Experten-Umfrage Teil 2/2 | Chinesische Aktien: Attraktive Bewertungen oder fallendes Messer?
Pünktlich zum chinesischem Neujahrsfest könnte die Investorenstimmung gegenüber Aktien aus dem Reich der Mitte schlechter nicht sein. Haben wir den Tiefpunkt bei chinesischen Aktien bereits erreicht oder handelt es sich weiterhin um ein unkalkulierbares Risiko? Für die neueste Ausgabe des e-fundresearch.com "Asset Allocation Forum" haben wir uns für Sie exklusiv in unserem internationalen Experten-Netzwerk umgehört:
Markets
| 13.02.2024 12:18 Uhr
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Hinweis: Dies ist Teil 2 unserer Experten-Umfrage zu China. Teil 1 finden Sie hier.
e-fundresearch.com #AssetAllocationForum: Chinesische Aktien: Attraktive Bewertungen oder fallendes Messer?
Auch im Jahr 2023 stand China, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, vor erheblichen Herausforderungen, die sich in einem schwierigen Jahr für das Land und einem Kampf um die Wiederherstellung des Anlegervertrauens manifestierten, der bis dato kläglich gescheitert ist. Der negative Newsflow brach auch 2024 bislang nicht ab: jüngst machte die Zerschlagung des chinesischen Immobilienkonzerns Evergrande Schlagzeilen.
Der Abverkauf (drei Kalenderjahre in Folge mit zweistelligen Verlusten) hat mittlerweile auch deutliche Spuren am langfristigen Track-Record des chinesischen Aktienmarktes hinterlassen: Auf Sicht von über 30 Jahren (seit Ende 1992) hat ein Investment in den MSCI China annualisiert gerade einmal mit 0,1% p.a. (in USD) rentiert. Und zwar vor Gebühren, Steuern und Inflation. Zum Vergleich konnte ein MSCI Emerging Markets Investment im gleichen Zeitraum immerhin 6,37% p.a. abwerfen, ein MSCI All Country World-Index gar 8,29%.
Quelle: MSCI.
Um zu verstehen, wie internationale Strategen die Attraktivität und die Rolle von chinesischen Aktien inmitten dieses "Abwärtsstrudels" aus negativer Performance und negativen Nachrichten einschätzen, hat die e-fundresearch.com Redaktionihr Netzwerk aus CIOs, Kapitalmarkstrategen, Dachfondsmanagern, Fondsselektoren und anderen Asset-Allokatoren mit folgender Fragestellung konfrontiert:
Angesichts des scheinbar nicht enden wollenden Negativtrends: Wie berücksichtigen Sie chinesische Aktien derzeit in Ihrer Asset Allocation? Lohnt sich ein Engagement im chinesischen Aktienmarkt als westlicher Aktieninvestor überhaupt noch?
Alle erhaltenen Statements haben wir Ihnen nachfolgend aufbereitet. Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und interessante Denkanstöße für Ihre Asset Allocation:
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Andrea Quapp, Lead Investment Director, Multi Asset Class Solutions (MACS), Kontinentaleuropa, GAM Investments
Es scheint so, als ob China, die einstige globale Werkbank und Wachstumsregion schlechthin, nicht mehr das China von früher ist. Mit der Zeit wird immer deutlicher, dass die Ziele der Regierung, die oft von konventionellen Annahmen und Erwartungen westlicher Investoren abweichen, im Vordergrund stehen. Dies hat dem Land viel Kapital und Vertrauen entzogen und Investitionen fließen nun verstärkt nach Indien, unter anderem wegen des dort zunehmenden privaten Konsums. Trotz dieser Entwicklungen bleibt China eine der größten Volkswirtschaften der Welt. Dies ist jedoch zurzeit für Industrie- und Technologieunternehmen als Absatzmarkt und Investitionsstandort relevanter als für Anleger. Innerhalb des MSCI All Countries Aktienindex ist die Gewichtung Chinas mit etwa drei Prozent vernachlässigbar und mit einer Gewichtung von etwa 16 Prozent am gesamten, globalen Rentenmarkt höher. In der Allokation sind beide Segmente untervertreten. Momentan mangelt es an Zuversicht in Bezug auf strukturelles, nachhaltiges Wachstum, da der demographische Trend deutlich negativ ist, die Jugendarbeitslosigkeit hoch bleibt und die Exportdynamik über die Jahre nachlässt.
