Mit der Ankündigung weitreichender Importzölle – den sogenannten „Liberation Day“-Zöllen – hat US-Präsident Trump Anfang April die Kapitalmärkte in Aufruhr versetzt. Die Folge: deutliche Kursausschläge, Verunsicherung bei Investoren und intensive Debatten über mögliche strategische Konsequenzen. Wir wollten wissen, wie Asset Allokatoren auf diese Entwicklung reagieren – und haben nachgefragt, welche unmittelbaren Marktreaktionen wahrgenommen wurden und ob es bereits Anpassungen in der Asset Allocation gab oder geplant sind.
Darüber hinaus stand die Frage im Fokus, ob es sich bei den jüngsten Entwicklungen um vorübergehende Verwerfungen handelt – oder ob ein langfristiger Regimewechsel bevorsteht, mit potenziellen Auswirkungen auf geopolitische Risikoprämien, Wachstumserwartungen und Korrelationen zwischen Assetklassen. Die Antworten der Expertinnen und Experten haben wir für Sie in einem kompakten Slider aufbereitet.

Gregor MA Hirt, Global CIO Multi Asset, Allianz Global Investors GmbH
An den Finanzmärkten dürfte die Ankündigung Trumps, eine allgemeine Abgabe in Höhe von 10% und höhere Zölle für wichtige Handelspartner zu erheben, kurzfristig zu Turbulenzen und einer Flucht in sichere Häfen wie Gold und kurzfristige US-Staatsanleihen führen. Inmitten unruhiger Marktbedingungen bevorzugen wir europäische Aktien gegenüber US-Titeln, den japanischen Yen, Gold sowie US-Staatsanleihen. Da der globale Handelsstreit wahrscheinlich noch weitere Wendungen nehmen wird, dürften sich Anlegern weitere Chancen bieten.

Libby Cantrill, Head of Public Policy, PIMCO

Chris Iggo, CIO Core Investments, AXA Investment Managers

Salman Ahmed, Global Head of Macro and Strategic Asset Allocation, Fidelity International
Entscheidend ist nun, welche Abkommen andere Länder mit den USA schließen, ob sie mit Gegenzöllen reagieren und ob die US-Regierung bereit ist, bei den Zollerhöhungen zurückzurudern.
Stagflation ist jetzt das wahrscheinlichste Szenario für die US-Wirtschaft. Sollten die Zollsätze dauerhaft bestehen bleiben, wird die US-Inflation bis zum Sommer auf 3,5 Prozent steigen. Die Kombination aus schwachem Wachstum und hoher Inflation bringt die US-Notenbank in eine schwierige Situation.

Tim Drayson, Head of Economics, L&G
Die Wahrscheinlichkeit einer US-Rezession wird wohl in den nächsten 12 Monaten weiter steigen. Die Folgen der Handelsbeschränkungen und die damit verbundene Unsicherheit könnten sich viel stärker auswirken als die Schätzungen, die allein auf den direkten Kosten der Zölle basieren.
Um eine Rezession in den USA zu vermeiden, bräuchte es wahrscheinlich eine Kombination aus einer Rücknahme der Zölle, einer verhaltenen Reaktion der Handelspartner oder einem US-Konjunkturprogramm, das schnell genug verabschiedet werden würde, um die Auswirkungen abzumildern. Auch die Beschränkung der Einwanderung und die Bedrohung der Arbeitsplatzsicherheit für Angestellte des Staates können sich negativ auf das Wachstum auswirken.
Wir im Asset Allocation Team sind der Meinung, dass Diversifizierung die Lösung ist. Das heißt, wir sind nicht übermäßig in eine Anlageklasse, eine Region investiert und nicht von einem wirtschaftlichen Szenario abhängig.

Gerhard Winzer, Chefvolkswirt, Erste Asset Management
Szenario 1: Die unmittelbaren negativen Auswirkungen der Zollanhebungen sind so stark dass es zu Verhandlungslösungen kommt. Der US-Präsident zeigt sich zufrieden mit den Konzessionen der anderen Länder, obwohl die bilateralen Handelsbilanzdefizite bleiben.
Szenario 2: Die US-Zollanhebungen werden nicht abgeändert. Die anderen Länder antworten mit Gegenmaßnahmen und weiten die protektionistischen Maßnahmen auf den Dienstleistungssektor aus. In den USA steigen die Kosten und die Inflation an. Der „Rest“ der Welt ist mit einem Nachfrageschock konfrontiert. So oder so: Die Unsicherheit wird so schnell nicht verschwinden.

