des Allzeithochs.“
Marktkommentar von David F. Lafferty, Chief Market Strategist, bei Natixis Global Asset Management:
"Die Kursrallye an den globalen Aktienmärkten, die nach dem Erreichen des Tiefststands im März 2009 eingesetzt hatte, ist inzwischen in ihr neuntes Jahr eingetreten. „Wie lange kann diese Aktienmarkt-Rallye denn noch anhalten?“ ist deshalb die Frage, die uns von Kunden und Beratern am häufigsten gestellt wird. In einem Meeting fasste ein Vermögensverwalter die Situation kürzlich folgendermaßen zusammen: „Anleger, die an der Aktienmarkt-Rallye bisher nicht teilgenommen haben, möchten einsteigen, weil sie sonst das Gefühl haben, etwas zu verpassen. Kunden, die momentan investiert sind, werden hingegen allmählich nervös und denken deshalb eher über einen Ausstieg nach. Und es können ja nun mal nicht beide richtigliegen.“
In diesem Monat beschäftigen wir uns deshalb mit den Zukunftsaussichten der globalen Aktienmärkte. Obwohl reines Markttiming ja ein vergebliches Unterfangen ist, sollten Anleger das Aufwärtspotenzial sowie die Rückschlagrisiken ihrer Aktienpositionen aber verstehen. Im Hinblick auf eine breit diversifizierte Asset Allocation geht es dabei um die Frage, wie viel Aktienrisiko ein Investor eingehen sollte und an welchen Aktienmärkten sich die attraktivsten Anlagechancen bieten.
Ist es bereits zu spät?
Eine gängige Börsenweisheit lautet: „Bullenmärkte sterben nicht an Altersschwäche.“ Schön und gut, aber im Endeffekt können auch sie den üblichen Alterserscheinungen erliegen – und zwar insbesondere dem Umstand, dass eine konjunkturelle Erholungs- bzw. Expansionsphase eben nicht bis in alle Ewigkeit anhalten kann. Allerdings nimmt die US-Wirtschaft auf Basis der meisten Kennzahlen eher noch weiter Fahrt auf anstatt sich abzukühlen. So liegen die Ergebnisse der ISM- und PMI-Umfragen zu den Wirtschaftsaktivitäten deutlich über der 50-Punkte-Marke (die für ein Wachstum spricht), während die wirtschaftlichen Frühindikatoren ebenfalls nach wie vor im grünen Bereich sind. Gleichzeitig ist die Lage am Arbeitsmarkt sehr gut, und das BIP-Wachstum wird im II. Quartal wahrscheinlich fast 3% betragen. Ähnliche Trends lassen sich auch in anderen Teilen der Welt beobachten. So scheint die Wirtschaft Kontinentaleuropas allmählich endlich ebenfalls wieder anzuziehen, weil sich die Banken inzwischen saniert haben, der Sparzwang nachlässt und die politischen Risiken sinken (dazu später mehr). Trotz schwieriger demografischer Trends zeigt auch Japan eine gewisse Widerstandskraft, während sich die meisten Schwellenländer-Volkswirtschaften nach einigen Jahren der von China ausgehenden Flaute mittlerweile ebenfalls wieder erholen.
Erstmals seit mehr als zehn Jahren könnte die Weltwirtschaft also eine Phase erleben, die einem synchronisierten Wachstum schon ziemlich nahekommt. Laut Erhebungen von Bloomberg liegt die Gewinnwachstumsrate globaler Aktien auf Sicht der nächsten drei Jahre bei insgesamt 9,7% p.a. (auf Basis des MSCI World-Index). Angesichts dieser recht guten globalen Gewinnaussichten ist es unwahrscheinlich, dass ein Baisse-Markt einsetzt.
