Teil 1 | Schwellenländer-Umfrage: Wo liegen die größten Chancen bei EM-Aktien?

Nach Jahren durchwachsener Performance haben sich Schwellenländer-Aktien zuletzt spürbar erholt. Doch wie nachhaltig ist dieser Trend – und wo sehen Profis aktuell die attraktivsten Investmentchancen? Wir haben nachgefragt. Funds | 27.05.2025 12:51 Uhr

Nach einer Phase erhöhter Unsicherheit verzeichnen zahlreiche Schwellenländerbörsen eine überdurchschnittlich starke Entwicklung. Befeuert durch die geopolitische Entspannung zwischen den USA und China, aber auch durch positive Konjunkturdaten, rückt das Segment verstärkt in den Fokus professioneller Investor:innen. Doch welche Regionen überzeugen besonders – und wo ist Vorsicht geboten?

Vor diesem Hintergrund haben wir ausgewählte Fondsmanager:innen und Analyst:innen gefragt: Wo sehen Sie aktuell die spannendsten Investmentchancen im Bereich der Emerging-Markets-Aktien? Welche Länder, Regionen oder Sektoren bieten das attraktivste Rendite-Risiko-Profil – und welche Risiken gilt es zu beachten? Die interessantesten Antworten präsentieren wir in unserem aktuellen Slider.

Sammy Suzuki, Head of Emerging Markets Equities, AllianceBernstein
© AllianceBernstein

Sammy Suzuki, Head of Emerging Markets Equities, AllianceBernstein

Viele Schwellenländer pflegen Exporte in die USA. Daher scheint es logisch, dass EM-Aktien aktuell schwach performen. Tatsächlich stieg der MSCI Emerging Market Index in US-Dollar jedoch bis zum 16. Mai um 10 Prozent. Der S&P legte in diesem Zeitraum nur um 1,8 Prozent zu. Ein Grund: Die negativen Auswirkungen der Zölle waren in EM-Aktien bereits eingepreist. Seit dem Markttiefpunkt am 9. April hat der EM-Index um 18,4 Prozent zugelegt. Das ist nicht völlig überraschend. Die Geschichte zeigt, dass Schwellenländeraktien nach starken Marktturbulenzen gut abschneiden. Anleger, die auf Unternehmen mit soliden Fundamentaldaten und der Fähigkeit setzen, Zollbelastungen standzuhalten, könnten für ihre Geduld belohnt werden, wenn sich die Lage beruhigt. Global gibt es attraktive Anlagemöglichkeiten. China bleibt interessant, doch auch weitere Schwellenländer bieten Chancen. In Asien macht etwa Südkorea mit seinem Programm „Corporate Value-up“ Fortschritte. In Lateinamerika bietet Brasilien beispielsweise attraktive Chancen im Konsum- und Finanzsektor. Ich glaube, dass die Aussichten für Aktien aus Schwellenländern – die nach wie vor untergewichtet sind – derzeit unterschätzt werden.
Thomas Romig, Chief Investment Officer (CIO) Multi Asset, Assenagon Asset Management S.A.
© Assenagon

Thomas Romig, Chief Investment Officer (CIO) Multi Asset, Assenagon Asset Management S.A.

Aktuell bieten die globalen Frontier Markets attraktive Wachstumschancen jenseits der etablierten Pfade. Diese aufstrebenden Volkswirtschaften haben noch wenig entwickelte Finanzmärkte und werden von einem Großteil der Anlegerschaft übersehen. Wirtschaftlich profitieren die Frontier Markets von einem guten Investitionsklima. Eine junge, aufstrebende Bevölkerung und wettbewerbsfähige Löhne machen viele dieser Länder zu attraktiven Standorten für arbeitsintensive Industrien.
Trotz hoher Wachstumschancen ist die Stimmung seitens der Anleger zurückhaltend – was wiederum zu günstigen Bewertungen führt. Während beispielsweise US-Standardwerte mit einer Eigenkapitalrendite von ca. 18% ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 25 aufweisen, liegt die Eigenkapitalrendite eines ausgewählten, aktiv gemanagten Frontier Markets-Aktienportfolios bei ca. 30% mit einem KGV von 7. Entscheidend ist hier die Auswahl qualitativ hochwertiger Unternehmen, die auch angesichts geopolitischer Unwägbarkeiten ein resilientes Wachstum aufweisen. Zudem sollten Investitionen in Frontier Markets stets nur einen Baustein eines global diversifizierten Multi Asset-Portfolio darstellen.
Roland Zauner, Portfoliomanager, KEPLER Fonds KAG
© KEPLER Fonds KAG