Jean-Louis Nakamura, Leiter der Vontobel Conviction Equities Boutique, Vontobel
Das chinesische Wachstum ist ins Stocken geraten. Zwar lag das offizielle BIP-Wachstum 2023 bei 5,2%, zu berücksichtigen ist dabei aber die niedrige Basis des Vorjahres, als die Pandemiemaßnahmen weite Teile des Wirtschaftslebens lahmgelegt hatten. Auch kam das Wachstum fast ausschließlich aus dem starken Anstieg des Verbrauchs inländischer Dienstleistungen im ersten und frühen zweiten Quartal 2023 zustande.
Die chinesische Wirtschaft hat mit strukturellen Problemen zu kämpfen. Gleichzeitig prägen die politischen Präferenzen das Umfeld. Dabei schaffen die Behörden neue Ungleichgewichte indem Ressourcen und monetäre und steuerliche Anreize in dieselben Sektoren wie Halbleiter, Elektromobilität und Solarpaneele geleitet werden. So wächst das Risiko von Überkapazitäten und gedrückten Gewinnspannen sowie einer deflationären Dynamik.
Trotzdem, oder gerade deshalb, liegen die Aktien mit den besten Perspektiven sicher in den politisch geförderten Segmenten wie Spitzentechnologie. Dabei sollte der Fokus bei der Auswahl auf der Rentabilität und der Nachhaltigkeit der Unternehmen liegen, da die politischen Maßnahmen immer wieder auch zu Überkapazitäten und Preiskämpfen führen können.
Chinesische Aktien sind vielleicht das aussagekräftigste Barometer für den Gesamtzustand der Wirtschaft; sie sind sehr billig: Mit einem nachlaufenden KGV von 12 für den CSI300 werden chinesische Aktien jetzt so billig wie seit fünf Jahren nicht mehr gehandelt (sogar billiger als nach dem Ausbruch der Pandemie Anfang 2020).
Aufgeschlüsselt nach Sektoren sind wir der Meinung, dass defensive Sektoren wie Versorger, Energie und staatliche Banken weiterhin eine überdurchschnittliche Performance erzielen werden, wenn keine bedeutenden politischen Maßnahmen ergriffen werden. Defensive Sektoren haben in der Regel hohe Dividendenrenditen, niedrige Bewertungen und ein stabiles Gewinnwachstum (auch wenn die Wachstumsrate niedrig ist), so dass sie unter den aktuellen Marktbedingungen mit niedrigen Erwartungen, Anleiherenditen und Einlagenzinsen als sichere Anlagen mit hohen Erträgen gelten. Ein weiterer Sektor mit positiven Aussichten ist der IT-Hardware-Sektor, da China stark in diesen Sektor investiert, um zu versuchen, unter den US-Sanktionen Fortschritte zu erzielen, und eine neue Runde des Aufwärtszyklus bei Halbleitern ist unter den Fortschritten der KI wahrscheinlich.
Jean-Marie Mercadal, CEO, SYNCICAP Asset Management, Teil von Ofi Invest AM
Trotz des Urteils des Hongkonger Gerichts, wonach der chinesische Immobilienkonzern Evergrande aufgelöst werden soll, könnten chinesische Aktien 2024 für positive Überraschungen sorgen. Evergrande kann gegen das Urteil Berufung einlegen und das Urteil bezieht sich im Wesentlichen auf Hong Kong und nicht das chinesische Festland, wo das Unternehmen den größten Teil der Geschäftstätigkeiten und Vermögenswerte hat. Außerdem wird die chinesische Regierung an ihrer Entscheidung festhalten, die im Bau befindlichen Immobilien fertigzustellen. Das Urteil hat also eher symbolischen Charakter und damit wahrscheinlich wenig Auswirkung auf den Immobilien-Sektor.
Insgesamt scheint sich die Wirtschaft zu stabilisieren, so dass die 2023 nach unten korrigierten Unternehmensgewinne wieder anziehen könnten. Chinesische Aktien erscheinen mit einem KGV von 9,8 sehr günstig, nach Schätzungen sollen die Unternehmensgewinne in diesem Jahr zwischen 10% und 15% steigen. In der Vergangenheit haben sich chinesische Aktien immer wieder stark erholt – oft in einer Größenordnung von 30% in wenigen Wochen. Dies könnte einige Anleger dazu veranlassen, zumindest taktisch Kurserholungen zu nutzen.
