Japan-Aktien im Fokus: Zwischen starker Erholung und neuer Volatilität – Wie geht es weiter?
Der japanische Aktienmarkt verzeichnete in der ersten Hälfte des Jahres 2024 eine bemerkenswerte Performance und erreichte mehrjährige Höchststände. Anfang August folgte jedoch ein historischer Einbruch von über 12% innerhalb eines Tages, ausgelöst durch die Normalisierung der Geldpolitik der Bank of Japan und externe wirtschaftliche Unsicherheiten. Trotz dieses Rückschlags erholte sich der Markt schnell wieder, und die Indizes legten in den Tagen darauf kräftig zu. Wie geht es nun weiter?
Um diese Frage zu beantworten, hat die e-fundresearch.com Redaktion eine Umfrage gestartet und die Meinungen ihres internationalen Expertennetzwerks eingeholt.
Unsere Fragestellung an Fondsgesellschaften:
Wie bewerten Sie die aktuelle Marktlage in Japan? Sehen Sie den jüngsten Volatilitätsanstieg bei Japan-Aktien als Warnsignal oder als attraktive Einstiegschance? Welche Anpassungen nehmen Sie in Ihrer Asset Allocation vor?
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Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege, Fidelity International
Kei Okamura, Portfolio Manager im Japanese Equities Team bei Neuberger Berman, Neuberger Berman
Florian Rainer, Asset Manager, Matejka & Partner Asset Management
George Dent, Investment Manager, Walter Scott (Teil von BNY Investments)
Anleger interessierten sich in diesem Jahr für japanische Aktien, weil sie glaubten, dass es Japan nach jahrelangen Bemühungen endlich gelungen sei, die Inflation in den Griff zu bekommen und die Unternehmensführung zu verbessern. Diese beiden Faktoren zusammen wirkten wie ein Katalysator, der das Interesse an Japan wiederbelebt hat.
Wir haben aber Bedenken hinsichtlich der Verbesserungen in der Unternehmensführung: Sie sind zwar tatsächlich sichtbar, gehen uns jedoch nicht schnell genug. Und was die Inflation betrifft, so ist es noch ein weiter Weg von der Rückkehr der Teuerung hin zu einer echten Wachstumswirtschaft.
Unser Ansatz bleibt daher vorsichtig, was die ,Japan Inc.‘ angeht. Wir finden jedoch ausgewählte Investment-Gelegenheiten in japanischen Unternehmen, die in ihrem Bereich nachweislich Spitzenleistungen erbringen und eine Rolle bei breiteren globalen Trends oder langfristigen Trends in Japan spielen – zum Beispiel bei der Alterung der japanischen Bevölkerung. Keyence zum Beispiel ist ein Vorzeigeunternehmen der japanischen Automatisierungsbranche.
Naoki Kamiyama, Chief Strategist, Nikko Asset Management
Inländische Faktoren wirken sich jedoch weiterhin günstig auf japanische Aktien aus. Das Narrativ, dass Japan dank steigender Reallöhne den deflationären Druck vollständig abschütteln kann, ist nach wie vor intakt. Die jüngsten Daten zeigen, dass die Löhne weiter steigen, was zu erhöhtem Konsum führt. Es wird erwartet, dass die Unternehmensgewinne im Rahmen der Prognosen bleiben, wenn sich das Währungspaar auf einem Niveau von etwa 145 halten kann.
Der Rückgang der japanischen Aktien könnte schließlich den Weg für andere, insbesondere inländische Privatanleger, ebnen, die in den Markt einsteigen, sobald die Volatilität Anzeichen einer Beruhigung zeigt.
Das Hauptszenario für den japanischen Aktienmarkt ist im Grunde unverändert: Die Binnennachfrage bleibt stark, unterstützt durch den anhaltenden Anstieg der Löhne. Wir gehen davon aus, dass sich die japanischen Aktien stabil entwickeln werden.
Thomas Altmann, Leiter Portfoliomanagement, QC Partners
Der Yen steht aktuell im Spannungsfeld der unterschiedlichen Geldpolitik der Notenbanken. Erst haben die geldpolitischen Straffungen in den USA und der Eurozone bei gleichzeitiger Negativzinspolitik in Japan den Yen unter Druck gesetzt. Jetzt stärken die geldpolitischen Lockerungen von FED und EZB sowie die Straffungen der Bank of Japan den Yen. Die Abhängigkeit von der Geldpolitik mehrerer Notenbanken wird auch in naher Zukunft für erhöhte Volatilität beim Yen und bei japanischen Aktien sorgen.