Sich abzeichnende Risiken
Abgesehen von einem zyklischen Abschwung gibt es offenbar nur sehr wenige Szenarios, die bei risikobehafteten Anlageformen eine heftige Verkaufswelle auslösen würden. Zwar scheinen Risiken schon definitionsgemäß immer aus dem Nichts zu kommen, aber die meisten der „üblichen Verdächtigen“ machen zurzeit einen recht harmlosen Eindruck. Die Geldmarktpolitik der Notenbanken weltweit lässt sich höchstens als „nicht mehr so locker“, keinesfalls aber als restriktiv bezeichnen. Mit Ausnahme von China identifizieren wir im Hinblick auf den Bankensektor oder bezüglich einer exzessiven Kreditvergabe (d.h. einer zu hohen Verschuldung) zurzeit nur wenige Anzeichen für systemische Risiken. In China stellt das Kreditwachstum langfristig zwar eine ernsthafte Gefahr dar, doch auf kurze Sicht ist die Schuldenlast Chinas insgesamt durchaus händelbar. Außerdem bestehen im Nahen Osten (Syrien, Iran, Jemen) sowie in Asien (südchinesisches Meer, Nordkorea) zwar nach wie vor gravierende geopolitische Risiken, die Anleger jedoch nicht davon abhalten sollten, zu investieren. Zum einen sind geopolitische Risiken tendenziell temporärer und kurzfristiger Natur – nur selten lösen sie eine echte Baisse-Phase aus. Und zum anderen würden sich Anleger, die darauf warten, dass wirklich alle Risiken verschwinden, ja niemals aus der Sicherheit liquider Mittel hinaustrauen. Natürlich sollten Investoren an den Märkten ganz grundsätzlich mit sich intensivierenden Wertschwankungen rechnen, aber diese vage Vermutung allein genügt nicht, um Aktien pauschal links liegen zu lassen – und zwar vor allem dann nicht, wenn die historischen Wahrscheinlichkeiten gegen einen Baisse-Markt sprechen. Um wirklich pessimistisch zu sein, bedarf es eines zwingenden Grunds, den wir aktuell jedoch nicht erkennen.
Tut, tut, tut: Nimmt die Lokomotive wieder Fahrt auf?
Wenn sich also die Weltwirtschaft tatsächlich weiter beschleunigt und damit die Gewinne beflügelt, während es gleichzeitig keine beträchtlichen Risiken gibt, was gefällt uns dann nicht? Die Preise. Obwohl Aktien bisher noch nicht massiv überbewertet sind, ist ihr Bewertungsniveau an nahezu allen Börsenplätzen aber zumindest erhöht. Vermutlich ist dies jedoch eine natürliche Nebenwirkung der extrem niedrigen Zinsen sowie der weltweiten quantitativen Lockerungsmaßnahmen (QE) in Höhe von insgesamt 18 Bio. US-Dollar.
Das Bewertungsniveau ist zwar zweifellos kein geeignetes Timing-Instrument, aber wie wir bereits erläutert hatten, verzichten wir sowieso auf ein Timing der Märkte. Das Problem beim Bewertungsniveau ist, dass es nicht die kurzfristige Tendenz des Marktes vorhersagt, sondern vielmehr die Veränderungen des Risiko-/Ertragsprofils auf längere Sicht. Im Rahmen der Asset Allocation deuten hohe Bewertungen sowohl auf niedrigere erwartete Erträge als auch auf eine ausgeprägtere Abwärtsvolatilität hin. (Hoch bewertete Titel könnten aufgrund ihrer dünneren „Sicherheitsspanne“ dabei höhere Verluste erleiden als preiswerte Aktien.) Investoren sollten solchen Aktien also nicht mit Vorsicht begegnen, weil diese nachgeben könnten, sondern schlicht und einfach, weil der Ertrag pro Risikoeinheit bei ausgereiztem Bewertungsniveau sinkt.
