Provisionsverbot: Notwendig oder regulatorischer Irrweg?

Markets | 11.03.2025 12:30 Uhr
e-fundresearch.com Gastautor Prof. (FH) Dr. Armin Kammel, LL.M., MBA, Managing Director der FS&R Excellence GmbH (in cooperation with DLA Piper Austria) / © e-fundresearch.com / FS&R Excellence GmbH (in cooperation with DLA Piper Austria)
e-fundresearch.com Gastautor Prof. (FH) Dr. Armin Kammel, LL.M., MBA, Managing Director der FS&R Excellence GmbH (in cooperation with DLA Piper Austria) / © e-fundresearch.com / FS&R Excellence GmbH (in cooperation with DLA Piper Austria)

Regulatory Corner Kompakt auf den Punkt – Gedankenanstoß und Orientierungshilfe

verfasst von e-fundresearch.com Gastautor Prof. (FH) Dr. Armin Kammel, LL.M., MBA, Managing Director der FS&R Excellence GmbH (in cooperation with DLA Piper Austria).

Das intendierte regulatorische Werkzeug eines Provisionsverbots – wieso eigentlich bzw. überhaupt notwendig?

Im Rahmen der viel diskutierten und pompös vorgestellten Retail Investment Strategy (RIS) der Europäischen Kommission findet sich wieder einmal der Vorschlag eines (partiellen) Provisionsverbots, diesmal für die Beratung von Versicherungs- bzw. anderen Finanzprodukten durch Versicherungsmakler (insurance intermediary). Konkret präzisiert die angedachte Anpassung von Art 30 Abs. 5b lit. b IDD, dass für einen Versicherungsmakler Folgendes gelten soll: „[…] not accept and retain fees, commissions or any monetary or non-monetary benefits paid or provided by any third party or a person acting on behalf of a third party in relation to the provision of the service to customers. […]” Da vergleichbare Vorschläge seit rund zwanzig Jahren die Brüsseler Finanzmarktregulierungsagenden prägen, vor allem in Bezug auf das MiFID-Rahmenwerk, bedarf es einiger konzeptioneller Überlegungen, was des mit dem angedachten regulatorischen Werkzeug wirklich auf sich hat. 

Grundsätzlich ist zu beachten, dass es sich bei einer Provision (abgeleitet vom Lateinischen „providere“) um ein erfolgsabhängiges Entgelt für erbrachte Dienstleistungen oder Geschäftsbesorgungen handelt, wobei im Finanzbereich Bank-, Versicherungs-, aber auch allgemein Maklerprovisionen bekannt sind. Dieses an sich im allgemeinen Handelsrecht verankerte Konzept gestattet einem Kaufmann (nunmehr Unternehmer) für die durchgeführte Tätigkeit einen Anspruch auf eine solche Provision, die etwa auch im MaklerG weiter präzisiert wird. 

Seit rund zwanzig Jahren, neuerdings verstärkt durch die Value for Money – Diskussion sind Provisionsmodelle im Finanzbereich unterschiedlich gelagerter Kritik ausgesetzt, wobei grundsätzlich zwei Argumente vorgebracht werden, nämlich dass a) den meisten Kunden bei Vertragsabschluss durch Provisionen entstehende Renditeverluste nicht bekannt bzw. nicht bewusst sind, sowie b) das diesbezügliche Bewusstsein erst durch Verluste ausweisende Wertnachrichten entsteht. Nun sind diese Argumente per se nicht von der Hand zu weisen, jedoch stellt sich die Frage, ob ein (partielles) Provisionsverbot aus regulatorischer Sicht tatsächlich das „Allheilmittel“ ist. Dies erscheint jedenfalls aus mehreren Gründen zweifelhaft:

