„Und dann kam alles anders…“: Wohl kaum ein Marktteilnehmer hätte Anfang 2018 vermutet, dass das Kapitalmarktjahr einen derart enttäuschenden Verlauf nehmen wird und mit gerade einmal 17% an positiven Fondskategorien (siehe e-fundresearch.com Analyse) eines der herausforderndsten Umfelder seit Jahren darstellt. Umso spannender die Frage, welche Entwicklungen letztendlich zu diesem Ergebnis beziehungsweise dem generell negativen Marktsentiment geführt hatten.
Für Karen Ward, EMEA Chefstrategin bei J.P. Morgan AM, stechen mit Blick auf das Kapitalmarktjahr 2018 vor allem zwei Entwicklungen heraus, die sie in diesem Ausmaß nicht erwartet hätte: Überraschung Nummer 1 stellt für Ward das unerwartet schnelle Deleveraging der chinesischen Wirtschaft mit entsprechendem Wachstumsdämpfer dar. Die Umstellung des chinesischen Wirtschaftsmodells sei zwar von langer Hand geplant und auch gut dem Markt kommuniziert worden, das Ausmaß der Wachstums-Entschleunigung habe laut der Expertin wohl aber auch Peking selbst überrascht. „Hier sind von offizieller Seite mit gesenkten Unternehmenssteuern sowie mit neuen Infrastrukturprojekten auch bereits die ersten Gegenimpulse zu verzeichnen gewesen“, so Karen Ward im Interview mit e-fundresearch.com.
Das starke Deleveraging sei zwar nicht unbedingt direkt den offiziellen chinesischen Wirtschaftsdaten zu entnehmen gewesen, war aber vor allem bei europäischen Unternehmen und deren Auftragslage feststellbar. „Und das bereits vor der Zuspitzung des US-Chinesischen-Handelskonflikts“, fügt Ward hinzu.
Eine weitere Überraschung stellen laut der Chefstrategin die Auswirkungen der unerwartet radikal umgesetzten „America First“-Handelsbarrieren dar. „Vor allem die Tatsache, dass hiervon auch einige US-Unternehmen stark betroffen waren, haben viele Marktteilnehmer in diesem Ausmaß nicht erwartet“, so die Expertin.
Das daraus resultierende negative Marktsentiment habe Ward zufolge rasch in global verminderten Investitionen von Unternehmen (insbesondere längerfristige Capex-Projekte) resultiert. Es sei zwar durchaus möglich, dass sich auch die Handelskrieg-Wogen wieder glätten könnten und es zu einer Rückkehr des Unternehmensvertrauens kommt, mit dauerhaften (oder zumindest langfristigen) Lösungen rechnet Ward aber erst frühestens nach den US-Präsidentschaftswahlen 2020.
Eine besondere Herausforderung stellt laut Ward im aktuellen Umfeld das Management von Multi Asset Mandaten dar: Schon 2018 habe man erkennen können, dass die Suche nach funktionierenden Diversifikationsinstrumenten alles andere als eine leichte Aufgabe ist. Hier bedarf es der Expertin zufolge eines globalen und vor allem flexiblen Anlageuniversums. Generell sollten sich Investoren in der Post-QE Phase auf ein erhöhtes Volatilitätsniveau einstellen, welches wiederum aber auch in vermehrten Chancen resultiert.
Eine Entwicklung die Ward & ihre Portfoliomanagementkollegen derzeit verstärkt im Fokus behalten ist der Verschuldungsgrad von US-Unternehmen: Hier könne es aufgrund der Kombination aus einem höheren Zinsniveau sowie verstärkt auftretenden Disruptionen durch neue Technologien und Geschäftsmodelle durchaus immer wieder zu selektiven Enttäuschungen kommen. Auch mit Blick auf das US-Investment-Grade-Bonduniversum rät Ward Anlegern zu erhöhter Selektivität: Knapp die Hälfte des Investmentgrade-Universums verfügt derzeit über ein BBB-Rating und ist somit lediglich eine Abstufung vom High-Yield-Status entfernt. „In solch einem Umfeld ist eine gründliche Fundamentalanalyse und selektives Bond-Picking von oberster Bedeutung“, so Ward.