Heiko Böhmer, Kapitalmarktstratege, Shareholder Value Management
Durch unseren starken Europa-Fokus hatten wir im ersten Quartal eine stabile Performance. Und auch in der Korrektur geben viele defensive Aktien aus unserem Investment-Portfolio deutlich weniger nach, als die zuvor extrem hochbewerteten Technologiewerte vor allem aus den USA.
Aktienselektion ist wieder Trumpf. Breit investierende Welt-Indizes sacken überdurchschnittlich ab. „Augen zu und durch“ ist daher aktuell ein oft gehörter Ratschlag. Wir setzen lieber auf das bekannte Buffett-Motto: „Sei mutig, wenn andere ängstlich sind.“ So haben wir schon Chancen genutzt und die Aktienquote im Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen in den vergangenen Tagen erhöht, auch weil die Marktstimmung komplett am Boden ist. Der bekannte „Fear & Greed“ Index von CNN notiert mit 4 Punkten auf Panikniveau – in der Vergangenheit war das ein positives Signal für den ausgewählten Einstieg.

Thomas Altmann, Leiter des Portfoliomanagements, QC Partners
Bleiben die Zölle längere Zeit so in Kraft, werden sie zunächst zu gestörten Lieferketten, Inflation und niedrigerem Wachstum führen. Mittelfristig wird der US-Anteil am globalen Handel weiter sinken. Hauptprofiteur in diesem Szenario könnte erneut China sein.
Der einzige wirkliche Ausweg von den negativen Folgen des US-Befreiungstages wäre ein echter Freihandel.
Aktuell werden an den Börsen die negativen Folgen aus der ersten Phase von Trumps Zollerhöhungen eingepreist. Das sind drastische Kursverluste zur Antizipation niedrigerer Unternehmensgewinne und stark erhöhte Volatilitäten als Folge der Unsicherheit.
Für unsere abgesicherte Optionsstrategie, die insbesondere von erhöhten Volatilitäten profitiert, bieten sich aktuell weltweit attraktive Opportunitäten.

Thomas Meyer, Country Head Germany – Institutional Sales International, DPAM
Die Zölle kommen zu einer Zeit, da die US-Wirtschaftsdaten bereits nachgeben. Höhere Zölle könnten die Inflation anheizen und das Wachstum schwächen, was den Spielraum für Zinssenkungen einschränkt. In einer möglichen Rezession würden zyklische Sektoren zusätzlich unter Druck geraten.
Exportlastige Volkswirtschaften dürften mit Verlangsamungen und Währungsabwertungen konfrontiert sein. In Ländern mit hohen Handelsüberschüssen und wichtiger verarbeitender Industrie könnten sich Wirtschaftstätigkeit und Anlegerstimmung verschlechtern.
Für Warenexporteure, Konsumtitel und Zykliker werden die Auswirkungen der neuen Zölle relativ groß sein. Anlagen in hochwertige Unternehmen mit soliden Bilanzen, wiederkehrenden Einnahmen, strukturellem Wachstum und starken Geschäftsmodellen dürften wertvoller werden.

Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt, FERI AG

Ulrich Urbahn, CFA, Leiter Multi Asset Strategy & Research, Berenberg
Das zweite Quartal 2025 dürfte in den USA von hoher wirtschaftlicher Unsicherheit geprägt bleiben. Die Risiken für eine mögliche Rezession sind klar erkennbar und die Wahrscheinlichkeit dafür steigt. Sollte die Fed nicht in Panik geraten und die Geldpolitik extrem lockern, was nicht unser Basis-Szenario ist, erwarten wir keine schnelle und deutliche V-Erholung der Märkte. Allerdings denken wir, dass die Märkte kurzfristig überverkauft sind, sodass wir eine taktische Chance für eine Erholungsrallye sehen.
Angesichts der im Jahr 2026 anstehenden Zwischenwahlen dürfte auch die US-Regierung gewillt sein, den US-Aktienmarkt mittelfristig zu unterstützen. Dies erwarten wir allerdings tendenziell verstärkt im zweiten Halbjahr 2025, sodass dann Aktien hoffentlich wieder nachhaltig nach oben drehen können. Für das zweite Quartal erwarten wir eine erhöhte Volatilität mit opportunistischen Chancen.

