e-fundresearch.com: Herr Wögerbauer, Europa und auch Österreich stehen plötzlich im internationalen Rampenlicht. In Rankings liegen heimische Aktien ganz vorne. Ist das ein Moment, den wir einfach genießen sollten, oder suchen Sie sofort nach möglichen Schwachstellen? Hat Sie diese Entwicklung überrascht?
Alois Wögerbauer: Die Entwicklung an sich ist nicht überraschend, die Dimension schon. Man darf das Jahr 2025 aber nicht isoliert sehen, in den letzten fünf Jahren war die Entwicklung ja nicht so toll, insofern ist es auch ein Nachholeffekt. Es hat sich in Österreich nicht grundsätzlich etwas verändert. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass für die Wiener Börse das Verhalten der Auslandsinvestoren wesentlich ist. Und hier sehen wir 2025 einfach den Effekt, dass erstmals seit längerer Zeit wieder Kapital nach Europa fließt und auch Small- und Mid-Caps wieder gesucht werden. Eine strukturelle Schwäche des Marktes wurde auch heuer zu einer Stärke. Erste Bank, BAWAG und RBI machen gemeinsam etwa 40% der ATX-Gewichtung aus – und Banken sind heuer sehr gut gelaufen.
e-fundresearch.com: Die Rallye am ATX ist ohne die strukturellen Kapitalmarktreformen zustande gekommen, die Sie schon seit vielen Jahren einfordern. Sehen Sie darin eher Grund zur Beunruhigung oder ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, diese Themen endlich mit Nachdruck anzugehen?
Alois Wögerbauer: Es ist immer ein guter Zeitpunkt, das Thema anzugehen, ganz egal ob die Börse tiefer oder höher steht. Und es ist nie zu spät, leider sind die Fortschritte in den vergangenen Jahren sehr ernüchternd. Dazu kommt eine teilweise absurde Kommunikation. Die Dividendenrendite der ATX-Titel liegt aktuell bei etwa 5%. Dies wird von einer politischen Seite immer als zu hohe Ausschüttung kritisiert, anstatt anzuerkennen, dass diese Tatsache gut für private Vorsorge ist.
Dazu passend:

e-fundresearch.com: Wo weichen Sie mit Ihrem Portfolio derzeit am stärksten vom Index ab und welche Überlegungen leiten Sie dabei?
Alois Wögerbauer: Wir investieren auch in österreichische Unternehmen, die an Auslandsbörsen notieren. Prominentes Beispiel ist aktuell Kontron – mit Firmensitz in Linz. Das Unternehmen ist in vielen Bereichen technologisch führend – zusammengefasst mit 'Internet of Things'. Auch bei AMS-OSRAM sind wir nach längerer Zeit wieder investiert, wir vertrauen auf die aktuell stattfindende Neuaufstellung. Von den kleineren österreichischen Titeln haben wir eine wesentliche Position in Rosenbauer, das Unternehmen sollte in den kommenden Jahren mehr aus seiner globalen Marktstellung machen als zuletzt.
e-fundresearch.com: Noch ist vieles schwer absehbar, aber lassen Sie uns einen Schritt weitergehen: Welche Folgen hätte ein tatsächlicher Frieden zwischen der Ukraine und Russland für den österreichischen Kapitalmarkt?
Alois Wögerbauer: Es wäre für die Marktstimmung ein zusätzlicher positiver Impuls. Wie erwähnt, sind wir Inlandsinvestoren nicht stark genug, um den Markt substanziell zu bewegen. Ein Friede würde verstärkte Kapitalflüsse in unsere Region bringen.
e-fundresearch.com: Trotz der allgemein positiven Kapitalmarktstimmung und Performance: Welche Investmentstory am heimischen Aktienmarkt wird aus Ihrer Sicht aktuell am stärksten unterschätzt?
Alois Wögerbauer: International wird ja immer nach Wachstumsstorys gesucht. Die beeindruckendste Wachstumstory in Wien schreibt aus meiner Sicht Do&Co. Das Geschäftsmodell ist gut skalierbar und es gibt nicht viele Unternehmen auf der Welt, die in dieser Qualität Großveranstaltungen wie die Formel 1 umsetzen können.
e-fundresearch.com: Sie stehen regelmäßig im Austausch mit österreichischen Unternehmen und Vorständen. Wie reagieren diese auf die aktuelle ‚Wiederentdeckung‘ österreichischer Aktien – spüren Sie eher Euphorie oder Zurückhaltung, und wie wird die Nachhaltigkeit dieser Entwicklung eingeschätzt?
Alois Wögerbauer: Ich spüre weder Euphorie noch Zurückhaltung. In vielen Fällen herrscht einfach Erleichterung, dass die gute Arbeit der Unternehmen auch an der Börse wieder honoriert wird. Palfinger, Strabag oder Vienna Insurance seien hier nur beispielshaft angeführt; sie liefern seit Jahren gute Qualität – und heuer sieht man es endlich im Kurs. Dennoch – die Herausforderungen bleiben. Profi-Investoren brauchen Umsätze an der Börse, damit sich der Markt auch täglich bewegen kann. Das ist heuer besser, war die letzten Jahre teilweise sehr schwierig. Und gut ist auch eine breitere Coverage von Analysten, damit man die eigene Meinung gegenchecken kann. Auch hier gab es zuletzt bei der Anzahl der Coverages eher Rückgänge.
e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Wögerbauer!
Über Alois Wögerbauer
Alois Wögerbauer verfügt über mehr als 35 Jahre Erfahrung an den Finanzmärkten, wobei sein besonderer Schwerpunkt stets auf Aktien lag. Als langjähriger Manager des 3 Banken Österreich-Fonds hat er sich einen Namen in der heimischen Fondsbranche gemacht und wurde mehrfach als „Österreich-Fondsmanager des Jahres“ ausgezeichnet. Bereits seit 1998 ist er Geschäftsführer der 3 Banken-Generali Investment-Gesellschaft m.b.H., die aktuell ein Volumen von rund 13,2 Milliarden Euro verwaltet.
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