  • Die in diesem Zusammenhang genannte Alternative Honorarberatung ist nicht davor gefeit, selbst Gegenstand der genannten Kritikpunkte zu werden, da es auch einem Independent Financial Adviser (IFA) möglich ist, im Rahmen der Beratungstätigkeit jene Produkte zu empfehlen, die eine höhere Gebühr zu seinen Gunsten rechtfertigen, sodass die Absolutheit des angeblichen Vorteils der Honorarberatung nicht gegeben ist.
  • Der konzeptionelle Vorteil der Honorarberatung eher im Kundeninteresse zu agieren ist im Vergleich zum Strukturvertrieb zwar grundsätzlich zutreffend, jedoch gibt es spätestens seit der regulatorischen Reaktion auf die Global Financial Crisis 2007/8 sowohl für Strukturvertriebe, als auch für IFAs verstärkte regulatorische Anforderungen, im „besten Interesse des Kunden“ zu agieren, weshalb sich aus dieser regulatorischen Anforderung auch zivilrechtliche Haftungsansprüche ableiten lassen und konsequenterweise den an sich konzeptionellen Vorteil der Honorarberatung nivellieren.
  • Es gibt faktisch zwei große Gruppen von Vertriebsmodellen in Bezug auf Finanzprodukte, nämlich einerseits den eher kontinentaleuropäischen Zugang des Strukturvertriebs sowie andererseits den eher anglosächsischen unabhängigen Vertrieb im Rahmen einer open architecture mit einer zentralen Rolle der IFAs. Würde man ein (partielles) Provisionsverbot zugunsten der Honorarberatung einführen, wäre dies ein wertender regulatorischer Eingriff in bestehende Geschäftsmodelle.
  • Zudem werden zugunsten eines (partiellen) Provisionsverbots immer wieder theoretische Argumente aus der (Rechts-)Ökonomie genannt, wie etwa die Principal-Agent-Beziehung, Interessenkonflikte oder Transparenzaspekte. Geht man diesen Konzepten näher auf den Grund, lässt sich nicht überzeugend ableiten, dass ein (partielles) Provisionsverbot per se das Allheilmittel ist, insbesondere nachdem es seit knapp zwanzig Jahren die regulatorischen Begleitmaßnahmen gibt, dass Finanzprodukte im besten Interesse des Kunden angeboten und beraten werden müssen und zudem den Vertrieb sowie den Produktproduzenten umfangreiche Sorgfaltspflichten treffen.

Vor diesem Hintergrund und unter genauerer Analyse nationaler Provisionsverbote in einigen „Vorzeigeländern“ wie etwa UK, Neuseeland, Australien, aber auch Finnland, Dänemark, Norwegen oder den Niederlanden ist eine regulatorische Notwendigkeit für ein (partielles) Provisionsverbot nicht ableitbar, weshalb dessen repetitives Vorbringen wohl eher als ideologisch getriebene, wettbewerbspolitische Maßnahme qualifiziert. Konsequenterweise wäre es sinnvoll, die Mär des überzeugenden Nutzens eines (partiellen) Provisionsverbots zu beenden, sondern finanzmarktregulatorische Maßnahmen möglichst vertriebs- und geschäftsmodellagnostisch auszugestalten.

Diese Prämisse ist gerade auch aus österreichischer Sicht zu beachten, denn die Attraktivität eines Finanzplatzes wird nicht durch wertende regulatorische Eingriffe gesteigert, sondern durch an sich vertriebs- und geschäftsmodellagnostische Rahmenbedingungen, die einen freien marktwirtschaftlichen Wettbewerb sicherstellen.

Über den Autor

Prof. (FH) Dr. Armin Kammel, LL.M., MBA ist Professor (FH) für Bankrecht und Finanzmarktregulierung an der Lauder Business School (LBS) in Wien sowie Managing Director der FS&R Excellence GmbH (in cooperation with DLA Piper Austria). 

Prof. (FH) Dr. Armin Kammel ist zudem allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger im Fachbereich Kredit, Banken, Börsen sowie Autor zahlreicher Publikationen zu bank-, kapitalmarkt- und wirtschaftsrechtlichen Themen im In- und Ausland.

Weitere beliebte Meldungen:

Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Investmentfonds oder Wertpapiers zu. Wert und Rendite einer Anlage in Fonds oder Wertpapieren können steigen oder fallen. Anleger können gegebenenfalls nur weniger als das investierte Kapital ausgezahlt bekommen. Auch Währungsschwankungen können das Investment beeinflussen. Beachten Sie die Vorschriften für Werbung und Angebot von Anteilen im InvFG 2011 §128 ff. Die Informationen auf www.e-fundresearch.com repräsentieren keine Empfehlungen für den Kauf, Verkauf oder das Halten von Wertpapieren, Fonds oder sonstigen Vermögensgegenständen. Die Informationen des Internetauftritts der e-fundresearch.com AG wurden sorgfältig erstellt. Dennoch kann es zu unbeabsichtigt fehlerhaften Darstellungen kommen. Eine Haftung oder Garantie für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen kann daher nicht übernommen werden. Gleiches gilt auch für alle anderen Websites, auf die mittels Hyperlink verwiesen wird. Die e-fundresearch.com AG lehnt jegliche Haftung für unmittelbare, konkrete oder sonstige Schäden ab, die im Zusammenhang mit den angebotenen oder sonstigen verfügbaren Informationen entstehen.

Melden Sie sich für den kostenlosen Newsletter an

Regelmäßige Updates über die wichtigsten Markt- und Branchenentwicklungen mit starkem Fokus auf die Fondsbranche der DACH-Region.

Der Newsletter ist selbstverständlich kostenlos und kann jederzeit abbestellt werden.