Zolldeal im Realitätscheck: Teurer Frieden

Ein "historischer Erfolg" laut Trump, doch mit schmerzhaften Nebenwirkungen: Das neue Handelsabkommen zwischen EU und USA vermeidet zwar eine Eskalation. Erkauft wird es durch hohe Zölle, teure Importverpflichtungen und politische Spannungen. Welche Folgen drohen, analysieren Michaël Nizard und Nabil Milali von Edmond de Rothschild AM. Markets | 29.07.2025 12:55 Uhr
Michaël Nizard, Head of Multi-Asset & Overlay, und Nabil Milali, Multi-Asset & Overlay Portfolio Manager bei Edmond de Rothschild AM / © e-fundresearch.com / Edmond de Rothschild AM
Michaël Nizard, Head of Multi-Asset & Overlay, und Nabil Milali, Multi-Asset & Overlay Portfolio Manager bei Edmond de Rothschild AM / © e-fundresearch.com / Edmond de Rothschild AM

Historischer Durchbruch oder teurer Kompromiss?

Am 27. Juli gaben US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Abschluss eines umfassenden Handelsabkommens bekannt. Der „historische Erfolg“, so Trump, soll eine drohende Eskalation im transatlantischen Zollstreit abwenden. Der vereinbarte pauschale Zollsatz von 15 Prozent auf einen Großteil europäischer Exporte in die USA sei ein Kompromiss, heißt es aus Brüssel. Betroffen sind zentrale Branchen wie die Automobilindustrie, Pharmazeutika und Halbleiter.

Doch unter der Oberfläche bleiben zahlreiche Risiken bestehen. „Was auf den ersten Blick wie eine Deeskalation aussieht, kann sich für Europa mittelfristig als struktureller Wettbewerbsnachteil entpuppen“, warnt Michaël Nizard von Edmond de Rothschild AM. Die Einigung verhindere zwar neue Strafzölle von bis zu 30 Prozent, wie sie von Washington für August angedroht waren, verankere aber gleichzeitig ein hohes Handelsbarrieren-Niveau.

Zölle: Stabilisiert, aber auf hohem Niveau

Für viele europäische Exporteure kommt das neue Zollniveau einer Enttäuschung gleich. Denn der nun vereinbarte Satz liegt deutlich über den Erwartungen. Besonders kritisch sei die Situation für deutsche Autobauer, betont Nabil Milali: „Ein dauerhafter Zollsatz von 15 Prozent ist weit entfernt von den angestrebten 2,5 Prozent vor der Trump-Ära. Damit entfällt jede Hoffnung auf eine Rückkehr zu Normalität.“

Faktoren geben Anlass, an den Aktienmärkten kurzfristig vorsichtig zu bleiben.

Noch gravierender ist die Lage in anderen Industriesektoren: Die 2023 eingeführten Zölle von 50 Prozent auf europäischen Stahl und Aluminium bleiben bestehen. Eine vielfach erwartete Quotenregelung zur Abmilderung kam nicht zustande. Auch bei den Sektoren Pharma und Halbleiter herrscht Unklarheit: Von der Leyen äußerte sich zwar zuversichtlich, dass diese im Abkommen berücksichtigt seien, doch eine offizielle Bestätigung aus Washington fehlt bislang. „Die Unsicherheit bleibt bestehen und kann sich als Belastung für Investitionen erweisen“, so Milali.

Milliardenverpflichtungen der EU: Energie, Investitionen, Rüstung

Während sich Europa auf hohe Zölle einstellen muss, verpflichtete sich die EU gleichzeitig zu weitreichenden wirtschaftlichen Zugeständnissen. Ein zentraler Bestandteil: Die Zusage, in den kommenden drei Jahren Energieprodukte im Wert von 750 Milliarden US-Dollar aus den USA zu importieren. Dies entspräche einer vollständigen Substitution russischer Energieimporte, insbesondere im Gasbereich.