Aus diesem Grund ist es der Drahtseilakt zwischen sich verbessernden Fundamentaldaten einerseits und einem hohen Bewertungsniveau andererseits, der die Zukunftsaussichten von Aktien bestimmt. Momentan sollten Anleger im Hinblick auf einen Anstieg der KGVs nicht allzu viel erwarten. Da die Inflation aktuell aber nicht deutlich ansteigt und die Geldmarktpolitik nicht erheblich verschärft wird (zwei Faktoren, die das Bewertungsniveau von Aktien üblicherweise belasten), könnten die KGVs aber noch einige Zeit hoch bleiben. Angesichts steigender Gewinne deutet dies auf ein für „Schnäppchenjäger“ günstiges Aktienmarktumfeld mit positiven, aber im historischen Vergleich unterdurchschnittlichen Erträgen hin.
Anlagechancen in Europa
Wo aber hält man am besten nach Anlagechancen Ausschau? Mittlerweile zeichnen sich bei europäischen Aktien eindeutig Anlagechancen ab. So hat sich die Erholungstendenz im Euroraum inzwischen endlich etabliert, denn das Wachstum macht dort mittlerweile einen solideren Eindruck und erfasst immer mehr Länder. Im Vergleich zum Vorquartal zieht das Wirtschaftswachstum derzeit an, was auf einen moderaten zyklischen Aufschwung hindeutet. Außerdem verbessern sich nach den rezessiven Phasen, die in den letzten Jahren in Europa zu beobachten waren, endlich auch die Kreditströme wieder. Und erfreulicherweise scheint die Europäische Zentralbank (EZB) auch ihren Kampf gegen die Deflation zu gewinnen. So hat sich die Inflationsrate dem Ziel der Notenbank von „knapp unter 2%“ zuletzt angenähert, während die Kerninflation stabil bei rund 1% liegt.
Gleichzeitig ist angesichts der Basiseffekte im Zusammenhang mit den Ölpreisen aber auch nicht mit einer galoppierenden Inflation zu rechnen, so dass die EZB ihre Ankurbelungsmaßnahmen wohl nicht zu früh bzw. zu schnell zurückfahren muss. Dieser Faktor sollte europäische Vermögenswerte unserer Meinung nach auch weiterhin stützen. Darüber hinaus ist der Euro nach wie vor schwach – die Gemeinschaftswährung notiert derzeit rund 15% unter ihrem Durchschnitt von vor der Krise. Dies kommt den europäischen Exporteuren, die außerdem von einem wieder anziehenden Welthandel profitieren, zugute. Und schließlich haben auch die jüngsten politischen Ereignisse zu einer Verbesserung des Umfelds für europäische Aktien beigetragen. Da die Frankreich-Wahlen nun hinter uns liegen, besteht deshalb die Möglichkeit, dass Vermögenswerte aus Europa zukünftig auf noch breiterer Front zulegen.
Obwohl die europäischen Aktienmärkte in absoluten Zahlen nicht gerade preiswert sind, machen diese Börsenplätze im Vergleich anderen Regionen (allen voran den USA) unserer Meinung nach immer noch einen relativ günstig bewerteten Eindruck. Trotz der seit November anhaltenden Kursrallye sind die KGVs gegenüber den historischen Durchschnitten nach wie vor vernünftig. So wird der MSCI Europe ex UK-Index auf Basis der für 2017 erwarteten Gewinne beispielsweise zu einem KGV von rund 15,7 gehandelt, während der langfristige Durchschnitt etwa 13,6 beträgt. Darüber hinaus weisen viele europäische Titel (einschließlich einiger Small- und Mid Cap-Werte) gegenüber ihren US-Pendants ein deutliches Abgeld auf. Bis zuletzt ließ sich dies noch durch das politische Risiko erklären, doch nach sieben Jahren, in denen europäische Aktien (in lokaler Währung) nunmehr hinter dem US-Markt zurückgeblieben sind, besteht unserer Einschätzung nach mittlerweile beträchtlicher Spielraum für eine Aufholjagd. Außerdem hält die EZB an ihrer im Vergleich zur US-Notenbank etwas lockereren monetären Strategie fest, und auch das technische Umfeld ist nach wie vor günstig. Deshalb steigen die Mittelzuflüsse an die europäischen Märkte dank des nachlassenden politischen Risikos an."