Teil 1 | Umfrage zur US-Schuldenlage: Kippt unter Trump die fiskalische Stabilität?
Die US-Staatsverschuldung erreicht neue Rekordstände, gleichzeitig mehren sich Warnungen vor einem möglichen fiskalischen Tabubruch. Wir haben führende Expert:innen um eine erste Einschätzung gebeten.
Funds
| 20.05.2025 12:47 Uhr
Mit einer Schuldenquote von über 126 % des BIP sowie dauerhaft hohen Primärdefiziten steht die fiskalische Stabilität der USA zunehmend unter Druck. Unter der neuen Präsidentschaft von Donald Trump rücken nun auch bislang undenkbare Szenarien ins Blickfeld: Droht im Ernstfall ein selektiver Schuldenschnitt – etwa durch einseitige Zahlungsaussetzungen oder Reprofiling bestehender US-Schuldtitel?
Vor diesem Hintergrund wollten wir von Ökonom:innen, Volkswirt:innen und Kapitalmarktexpert:innen wissen: Wie tragfähig ist die US-Verschuldung in einem Umfeld steigender Zinskosten? Wie realistisch sind politische Eingriffe in die Schuldenstruktur – und was wären die potenziellen Auswirkungen auf das Vertrauen in US-Staatsanleihen, die Rolle des Dollars als Weltreservewährung und das Anlageverhalten institutioneller Investoren?
Die Haushaltspläne des Kongresses bedeuten, dass Trump auch hier seine Agenda, also v.a. Steuersenkungen durchsetzen will. Das CBO schätzt, dass das jährliche Haushaltsdefizit im Falle der Umsetzung der Pläne dauerhaft mehr als 7% des BIP betragen und der Schuldenstand auf etwa 130% des BIP steigen würde. Dies durch Einsparungen zu verhindern, wird kaum gelingen. Ob die derzeit angedachten Einschnitte bei Medicaid, die knapp 8 Millionen Amerikanern den Versicherungsschutz entziehen würden, eine Mehrheit finden, ist eine der spannenden Fragen in den kommenden Wochen. Die fehlende Tragfähigkeit der Staatsfinanzen wird jedenfalls stärker als bisher in den Fokus rücken, und es ist wahrscheinlich, dass dies zu einem weiteren (deutlichen) Anstieg der Langfristzinsen und einer fortgesetzten Dollarschwäche führt. In der Zollfrage war genau das der Punkt, an dem die Trump-Regierung einlenkte: Weil Schuldenschnitte oder andere Maßnahmen, die den Status der USA als zuverlässiger Schuldner untergraben, nicht im Interesse Trumps liegen, bietet sich eine andere Option an: Spätestens mit einem Nachfolger von Powell könnte die Fed für niedrigere Zinsen instrumentalisiert werden.
Paul Jackson, Global Head of Asset Allocation Research, Invesco
In einer Antwort an den Kongress schlug das Congressional Budget Office vor, dass die Staatsverschuldung der USA im Verhältnis zum BIP von 99% im Jahr 2024 auf 166% im Jahr 2054 steigen wird, unter der Annahme, dass die Steuersenkungen von 2017 im Jahr 2025 rückgängig gemacht werden. Andernfalls schätzt das CBO, dass die Schuldenquote bis 2054 auf 214% steigen wird. Wenn der durchschnittliche Zinssatz für US-Schulden bis 2054 um einen Prozentpunkt steigt, würde die Schuldenquote über 250% liegen.
So halte ich die Staatsverschuldung der USA für untragbar. Eine Senkung des Primärdefizits auf null würde die Schulden und Zinskosten stabilisieren. Dies würde Ausgabenkürzungen und/oder Steuererhöhungen erfordern. Außerdem könnte eine Wiederaufnahme der Anleihekäufe durch die Fed die Zinsen drücken und die Staatsverschuldung tragbarer machen. Diese Lösungen könnten unerwünschte Nebenwirkungen haben. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass die USA ihre Schulden nicht zurückzahlen, da dies einen Anstieg der US-Renditen erzwingen und den Dollar schwächen könnte. Wenn andere Länder sich weigern würden, die Finanzmittel bereitzustellen, müsste die US-Wirtschaft schrumpfen. Dies dürfte weder wirtschaftlich noch politisch erfolgreich sein.