Zusätzlich stehen, laut Trump, EU-Zusagen über Investitionen in die US-Wirtschaft in Höhe von 600 Milliarden US-Dollar im Raum, darunter Käufe von Militärausrüstung in dreistelliger Milliardenhöhe. Brüssel hat diese Zahlen bislang nicht offiziell bestätigt. Milali verweist auf Parallelen zum jüngsten Handelsabkommen zwischen den USA und Japan, bei dem ebenfalls nur ein Bruchteil der angekündigten Summen tatsächlich floss: „Solche Zusagen sollten politisch eingeordnet werden – realwirtschaftlich ist vieles noch offen.“

Reaktionen an den Märkten: Erleichterung mit Verfallsdatum?

Die kurzfristige Marktreaktion auf das Abkommen war zunächst positiv. Der Stoxx-600-Index stieg zum Handelsstart um ein Prozent auf ein Viermonatshoch. Auch exportabhängige Branchen wie die Automobilindustrie profitierten zunächst. Doch bereits am Folgetag kam es zu Gewinnmitnahmen. Ein Zeichen, dass die Marktteilnehmer den Deal differenzierter bewerten.

„Die Unsicherheit ist kurzfristig reduziert, aber keineswegs beseitigt“, betont Nizard. Die mittelfristigen wirtschaftlichen Folgen dürften sich in Europa eher dämpfend auswirken. Die Analysten von Edmond de Rothschild AM rechnen mit einem negativen Effekt von bis zu 0,4 Prozentpunkten auf das europäische BIP. Ursache: geringere externe Nachfrage, Unsicherheit und strukturelle Belastungen für exportorientierte Branchen.

Ein kleiner Lichtblick: Die Inflation könnte laut Modellsimulationen leicht sinken (ca. -0,1 Prozent), was der EZB geldpolitischen Spielraum verschaffen dürfte. „Für die Notenbank ist das ein Signal zur Entspannung - für die Realwirtschaft leider nicht“, so Milali.

Politische Spannungen innerhalb Europas

Das Abkommen hat auch politische Gräben innerhalb Europas offengelegt. Während Deutschland und Italien, stark vom US-Markt abhängig, den Deal trotz hoher Zölle als notwendiges Übel verteidigen, kritisierte Frankreich den Kompromiss deutlich. Der französische Minister für europäische Angelegenheiten äußerte scharfe Bedenken, insbesondere hinsichtlich der Wettbewerbsverzerrungen.

„Die unterschiedlichen Abhängigkeiten von US-Exporten führen zu divergierenden Interessen innerhalb der EU“, analysiert Nizard. Frankreich konnte teilweise Ausnahmen für strategisch wichtige Industrien wie Luxusgüter, Luftfahrt und Verteidigung durchsetzen. Ein Umstand, der in Berlin und Rom nicht unkommentiert blieb.

Hinzu kommt: Das Abkommen muss noch von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden. Ein Scheitern in einzelnen Mitgliedstaaten ist nicht ausgeschlossen, zumal der politische Preis hoch und die wirtschaftliche Dividende überschaubar ist.

US-Ausblick: Neue Realität mit begrenztem Spielraum

In den USA zeichnet sich nach Einschätzung der beiden Experten eine neue Handelsrealität ab. Der durchschnittliche Zollsatz ist infolge mehrerer Vereinbarungen deutlich gestiegen - von 2,5 Prozent Anfang April auf heute fast 16 Prozent. Dieser Anstieg hat konkrete wirtschaftliche Folgen: „Amerikanische Unternehmen tragen den Großteil dieser zusätzlichen Kosten“, erklärt Michaël Nizard. Rund 55 Prozent werden an die Verbraucher weitergegeben, der Rest drückt direkt auf die Gewinnmargen der Unternehmen.

Die Auswirkungen werden sich in den kommenden Monaten weiter fortsetzen, sowohl beim Wirtschaftswachstum als auch bei der Inflation. Nabil Milali betont: „Dies zwingt die Federal Reserve zu einer vorsichtigen Haltung.“

Damit ist klar: Auch in den USA ist die wirtschaftliche Lage trotz des Abkommens alles andere als entspannt. Die strukturellen Belastungen bleiben bestehen, was die Geldpolitik zusätzlich unter Druck setzt und das, in einem ohnehin komplexen makroökonomischen Umfeld.

„All diese Faktoren geben Anlass, an den Aktienmärkten kurzfristig vorsichtig zu bleiben, vor allem angesichts der derzeit sehr hohen Bewertungsniveaus.“, so die Experten.

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