Stefan Wolpert, Portfoliomanager, Habbel, Pohlig & Partner
Was in Zeiten fester Risikoanlagenmärkte langweilig klingt, zeigt in der aktuellen Phase seine Wichtigkeit: eine auf die Risikotragfähigkeit des Anlegers angepasste Asset Allocation. Im Vorfeld der Bekanntgabe haben wir uns zudem in Aktien vorsichtiger positioniert und die Zinssensitivität erhöht. Zusammen mit „marktrichtungsunabhängigen“ Instrumenten wie Volatilitätsstrategien und dem fast obligatorischen Goldanteil können damit Schwankungen aus Aktien und High Yield teilweise geglättet werden.
Die Stärke des Abverkaufs dürfte als direkte Reaktion temporär sein. Verschiebungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen und Anpassungen von Gewinnerwartungen werden uns hingegen längerfristig beschäftigen und eine aktive Investitionsgradsteuerung erfordern.

Benoit Anne, Senior Managing Director - Strategy and Insights Group, MFS Investment Management
Wir sind der Ansicht, dass die Anlageklasse der festverzinslichen Wertpapiere in der kommenden Zeit gut ist, um Risiken zu reduzieren. Die Argumente für eine lange Duration haben sich in den letzten Wochen sehr verstärkt. Diese sind, das Abwärtsrisiko für die Weltwirtschaft und die Erwartung, dass die Zentralbanken weltweit angesichts eines Wachstumsschocks das Tempo der geldpolitischen Lockerung beschleunigen werden müssen.
Auf der Aktienseite gehen wir davon aus, dass die globale Verschiebung weg von den USA anhalten wird bis Anleger die US-Aktien irgendwann wieder als Kaufgelegenheit einstufen werden. Im Moment ist es unmöglich, diese Entscheidung zu treffen. Wir bevorzugen derzeit Wertpapiere mit Qualität und ein Engagement in Sektoren mit niedrigerem Beta.

Ivan Domjanic, CFA, Kapitalmarktstratege, M&G Investments (Deutschland)
Vor diesem Hintergrund zeigen die Bewertungen an den Aktienmärkten ein sehr uneinheitliches Bild. Während die KGVs vieler Wachstumstitel trotz der Kursrückgänge immer noch über ihren historischen Durchschnittswerten liegen, befinden sich viele Value-Aktien mittlerweile auf Rezessionsniveau, insbesondere in Europa und Teilen Asiens. Bei den Unternehmensanleihen haben sich die Spreads zwar ziemlich rasch ausgeweitet, allerdings von extrem niedrigen Niveaus aus. Wirklich günstige Bewertungen sind hier also noch nicht erreicht.

Enguerrand Artaz, Investmentstratege, LFDE
Den Entwicklungen werden sich wohl nur wenige Märkte widersetzen. Europäische Aktien könnten sich vergleichsweise besser entwickeln. Das Potenzial für "deleveraging" ist geringer angesichts der nach wie vor schwachen Positionierung der Anlageklasse, die Bewertungen sind niedrig und der Abwärtsdruck auf den US-Dollar könnte anhalte. In absoluten Zahlen rechnen wir aber nicht mit einer massiven Abkopplung. Sollte es jedoch längerfristig kein Zurück bei Trumps Politik geben, könnten Investoren sich strukturell von US-Anlagen zugunsten von Europa oder Asien trennen.

Daniel Kerbach, Chief Investment Officer, Head Investment Management, BayernInvest Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH
Kommt es im Zollstreit zu keiner Einigung, könnte das Wachstum weltweit erlahmen und die USA in eine milde Rezession abgleiten. Auch die Inflation könnte durch den Zollkonflikt noch einmal zunehmen. Dies würde zu einem noch stärkeren Drahtseilakt der Zentralbanken führen. Sollte der Zollkonflikt jedoch schnell beigelegt werden, wäre dies ein Signal zur Erholung für die Aktienmärkte.
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