Daniel Kerbach, Chief Investment Officer, BayernInvest Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH
Die Haushaltslage der USA bleibt angespannt. Trotz Rekordsteuereinnahmen von über 3 Billionen US-Dollar im vergangenen Jahr verschlingen Zinszahlungen und Verteidigungsausgaben bereits mehr als zwei Drittel dieser Summe. Die jüngst angekündigten Steuererleichterungen erhöhen den fiskalischen Druck. Das Treasury bevorzugt kurzlaufende Emissionen, um langfristige Zinsen zu stabilisieren – doch strukturell bleibt die Haushaltsentwicklung problematisch. Bei internationalen Gläubigern wächst die Skepsis.
Ein offener Schuldenschnitt scheint zwar unwahrscheinlich, doch selektive Maßnahmen wie temporäre Zahlungsaussetzungen oder politische Tauschgeschäfte – etwa im Rahmen von Handelsvereinbarungen – sind nicht ausgeschlossen. Solche Szenarien bergen erhebliche Reputationsrisiken. Die USA profitieren seit Jahrzehnten vom Status ihrer Anleihen als globaler Sicherheitsanker. Ein politisch motiviertes Reprofiling könnte das Vertrauen institutioneller Investoren nachhaltig erschüttern und den Dollar als Weltreservewährung strukturell schwächen – ein Preis, den man wohl selbst im aktuellen Umfeld nur ungern zahlt.
Steve Williams, Head of EMEA Global Fixed Income, Nikko Asset Management
Der fiskalische Ausblick der USA steht unter zunehmendem Druck, da das Verhältnis von Schulden zu BIP aufgrund anhaltender Defizite und wachsender Sozialausgaben deutlich steigen dürfte. Sozialversicherung und Medicare bleiben die Haupttreiber langfristiger Ausgaben, während höhere Zinsen die Schuldenlast erhöhen. Die Fed-Bilanz bietet weiterhin Entlastung, da sie einen erheblichen Teil der Neuemissionen absorbiert und Renditen dämpft. Sollte die Inflation sinken, dürften die kurzfristigen Zinsen folgen, was die Zinslast reduziert. Das größte Risiko auf kurze Sicht ist nicht ein Zahlungsausfall, sondern eine Rezession. Diese würde über sinkende Einnahmen und automatische Stabilisatoren das Defizit deutlich ausweiten. Befürchtungen eines von Trump ausgelösten Zahlungsausfalls sind wahrscheinlich übertrieben. Zwar könnte fiskalisches Säbelrasseln zurückkehren, ein Zahlungsausfall ist jedoch angesichts der zentralen Rolle von US-Staatsanleihen und des Dollars als Weltreservewährung höchst unwahrscheinlich. Die bisherigen DOGE-Einsparungen hatten kaum Wirkung, aber noch ist Zeit für echte Fiskaldisziplin. Die zentrale Herausforderung bleibt eine politisch durchsetzbare Strukturreform.
Die US-Staatsverschuldung ist in den vergangenen Jahren rasant gestiegen und wird im Jahr 2025 um weitere 2,5 Billionen US-Dollar wachsen. Mit über einer Billion US-Dollar ist der Schuldendienst mittlerweile der größte Posten im Haushalt – Tendenz steigend. Zusätzlich sorgt der Zollstreit für Unruhe an den Finanzmärkten und Unsicherheit in der Wirtschaft. Erste Auswirkungen sind eine Abwertung des US-Dollars und Kursverluste an den Märkten. Trotz dieser Gemengelage ist die fiskalische Tragfähigkeit der US-Schulden während der zweiten Amtszeit von Donald Trump gegeben. Langfristig sieht das anders aus. Sofern sich an der Haushaltsdisziplin nicht grundlegend etwas ändert, riskieren die USA den Status als sicherer Hafen und verlieren an Attraktivität für Investoren. Käme es - im Extremfall - zu einem Schuldenschnitt, hätte dies gravierende Auswirkungen, welche das Vertrauen in Staat und Finanzplatz schlagartig erodieren ließen. Auch könnte der US-Dollar sein „exorbitantes Privileg“ (der Begriff stammt von Valéry Giscard d'Estaing) als Leit- und Weltreservewährung verspielen. Allein dies stellt eine sehr hohe Hürde für einen Schuldenschnitt dar und ist nicht im Interesse der US-Politik.