Roland Zauner, Portfoliomanager, KEPLER Fonds KAG

Aus Top Down Sicht bleibt Indien interessant, auch wenn die Bewertungen zeigen, dass das Land kein „Geheimtipp“ mehr ist (stark wachsende Bevölkerung, insbesondere eine wachsende vermögende Mittelschicht, starker Technologie- und Gesundheitssektor, viele Infrastrukturprojekte). Nach unserem Bottom Up Screen (mit Kriterien wie Bewertung, Qualität oder Wachstum) sind osteuropäische Banken weiter attraktiv, z.B. die tschechische Komercni Banka oder die ungarische OTP. Wer nicht direkt in Emerging Markets investieren kann oder möchte, kann das EM-Thema auch indirekt spielen: über Aktien aus entwickelten Ländern mit hohem EM-Exposure (im genannten Beispiel etwa über die österreichische Erste Bank). Sucht man nach einem Anhaltspunkt für eine sinnvolle Emerging Markets-Quote in einem global diversifizierten Aktienportfolio, lohnt sich ein Blick auf deren Gewichtung in globalen Aktienindizes. Diese liegt aktuell bei ca. 10% für Blend-, Value- oder Growth-Strategien und ca. 20% für eine Minimum Varianz Strategie. Letzteres zeigt, dass die Beimischung von Emerging Markets Aktien (nicht zuletzt über die Währungsdiversifikation) bei der Reduktion der Volatilität von Portfolios helfen kann.
Daniel Kerbach, Chief Investment Officer, Head Investment Management, BayernInvest Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH
© BayernInvest

Daniel Kerbach, Chief Investment Officer, Head Investment Management, BayernInvest Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH

Asien bietet derzeit ein besonders spannendes Umfeld für risikobewusste Investoren. Vor allem China profitiert von einer expansiven Geld- und Fiskalpolitik, die die Inlandsnachfrage stützt und zu einer allmählichen Stabilisierung der Wirtschaft führt. In Kombination mit moderaten Bewertungen – etwa Kurs-Gewinn-Verhältnissen zwischen 11 und 12 – ergibt sich ein solides Fundament für eine selektive Aktienbeimischung, insbesondere bei Zukunftsthemen wie künstliche Intelligenz.

Auf den Rentenmärkten ergeben sich ebenfalls interessante Perspektiven. Schwellenländer-Staatsanleihen aus dem EMBI-Universum liefern selbst im ungünstigsten Szenario („Yield to Worst“) eine laufende Verzinsung von rund 7,8 Prozent – bei einer Duration von sieben Jahren und einem durchschnittlichen BBB-Rating. Gehedgt in Euro entstehen daraus stabile Erträge für international ausgerichtete Portfolios. Dagegen bleiben rohstoffabhängige Märkte anfällig – vor allem vor dem Hintergrund nachlassender Preisdynamik bei Öl. Zudem dürften sich die US-Zölle trotz jüngster Entspannung auf einem strukturell höheren Niveau einpendeln, was das globale Wachstum und damit auch Welthandel und Unternehmensgewinne belasten dürfte.
Florian Mayer, Senior Portfolio Manager Systematic Equity Emerging Markets, Allianz Global Investors GmbH
© Allianz Global Investors GmbH

Florian Mayer, Senior Portfolio Manager Systematic Equity Emerging Markets, Allianz Global Investors GmbH

Spannende Investmentchancen sehen wir insbesondere in Asien. China beheimatet einige der weltweit größten Technologiekonzerne sowie einen global wettbewerbsfähigen Sektor für E-Autos. Damit nimmt das Land neben den USA eine Schlüsselrolle in Zukunftstechnologien ein, die Breite des Marktes schafft vielfältige Opportunitäten. Indien überzeugt mit starkem Wirtschaftswachstum, einer wachsenden Mittelschicht und einem dynamischen Aktienmarkt mit reger IPO-Aktivität. Taiwan und Südkorea sind zentral für die globale KI-Wertschöpfung, insbesondere im Chip- und Hardwarebereich. Jüngste Entwicklungen rund um DeepSeek haben Asiens Innovationskraft erneut unterstrichen und für einen spürbaren Stimmungsumschwung gesorgt.

Generell sind Schwellenländeraktien sowohl in Benchmarks als auch in Portfolien strukturell unterrepräsentiert. Berücksichtigt man die gesamte Marktkapitalisierung, läge ihr Anteil über 20 Prozent. Zudem leisten sie über 60 Prozent zum globalen BIP-Wachstum bei und repräsentieren mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. In einem breit diversifizierten Aktienportfolio bieten sie niedrige Korrelationen, attraktive Bewertungen und überdurchschnittliches Gewinnwachstumspotenzial.
Yves Ceelen, Head of Institutional Portfolio Management, DPAM
© Degroof Petercam Asset Management (DPAM)

Yves Ceelen, Head of Institutional Portfolio Management, DPAM

Bei Schwellenländer-Aktien bevorzugen wir ein breites Investment. Ein relevanter Faktor für das Engagement in dieser Anlageklasse ist die positive demografische Entwicklung in den meisten Ländern. Hinzu kommt der niedrigere Ölpreis, der für Länder wie Indien und China positiv ist. Ein weiterer Faktor ist die Aufwertung der asiatischen Währungen gegenüber dem US-Dollar. Ein billigerer US-Dollar ist oft positiv für Schwellenländer bzw. die Unternehmen dort, die teilweise Dollar-Kredite aufnehmen. Darüber hinaus sind die Zinsen in einigen asiatischen Ländern niedrig, was Investitionen und den Konsum ankurbeln könnte.