Sadettin Yildiz, CIO und Leiter Asset Management, DONNER & REUSCHEL
Die Situation in China erinnert an die in Japan zu Beginn der 1990er Jahre, in der die über viele Jahre hinweg entstandene Immobilienblase platzte. Der Immobiliensektor befindet sich in einem anhaltenden Abschwung, der das Land lähmt. Da Immobilien meist durch Kredite finanziert werden, geraten Banken unter Druck. Eine sich selbst verstärkende Dynamik aus fallenden Immobilienpreisen, Kreditausfällen und Panikverkäufen an den Aktienmärkten ist charakteristisch für derartige Krisen - ganz ähnlich wie auch 2008 in den USA. Wodurch endet diese Abwärtsspirale? Hier ist die Vergangenheit eindeutig: Die Zentralbank muss die Zinsen senken, Geld drucken, und mit diesem neu geschaffenen Geld die Kreditausfälle der Banken überkompensieren. Unserer Einschätzung nach werden chinesische Aktien erst interessant, wenn seitens der Zentralbank in großem Stil Geld gedruckt wird, analog zur Situation 2009 in den USA. Bis dies geschieht, sehen wir strategisch von einem Engagement ab. Anleger müssen in China auch die politischen Verhältnisse mit der Gefahr verstärkter Regulierung, potenzieller Enteignungen und geopolitischen Spannungen bedenken.
Christian Gombert, Fondsmanager, St.Galler Kantonalbank Deutschland AG
Bei der Bedeutung chinesischer Aktien für die globale Asset Allocation, ist vor allem die günstige Bewertung einhergehend mit dem Wachstum zu nennen. Durch Kombination dieser Faktoren, erhält man das PEG-Ratio (KGV durch Gewinnwachstum). Das PEG-Ratio im Hang Seng Index ist mit aktuell 0,5x sowohl im historischen Vergleich als auch gegenüber anderen Indizes sehr attraktiv. Im Vergleich dazu, liegt der europäische Stoxx 600 bei 1,4x und der wachstumsstarke Nasdaq 100-Index bei 1,3x. Dies verdeutlicht, dass das Wachstum global sehr unterschiedlich gepreist wird.
Der Grund für das unterschiedliche Pricing findet sich im fehlenden Engagement internationaler Investoren. Während sich die Gewinne im Reich der Mitte in die richtige Richtung bewegen – laut Bloomberg: +14% in 2024 und +12% in 2025 – sank das KGV nur im Zuge der Kursverluste, nicht der Gewinne. Das heißt, dass ausländische Investoren nicht bereit sind, ähnliche KGVs wie für die heimischen Märkte zu zahlen. Vor diesem Hintergrund haben wir in den letzten Wochen erste Positionen in China aufgebaut. Ziel ist eine Alternative zu den hochbewerteten US-Techwerten und gering wachsenden europäischen Aktien und eine attraktive Portfoliodiversifikation.
Thomas Altmann, Leiter Portfoliomanagement, QC Partners
Das Sentiment gegenüber chinesischen Aktien ist seit Jahren negativ. Immobilienkrise, Jugendarbeitslosigkeit, Schulden der Regionalregierungen und regulatorische Unsicherheit wurden seit 2021 schrittweise eingepreist. In der Folge hat der aus H-Aktien bestehende HSCEI 60% verloren. Die A-Aktien im CSI 300 kommen auf ein Minus von 48%.
Dabei ist die Situation im Reich der Mitte positiver als viele vermuten. Die Einzelhandelsumsätze haben 2023 einen Rekord erreicht. Chinas Anteil an der globalen Industrieproduktion ist seit 1997 von 5% auf 33% gestiegen. Anleger erwarten, dass die Firmen im HSCEI ihre Gewinne und Dividenden 2024 mindestens konstant halten. Daraus ergeben sich ein KGV von 7 und eine Dividendenrendite von 4,5%. Die Kurse liegen bei 75% der Buchwerte. Der Ausverkauf im Januar wurde durch Future-Verkäufe beschleunigt. So hat das Volumen der ausstehenden Kontrakte auf den CSI 300 den höchsten Stand in der 14-jährigen Future-Historie erreicht. Beim HSI-Future war es der dritthöchste Wert in 25 Jahren. Klar ist: All diese short-Positionen müssen in der Zukunft durch Käufe eingedeckt werden.
Auffallend ist zudem die inverse Volatilitätsstruktur, die häufig vor Wendepunkten auftritt.