Mag. Andreas Weidinger, CFA, Head of Asset Management, Kathrein Privatbank AG
Auch wenn es Stimmen in Europa gibt, die behaupten die USA könnten vor einer Pleite stehen, wird dabei auf einen Punkt vergessen, den Alan Greenspan in einem Interview mit NBC 2011 erklärt hat: „Die USA können alle Schulden zurückzahlen, weil sie immer Geld drucken können, um das zu tun. Daher ist die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz 0%.” Warren Buffett scheint das auch so zu sehen, weil er seine Liquiditätsreserven immer in amerikanische Treasuries veranlagt. Er schätzt aber auch das Defizit langfristig für nicht finanzierbar ein. Von einer Krise sind die USA weit entfernt. Amerikanische Staatsanleihen sind das Schmiermittel des weltweiten Zahlungsverkehres. Nichts ist liquider als eine Staatsanleihe der USA. Nichtsdestotrotz gibt es doch ein paar Wolken am Horizont. Manche ausländische Gläubiger drohen unverhohlen mit einem Abbau amerikanischer Staatsanleihen. Die CDS-Prämien sind seit Trumps Amtsantritt angestiegen, aber mit 56 Basispunkten immer noch niedriger als in den Jahren der Finanzkrise und kleiner als beim letzten Haushaltsstreit 2023. Eine unmittelbare Schuldenkrise in den USA wie sie manche Ökonomen in naher Zukunft prognostizieren, können wir nicht ausmachen.
Mag. Gerhard Winzer, Chefvolkswirt, Erste Asset Management
Ein zentraler Indikator für die Nachhaltigkeit der Staatsschuldendynamik ist die Differenz zwischen der durchschnittlichen Rendite von Staatsanleihen (derzeit 4,3 %) und dem nominalen Wirtschaftswachstum (langfristig etwa 5 %). In den vergangenen Monaten ist das Risiko gestiegen, dass die Zinsen das Einkommenswachstum übersteigen könnten.
Hauptursache hierfür sind Entwicklungen in der US-Finanzpolitik. Erstens ist das aktuelle Haushaltsdefizit außergewöhnlich hoch, ohne dass glaubwürdige Maßnahmen zur Konsolidierung – etwa durch Steuererhöhungen – erkennbar wären. Zweitens wurden Überlegungen laut, wonach Gläubiger der USA indirekt zur Finanzierung militärischer Sicherheitsleistungen beitragen könnten, beispielsweise durch die Umwandlung von Schulden in sogenannte ewige Anleihen. Dies käme einem faktischen, wenn auch nicht rechtlichen Zahlungsausfall gleich.
Solche Diskussionen sowie die Drohkulisse eines von den USA ausgelösten globalen Handelskonflikts erhöhen das Risiko einer strukturellen Schwächung des US-Dollars. Insgesamt mindert das gestiegene Potenzial für dauerhaft höhere Zinskosten im Verhältnis zum Wirtschaftswachstum – also eine höhere Risikoprämie – die Attraktivität von US-Staatsanleihen.
Obwohl der April einige besorgniserregende Momente brachte – fallende Risiko-Assets, steigende Anleiherenditen und ein fallender US-Dollar – sehen wir keine unmittelbare Bedrohung für den Dollar als Weltreservewährung. Dennoch: Die USA dürfte sich auf einem nicht nachhaltigen fiskalischen Weg befinden: Versuche der Trump-Regierung, bestimmte globale Beziehungen und Normen neu zu ordnen, schafft ein fragileres, volatileres Umfeld für US-Treasuries, insbesondere für längere Laufzeiten.
Weniger Handel mit den USA bedeutet zwar weniger Nachfrage nach US-Treasuries, allerdings gibt es keine Alternative: Der US-Schuldenmarkt ist einfach der größte.
Rein rechnerisch müssen die USA das Haushaltsdefizit von derzeit etwa 7% auf 3% senken. Dieses Niveau würde unter die BIP-Wachstumsrate fallen und damit den Anstieg der Schulden im Verhältnis zum BIP stoppen.
Wir sehen insgesamt ein weiterhin volatiles Umfeld, insbesondere für US-Schuldtitel mit längeren Laufzeiten. Deshalb bevorzugen wir Erträge am vorderen Ende der Zinsstrukturkurve, da diese Laufzeiten viel stärker von den geldpolitischen Maßnahmen der Fed beeinflusst werden dürften.
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