e-fundresearch.com: Herr Lau, nach einer längeren Schwächephase ist am chinesischen Aktienmarkt zuletzt wieder Bewegung zu beobachten. Handelt es sich bei der jüngsten Marktbewegung in China eher um eine kurzfristige Erholung oder sehen Sie Anzeichen für eine nachhaltige Trendwende? Welche Argumente stützen Ihre Einschätzung?
Martin Lau: Auch wenn es unmöglich ist, die Zukunft vorherzusagen, gibt es mehrere Gründe, die für eine anhaltend positive Entwicklung des chinesischen Marktes sprechen.
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Europäische Aktien stehen nach einem langen Dornröschenschlaf nun wieder verstärkt im Fokus der Investoren – das zeigen aktuelle ETF-Zuflüsse in diese Anlageklasse und das Verhalten großer Marktteilne...Die jüngsten Handelsgespräche zwischen den USA und China verliefen relativ positiv und führten zu einer 90-tägigen Aussetzung der Zollerhöhungen. Die USA haben auch bestimmte Handelsbeschränkungen gegenüber China aufgehoben, insbesondere das Verbot für Nvidia, seine Hightech-Chips an Unternehmen auf dem Festland zu verkaufen. Dies dürfte dazu beitragen, einen Teil der Unsicherheit zu beseitigen, die durch die anhaltenden Handelsspannungen zwischen den beiden Ländern verursacht wurde, und könnte chinesischen Technologieunternehmen Auftrieb geben. Die Marktteilnehmer würdigen zunehmend Chinas Innovationskraft, insbesondere mit der Einführung von DeepSeek, was zu einer Neubewertung von Technologieaktien geführt hat. Wir glauben, dass Chinas Aufwärtstrend im Bereich Innovation struktureller Natur ist.
Unterdessen hat China zusätzliche politische Hebel in Bewegung gesetzt, um die Ungleichgewichte in der Wirtschaft zu adressieren, darunter eine lockerere Geldpolitik zur Erhöhung der Liquidität am Markt, „Anti-Involution“-Initiativen zur Bekämpfung von Überkapazitäten und destruktivem Preiswettbewerb sowie groß angelegte Trade-In-Programme zur Ankurbelung des Konsums. All dies wirkt sich positiv auf den chinesischen Markt aus, und die Stimmung hat sich seit Jahresbeginn (ausgehend von einem niedrigen Niveau) deutlich verbessert. Hinzu kommt, dass die Bewertungen günstig sind, insbesondere im Vergleich zu den Zinssätzen – derzeit gibt es wohl keinen anderen asiatischen Markt, der in Bezug auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis oder die Dividendenrendite attraktiver ist als China.
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e-fundresearch.com: Wo sehen Sie aktuell die größten Risiken für Anleger in China? Welche Szenarien halten Sie für die plausibelsten Belastungsfaktoren am Markt?
Martin Lau: Insgesamt hält die schwache Konjunktur in China weiterhin an. Die Wirtschaftstätigkeit hat sich in diesem Jahr zwar stabilisiert (ausgehend von einem niedrigen Niveau im Vorjahr), bleibt aber absolut gesehen nach wie vor schwach. Darüber hinaus hat der Abschwung auf dem Immobilienmarkt die Kaufkraft der Verbraucher beeinträchtigt. Infolgedessen haben sich Konsumgüterunternehmen aufgrund der mangelnden Nachfrage unterdurchschnittlich etnwickelt. Dies hat zu einem verstärkten Wettbewerb innerhalb einzelner Branchen geführt, beispielsweise durch den Einstieg der E-Commerce-Plattform JD.com in den Markt für Lebensmittellieferungen und Preiskämpfe in der Elektrofahrzeugbranche. Dies wirkt sich letztlich auf die Rentabilität und die operative Handlungsfähigkeit der Unternehmen aus, weshalb die Regierung ein Dekret gegen die „Involution” erlassen hat.
e-fundresearch.com: Wie positionieren Sie sich als aktiver Manager im aktuellen Umfeld – und in welchen Segmenten weichen Sie mit High-Conviction-Positionen am deutlichsten vom Markt ab?
Martin Lau: Nach einigen schwierigen Jahren zeichnen sich nun in bestimmten, auf den Binnenmarkt ausgerichteten Sektoren erste Anzeichen einer gesunden Nachfrage ab.
Die Regierung unterstützt Unternehmen und Verbraucher verstärkt, und durch mehrjährige Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E) sowie Lieferketten sind chinesische Unternehmen auf dem globalen Markt wettbewerbsfähiger geworden. Entsprechend gehören Tencent, Netease und Cloud Music zu unseren Favoriten – diese Unternehmen verfügen über eine starke Franchise-Qualität, und einige von ihnen stellen derzeit auf Abonnement-basierte Erlösmodelle um, die mit hohen Wechselhürden verbunden sind. Dadurch können sie ihre Preisniveaus auch in einem wettbewerbsintensiveren Branchenumfeld aufrechterhalten. Außerdem werden sie immer profitabler und erzielen höhere Renditen für ihre Aktionäre.
Wir investieren auch in Unternehmen, die vom „neuen Konsum” profitieren, beispielsweise in den Bereichen Reisen und Freizeit – darunter H World, Atour, Trip.com und Anta Sports. Da der Schwerpunkt zunehmend auf gesunden Aktivitäten und Erlebnissen statt auf materiellen Gütern liegt, gehen wir davon aus, dass diese Kategorien in Zukunft einen größeren Anteil am Konsum ausmachen werden.
Im Bereich Innovation haben Unternehmen wie Hongfa Technology, Sunny Optical, Fuyao Glass, CATL und Tencent stark in Forschung und Entwicklung investiert und erzielen weiterhin technologische Durchbrüche. Wir sind der Meinung, dass chinesische Technologie nicht mehr als minderwertig gegenüber westlicher Technologie angesehen werden kann. DeepSeek wurde von lokalen chinesischen Ingenieuren entwickelt, und BYD ist heute der weltweit größte Hersteller von Elektrofahrzeugen.
Schließlich gibt es viele chinesische Marktführer, die global expandieren. Unternehmen wie Shenzhen Mindray, Midea Group, Haier Smart Home und Haitian International sind zwar im Vergleich zu globalen Akteuren noch klein, aber wir glauben, dass sie durch Innovation und überlegene Produkte zu niedrigeren Kosten ihre Markenbekanntheit schrittweise verbessern und ihren Anteil an den Überseemärkten erhöhen können.
e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Lau!
Über Martin Lau:
Martin Lau ist Managing Partner bei FSSA Investment Managers, einem Unternehmen der First Sentier Group. Er ist seit mehr als 20 Jahren Teil des Teams und begann seine Tätigkeit bei dem Unternehmen im Jahr 2002 als Director, Greater China Equities.
Martin ist der leitende Fondsmanager für eine Reihe von FSSA-Strategien, verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung im Investmentbereich und ist in Hongkong ansässig. Er hat einen Bachelor of Arts und einen Master in Ingenieurwissenschaften der Universität Cambridge. Martin ist außerdem CFA-Charterholder.
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