Bei der AbsoluteIncome-Strategie (Collar-Schreibestrategie auf Aktienindizes) von QC Partners ist die implizite Volatilität ein Allokations-Kriterium. Hier ist der Nikkei 225 aktuell übergewichtet. Da die Basispreise unserer Positionen unterhalb des Indexstandes liegen, reicht eine Seitwärts- oder moderate Negativbewegung aus, um das maximale Performance-Potenzial zu heben.
Markus Zeiß, CFA Leiter Equity, LBBW Asset Management
In Anbetracht der aktuellen Lage ist es daher ratsam, vorsichtig bei der Gewichtung japanischer Aktien in der Asset Allocation vorzugehen. Die TOPIX- und Nikkei-Prognosen für 2024 wurden von diversen Brokern bereits nach unten korrigiert. Im Hinblick auf unsere Asset Allocation favorisieren wir Unternehmen mit robustem Ertragswachstumspotenzial, insbesondere in den Bereichen Verteidigung und Energie.
Zudem sehen wir Bankaktien aufgrund der guten Asset-Qualität, stabilen Nettozinsmargen und attraktiven Bewertungsniveaus
positiv. Trotz der aktuellen taktischen Zurückhaltung könnten also langfristige Investitionen in japanische Aktien eine sinnvolle Ergänzung im Sinne der Portfolio-Diversifikation darstellen. Ein begrenzter Anstieg des Yen sowie eine „dovishe“ Bank of Japan wären für eine Erholung eine gute Grundlage.
June-Yon Kim, Portfoliomanager/Analyst für japanische Aktien bei Lazard Asset Management, Lazard Asset Management
Da die Bank of Japan ihre Geldpolitik weiter normalisieren wird, könnte es aufgrund des stärkeren Yen zu einer erhöhten Marktvolatilität kommen. Hinzu kommt, dass die wirtschaftlichen Aussichten in den USA unsicherer geworden sind. Kurzfristig ist unser Ausblick für japanische Aktien deshalb ausgewogener. Dies ändert jedoch nichts an unserer positiven mittel- bis langfristigen Einschätzung für japanische Aktien. Es sind vor allem zwei Schlüsselthemen, die sich weiterhin positiv auswirken: die Verbesserung der Unternehmensführung, die zu einer besseren Kapitaleffizienz und höheren Aktionärsrenditen führt, und der Übergang von Deflation zu Inflation, der die japanische Wirtschaft allmählich verändert.
Nach dem Ausverkauf Anfang August erholte sich der Markt schnell wieder, und die Indizes legten wieder kräftig zu. Wir haben entsprechend bisher keine Anpassungen an unseren Japan-Strategien vorgenommen. Wir evaluieren jedoch die Chancen, die sich aus der aktuellen Volatilität ergeben. Einige Aktien sind im Hinblick auf das Risiko-Ertrags-Verhältnis nämlich attraktiver geworden.
Ivan Domjanic, Kapitalmarktstratege für die DACH-Region, M&G Investments
Hintergrund der heftigen aber kurzen Korrektur dürfte die Kombination aus plötzlich aufkommenden Rezessionssorgen in den USA mit rückläufigen Anleiherenditen und Aktienkursen auf der einen Seite, sowie die Zinsanhebung durch die Bank of Japan mit der Konsequenz einer rapiden Aufwertung des Yen auf der anderen Seite gewesen sein. Das Zusammenlaufen der Renditedifferenz zwischen den USA und Japan in Kombination mit der Aufwertung des Yen und dem Rückgang der globalen Aktienkurse hat wohl letztlich zu dieser panikartigen Auflösung der Yen-Carry-Trades geführt.
Rein fundamental betrachtet, erwarten wir für den japanischen Aktienmarkt über das nächste Jahrzehnt jedoch weiterhin ein überdurchschnittlich hohes Gewinnwachstum, angetrieben vom strukturellen Wandel in der japanischen Unternehmenslandschaft. Diese Entwicklung wird sich aus unserer Sicht in den nächsten Jahren sogar noch weiter beschleunigen. Wir haben diese Phase genutzt, um z.B. bei japanischen Tech-Werten nachzukaufen.
Dies ist Teil 1 von 2 unserer Japan-Umfrage. Teil 2 wird am kommenden Freitag, den 30. August auf e-fundresearch.com veröffentlicht.
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