Nach einigen Jahren der US-amerikanischen Sonderstellung, in denen der Großteil des Geldes in die USA floss, könnte die Rückführung von Kapital die Finanzmärkte in den Schwellenländern stützen. Wenn die Fed die Zinsen senken würde – voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte – würde dies den dortigen Zentralbanken helfen.

Derzeit können Aktien aus Schwellenländern eine verbesserte Dynamik ins global diversifizierte Aktienportfolio bringen. Darüber hinaus sind diese Märkte nicht teuer bewertet – und in China verbessert sich das Gewinnwachstum wieder.
Klaus Niedermeier, Leiter Investment Strategie, apoBank
© apoBank

Klaus Niedermeier, Leiter Investment Strategie, apoBank

Investoren fragen vermehrt Wertpapiere der Schwellenländer nach, was auf den ersten Blick verwundern könnte. Denn das Segment stand vor wenigen Wochen noch unter dem Damoklesschwert der US-Zollpolitik.
Ein Grund für die gestiegene Nachfrage ist im US-Dollar zu sehen, der im Zuge des Trumpschen Zoll-Wirrwarrs und der Sorgen bezüglich der Ausweitung der US-Staatverschuldung eingebüßt hat. Historisch wirkt sich ein schwacher Dollar positiv auf Schwellenländer aus: Er entlastet Länder mit hohen Dollar-Schulden, stärkt lokale Währungen und schafft Spielraum für Investitionen. Zudem ist das Wachstumsbild der Schwellenländer intakt. Ein Großteil von ihnen verfügt über zukunftsweisende Branchen wie Technologie, Konsumgüter und Finanzen, die in den vergangenen Jahren mit hohen Wachstumsraten und attraktiven Bewertungsniveaus überzeugten.
Unter den einzelnen Regionen rückt Lateinamerika in den Fokus. Die Länder überzeugen mit einer inländisch orientierten Wirtschaft und folglich einer geringeren Abhängigkeit der zollpolitischen Unsicherheiten der US-Administration. Wir sehen bei Schwellenländer weiteres Aufholpotenzial, aber auch Risiken, falls die Zollverhandlungen mit den USA negativ verlaufen sollten.
Adrian Daniel, Portfoliomanager im Team Global Equities / Absolute Return Multi Asset, MainFirst
© MainFirst

Adrian Daniel, Portfoliomanager im Team Global Equities / Absolute Return Multi Asset, MainFirst

Wir sehen attraktive Chancen in asiatischen Schwellenländern, insbesondere in Indien und Südostasien. Titel wie Titan, HDFC Bank oder Aneka Tambang profitieren von strukturellem Wachstum, von Digitalisierung und steigernder Rohstoffnachfrage – etwa für die Energiewende. Auch Unternehmen mit operativer Präsenz in Schwellenländern wie Ivanhoe, Newmont oder Agnico Eagle bieten langfristiges Potenzial.
In China und angrenzenden Märkten beobachten wir dynamische Entwicklungen in Konsum und Technologie. Unsere Engagements in Xiaomi, Trip.com, Meituan, BYD sowie in Plattformen wie MakeMyTrip und Sea reflektieren diese Trends.
Schwellenländer bieten Zugang zu unternehmerischem Wachstum in Märkten mit zunehmender Kaufkraft, Innovationstempo und infrastruktureller Entwicklung.
Aus Portfoliosicht sprechen Diversifikationseffekte, die Korrelation zu Rohstoffzyklen und der Zugang zu neuen Geschäftsmodellen für eine gezielte Allokation. Entscheidend bleibt eine selektive Titelauswahl mit Fokus auf Qualität, Marktstellung und strukturellem Wachstum.
Kévin Net, Leiter des Bereichs Asien, LFDE
© LFDE

Kévin Net, Leiter des Bereichs Asien, LFDE

Ein Aktienengagement in den Schwellenländern ist derzeit sinnvoll. Kurzfristig profitieren die Länder von einem schwachen US-Dollar. Zwar stellt die Zollpolitik der USA weiterhin ein Risiko dar, den meisten Ländern dürfte es aber gelingen, Abkommen mit der Regierung Trump auszuhandeln. Angesichts des möglichen Endes des Exzeptionalismus der USA streben Anleger nach Diversifizierung – auch Richtung Schwellenländer.

Wir bevorzugen China und Indien, aufgrund ihres beachtlichen Binnenmarkts – ein klarer Vorteil bei der erwarteten Verlangsamung des globalen Handels. Außerdem dürften beide von der „America First“-Politik profitieren. Indien hat sich in den letzten Jahren stark auf die USA ausgerichtet und profitiert von den US-Bemühungen, die China-Abhängigkeit zu verringern. China dagegen ist gezwungen, den US-Sanktionen mit Innovation und Kostenführerschaft zu begegnen, was bei Elektrofahrzeugen und KI bereits zu Erfolgen geführt hat. Kurzfristig attraktiv ist auch Brasilien, aufgrund seiner Bewertung und der erwarteten geldpolitischen Lockerung. Vorsichtig sind wir bei Taiwan, wegen der starken KI-Abhängigkeit, und bei den ASEAN-Märkten aufgrund der unklaren Wirtschaftsentwicklung.

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