China könnte vor einem verlorenen Jahrzehnt stehen, ähnlich wie Japan in den 1990er Jahren. Hierbei gibt es einige Parallelen, die zu beachten sind. China ist heute ebenfalls mit einem demographischen Wandel konfrontiert: Die Bevölkerung im Reich der Mitte wird im Schnitt älter und schrumpft. Der Anteil der Erwerbspersonen sinkt schon heute und die Gesamtbevölkerung wird sich voraussichtlich bis 2100 halbieren. Dazu kommt die übermäßige Straffung der Geldpolitik, obwohl sich die Inflationsraten nahe null bewegen. Trotz der jüngsten Lockerung bleibt die People’s Bank of China (PBoC) insgesamt bei einem restriktiven Kurs. Es ist also für China von entscheidender Bedeutung, durch die Koordination von Geld- und Fiskalpolitik sowie gesetzgeberischer Maßnahmen zu versuchen, das Szenario einer harten Landung zu vermeiden.
Japan ist es während seines verlorenen Jahrzehnts nicht gelungen, die richtigen Investitionen zu tätigen. Die Regierung in China muss entsprechend hart arbeiten, um den Investitionsmotor wieder zum Laufen zu bringen, und ein verlorenes Jahrzehnt wie einst in Japan abzuwenden.
Andrea Quapp, Lead Investment Director, Multi Asset Class Solutions (MACS), Kontinentaleuropa, GAM Investments
Es scheint so, als ob China, die einstige globale Werkbank und Wachstumsregion schlechthin, nicht mehr das China von früher ist. Mit der Zeit wird immer deutlicher, dass die Ziele der Regierung, die oft von konventionellen Annahmen und Erwartungen westlicher Investoren abweichen, im Vordergrund stehen. Dies hat dem Land viel Kapital und Vertrauen entzogen und Investitionen fließen nun verstärkt nach Indien, unter anderem wegen des dort zunehmenden privaten Konsums. Trotz dieser Entwicklungen bleibt China eine der größten Volkswirtschaften der Welt. Dies ist jedoch zurzeit für Industrie- und Technologieunternehmen als Absatzmarkt und Investitionsstandort relevanter als für Anleger. Innerhalb des MSCI All Countries Aktienindex ist die Gewichtung Chinas mit etwa drei Prozent vernachlässigbar und mit einer Gewichtung von etwa 16 Prozent am gesamten, globalen Rentenmarkt höher. In der Allokation sind beide Segmente untervertreten. Momentan mangelt es an Zuversicht in Bezug auf strukturelles, nachhaltiges Wachstum, da der demographische Trend deutlich negativ ist, die Jugendarbeitslosigkeit hoch bleibt und die Exportdynamik über die Jahre nachlässt.
Jean-Louis Nakamura, Leiter der Vontobel Conviction Equities Boutique, Vontobel
Das chinesische Wachstum ist ins Stocken geraten. Zwar lag das offizielle BIP-Wachstum 2023 bei 5,2%, zu berücksichtigen ist dabei aber die niedrige Basis des Vorjahres, als die Pandemiemaßnahmen weite Teile des Wirtschaftslebens lahmgelegt hatten. Auch kam das Wachstum fast ausschließlich aus dem starken Anstieg des Verbrauchs inländischer Dienstleistungen im ersten und frühen zweiten Quartal 2023 zustande.
Die chinesische Wirtschaft hat mit strukturellen Problemen zu kämpfen. Gleichzeitig prägen die politischen Präferenzen das Umfeld. Dabei schaffen die Behörden neue Ungleichgewichte indem Ressourcen und monetäre und steuerliche Anreize in dieselben Sektoren wie Halbleiter, Elektromobilität und Solarpaneele geleitet werden. So wächst das Risiko von Überkapazitäten und gedrückten Gewinnspannen sowie einer deflationären Dynamik.
Trotzdem, oder gerade deshalb, liegen die Aktien mit den besten Perspektiven sicher in den politisch geförderten Segmenten wie Spitzentechnologie. Dabei sollte der Fokus bei der Auswahl auf der Rentabilität und der Nachhaltigkeit der Unternehmen liegen, da die politischen Maßnahmen immer wieder auch zu Überkapazitäten und Preiskämpfen führen können.
Chinesische Aktien sind vielleicht das aussagekräftigste Barometer für den Gesamtzustand der Wirtschaft; sie sind sehr billig: Mit einem nachlaufenden KGV von 12 für den CSI300 werden chinesische Aktien jetzt so billig wie seit fünf Jahren nicht mehr gehandelt (sogar billiger als nach dem Ausbruch der Pandemie Anfang 2020).
