Börsenbarometer | Darf’s ein bisserl mehr sein? Ein Kipferl und ein Espresso mit Rezessionsbeilage

Pünktlich zum Start in das Wochenende kommentiert e-fundresearch.com Gastkolumnist & Kapitalmarktexperte Dr. Josef Obergantschnig wöchentlich das Börsengeschehen aus erfrischend neuen Blickwinkeln. Markets | 28.03.2025 16:00 Uhr
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH / © e-fundresearch.com / Obergantschnig Management GmbH (Foto: Vicky Posch)
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH / © e-fundresearch.com / Obergantschnig Management GmbH (Foto: Vicky Posch)

Wöchentlicher Börsenbarometer von Dr. Josef Obergantschnig | Darf’s ein bisserl mehr sein? Ein Kipferl und ein Espresso mit Rezessionsbeilage 

Heute gönne ich mir zu meinem Espresso ausnahmsweise auch ein Kipferl. Ein kleines Trostpflaster – denn die Nachrichtenlage ist, höflich formuliert, durchwachsen. Das ständige Auf und Ab zerrt selbst am Nervenkostüm der hartgesottensten Börsianer. Während meine Espresso-Maschine leise brummt, lese ich: Die DAX-Konzerne streichen erstmals seit Jahren wieder Jobs, Österreichs Wirtschaft steckt in der längsten Rezession der Zweiten Republik – und auch in der USA scheint keine Sonne.

Doch beginnen wir mit dem Positiven: Europa schlägt sich an den Kapitalmärkten derzeit erstaunlich gut. In einem Umfeld voller Unsicherheit notiert der DAX nahe Allzeithoch – am besten läuft es in Europa übrigens im kleinen, feinen Dänemark. Kein Witz. Während amerikanische Tech-Giganten unter Verkaufsdruck geraten, punkten viele europäische Unternehmen mit Stabilität und Substanz. Pharma, Luxus, Industrie – Europa glänzt mit Qualität. Der Tech-Hype wird offenbar von vermeintlicher Biederkeit verdrängt.

Apropos Hype – werfen wir einen Blick über den großen Teich: Die USA bleiben die Heimat der wertvollsten Marken der Welt. Apple, Nvidia, Microsoft & Co bringen es gemeinsam auf über 20 Billionen Dollar an Marktkapitalisierung. Europa? Gerade mal 2,8 Billionen. China? 2,6 Billionen – dominiert längst nicht mehr von Tech-Konzernen, sondern von Banken und Staatsbetrieben. Die Börse als Spiegelbild geopolitischer Realität – mehr Symbolik geht nicht.

Doch der Glanz bekommt Risse: In den USA bahnt sich eine „Student-Debt-Krise 2.0“ an. Rund neun Millionen Amerikaner laufen Gefahr, dass sich ihre Kreditwürdigkeit verschlechtert – weil ihre Rückzahlungen für Studienkredite nach der Pandemiepause wieder im Score auftauchen. Die Folge? Schlechtere Bonität, weniger Konsumfreude, geringere Kreditvergabe. Und das in einem Land, dessen Binnenkonsum als Konjunkturanker gilt. Kein gutes Omen – weder für die US-Wirtschaft noch für den Aktienmarkt.

Hinzu kommt: DAX-Konzerne, jahrelang Wachstums- und Beschäftigungsmotor, beginnen nun ebenfalls zu sparen. Laut neuesten Daten streichen mehrere Unternehmen erstmals seit Langem wieder signifikant Stellen. Der konjunkturelle Gegenwind macht auch vor den ganz Großen nicht Halt. Der globale Horizont verdunkelt sich trotz Frühlingserwachen.

Und dann machen wir auch noch einen Schwenk nach Österreich. Die Wirtschaftsforscher von WIFO und IHS vertreten unisono die klare Meinung, dass das BIP 2025 zum dritten Mal in Folge schrumpfen wird. Damit erleben wir die längste Rezession der Zweiten Republik. Erst 2026 soll es wieder zumindest ein „verhaltenes“ Wachstum geben. Die Industrie schwächelt, die Steuereinnahmen brechen ein und darüber hinaus droht auch noch ein Defizitverfahren der EU. Die Alpenrepublik ist zweifelsohne – wie es der WIFO-Chef Felbermayr so treffend formuliert – wirtschaftlich „ärmer geworden“.

Und wird es wohl auch bleiben, wenn nicht rasch und mutig reformiert wird. Pensionssystem, Lohnquote, Steuerstruktur – nichts ist mehr tabu, wenn wir nicht in eine „Verlorene Dekade“ rutschen wollen. Der Ruf nach schmerzhaften Reformen wird zunehmend lauter. Aber ist er auch laut genug, um ihn weiterhin konsequent zu ignorieren? Die Lage ist ernst. Aber nicht hoffnungslos. Mein Resümee: Ein Kipferl macht’s nicht besser. Aber vielleicht ein bisschen Mut zur Veränderung.

Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH & e-fundresearch.com Gastkolumnist

Dr. Josef Obergantschnig ist anerkannter Kapitalmarktexperte, Unternehmer, Autor und ehemaliger Chief Investment Officer eines Asset-Managers. In der Führungsebene der NIXDORF Kapital Unternehmensgruppe bringt er seine Expertise in den Bereichen Strategie, Finanzen und Nachhaltigkeit ein, um das Thema Impact-Investing weiter voranzutreiben. Darüber hinaus ist es ihm ein besonderes Anliegen, seinen jahrzehntelangen Erfahrungsschatz nicht nur an Finanzexperten und Privatpersonen, sondern vor allem auch an junge Menschen auf unterhaltsame Weise weiterzugeben.

Infos zum aktuellen Buch: https://www.vonnullaufreich.com

Keynote Speaker: www.josefobergantschnig.at

Weitere Informationen unter: www.ecobono.com / www.obergantschnig.at

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