Aufgeschlüsselt nach Sektoren sind wir der Meinung, dass defensive Sektoren wie Versorger, Energie und staatliche Banken weiterhin eine überdurchschnittliche Performance erzielen werden, wenn keine bedeutenden politischen Maßnahmen ergriffen werden. Defensive Sektoren haben in der Regel hohe Dividendenrenditen, niedrige Bewertungen und ein stabiles Gewinnwachstum (auch wenn die Wachstumsrate niedrig ist), so dass sie unter den aktuellen Marktbedingungen mit niedrigen Erwartungen, Anleiherenditen und Einlagenzinsen als sichere Anlagen mit hohen Erträgen gelten. Ein weiterer Sektor mit positiven Aussichten ist der IT-Hardware-Sektor, da China stark in diesen Sektor investiert, um zu versuchen, unter den US-Sanktionen Fortschritte zu erzielen, und eine neue Runde des Aufwärtszyklus bei Halbleitern ist unter den Fortschritten der KI wahrscheinlich.
Jean-Marie Mercadal, CEO, SYNCICAP Asset Management, Teil von Ofi Invest AM
Trotz des Urteils des Hongkonger Gerichts, wonach der chinesische Immobilienkonzern Evergrande aufgelöst werden soll, könnten chinesische Aktien 2024 für positive Überraschungen sorgen. Evergrande kann gegen das Urteil Berufung einlegen und das Urteil bezieht sich im Wesentlichen auf Hong Kong und nicht das chinesische Festland, wo das Unternehmen den größten Teil der Geschäftstätigkeiten und Vermögenswerte hat. Außerdem wird die chinesische Regierung an ihrer Entscheidung festhalten, die im Bau befindlichen Immobilien fertigzustellen. Das Urteil hat also eher symbolischen Charakter und damit wahrscheinlich wenig Auswirkung auf den Immobilien-Sektor.
Insgesamt scheint sich die Wirtschaft zu stabilisieren, so dass die 2023 nach unten korrigierten Unternehmensgewinne wieder anziehen könnten. Chinesische Aktien erscheinen mit einem KGV von 9,8 sehr günstig, nach Schätzungen sollen die Unternehmensgewinne in diesem Jahr zwischen 10% und 15% steigen. In der Vergangenheit haben sich chinesische Aktien immer wieder stark erholt – oft in einer Größenordnung von 30% in wenigen Wochen. Dies könnte einige Anleger dazu veranlassen, zumindest taktisch Kurserholungen zu nutzen.
Sadettin Yildiz, CIO und Leiter Asset Management, DONNER & REUSCHEL
Die Situation in China erinnert an die in Japan zu Beginn der 1990er Jahre, in der die über viele Jahre hinweg entstandene Immobilienblase platzte. Der Immobiliensektor befindet sich in einem anhaltenden Abschwung, der das Land lähmt. Da Immobilien meist durch Kredite finanziert werden, geraten Banken unter Druck. Eine sich selbst verstärkende Dynamik aus fallenden Immobilienpreisen, Kreditausfällen und Panikverkäufen an den Aktienmärkten ist charakteristisch für derartige Krisen - ganz ähnlich wie auch 2008 in den USA. Wodurch endet diese Abwärtsspirale? Hier ist die Vergangenheit eindeutig: Die Zentralbank muss die Zinsen senken, Geld drucken, und mit diesem neu geschaffenen Geld die Kreditausfälle der Banken überkompensieren. Unserer Einschätzung nach werden chinesische Aktien erst interessant, wenn seitens der Zentralbank in großem Stil Geld gedruckt wird, analog zur Situation 2009 in den USA. Bis dies geschieht, sehen wir strategisch von einem Engagement ab. Anleger müssen in China auch die politischen Verhältnisse mit der Gefahr verstärkter Regulierung, potenzieller Enteignungen und geopolitischen Spannungen bedenken.
Christian Gombert, Fondsmanager, St.Galler Kantonalbank Deutschland AG
Bei der Bedeutung chinesischer Aktien für die globale Asset Allocation, ist vor allem die günstige Bewertung einhergehend mit dem Wachstum zu nennen. Durch Kombination dieser Faktoren, erhält man das PEG-Ratio (KGV durch Gewinnwachstum). Das PEG-Ratio im Hang Seng Index ist mit aktuell 0,5x sowohl im historischen Vergleich als auch gegenüber anderen Indizes sehr attraktiv. Im Vergleich dazu, liegt der europäische Stoxx 600 bei 1,4x und der wachstumsstarke Nasdaq 100-Index bei 1,3x. Dies verdeutlicht, dass das Wachstum global sehr unterschiedlich gepreist wird.
Der Grund für das unterschiedliche Pricing findet sich im fehlenden Engagement internationaler Investoren. Während sich die Gewinne im Reich der Mitte in die richtige Richtung bewegen – laut Bloomberg: +14% in 2024 und +12% in 2025 – sank das KGV nur im Zuge der Kursverluste, nicht der Gewinne. Das heißt, dass ausländische Investoren nicht bereit sind, ähnliche KGVs wie für die heimischen Märkte zu zahlen. Vor diesem Hintergrund haben wir in den letzten Wochen erste Positionen in China aufgebaut. Ziel ist eine Alternative zu den hochbewerteten US-Techwerten und gering wachsenden europäischen Aktien und eine attraktive Portfoliodiversifikation.
Thomas Altmann, Leiter Portfoliomanagement, QC Partners
Das Sentiment gegenüber chinesischen Aktien ist seit Jahren negativ. Immobilienkrise, Jugendarbeitslosigkeit, Schulden der Regionalregierungen und regulatorische Unsicherheit wurden seit 2021 schrittweise eingepreist. In der Folge hat der aus H-Aktien bestehende HSCEI 60% verloren. Die A-Aktien im CSI 300 kommen auf ein Minus von 48%.
Dabei ist die Situation im Reich der Mitte positiver als viele vermuten. Die Einzelhandelsumsätze haben 2023 einen Rekord erreicht. Chinas Anteil an der globalen Industrieproduktion ist seit 1997 von 5% auf 33% gestiegen. Anleger erwarten, dass die Firmen im HSCEI ihre Gewinne und Dividenden 2024 mindestens konstant halten. Daraus ergeben sich ein KGV von 7 und eine Dividendenrendite von 4,5%. Die Kurse liegen bei 75% der Buchwerte. Der Ausverkauf im Januar wurde durch Future-Verkäufe beschleunigt. So hat das Volumen der ausstehenden Kontrakte auf den CSI 300 den höchsten Stand in der 14-jährigen Future-Historie erreicht. Beim HSI-Future war es der dritthöchste Wert in 25 Jahren. Klar ist: All diese short-Positionen müssen in der Zukunft durch Käufe eingedeckt werden.
Auffallend ist zudem die inverse Volatilitätsstruktur, die häufig vor Wendepunkten auftritt.
China könnte vor einem verlorenen Jahrzehnt stehen, ähnlich wie Japan in den 1990er Jahren. Hierbei gibt es einige Parallelen, die zu beachten sind. China ist heute ebenfalls mit einem demographischen Wandel konfrontiert: Die Bevölkerung im Reich der Mitte wird im Schnitt älter und schrumpft. Der Anteil der Erwerbspersonen sinkt schon heute und die Gesamtbevölkerung wird sich voraussichtlich bis 2100 halbieren. Dazu kommt die übermäßige Straffung der Geldpolitik, obwohl sich die Inflationsraten nahe null bewegen. Trotz der jüngsten Lockerung bleibt die People’s Bank of China (PBoC) insgesamt bei einem restriktiven Kurs. Es ist also für China von entscheidender Bedeutung, durch die Koordination von Geld- und Fiskalpolitik sowie gesetzgeberischer Maßnahmen zu versuchen, das Szenario einer harten Landung zu vermeiden.
Japan ist es während seines verlorenen Jahrzehnts nicht gelungen, die richtigen Investitionen zu tätigen. Die Regierung in China muss entsprechend hart arbeiten, um den Investitionsmotor wieder zum Laufen zu bringen, und ein verlorenes Jahrzehnt wie einst in Japan abzuwenden.
Hinweis: Dies ist Teil 2 unserer Experten-Umfrage zu China. Teil 1 finden Sie hier.
Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung
eines Investmentfonds oder Wertpapiers zu. Wert und Rendite einer Anlage in Fonds oder
Wertpapieren können steigen oder fallen. Anleger können gegebenenfalls nur weniger als das
investierte Kapital ausgezahlt bekommen. Auch Währungsschwankungen können das Investment
beeinflussen. Beachten Sie die Vorschriften für Werbung und Angebot von Anteilen im InvFG 2011
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