Die von US-Präsident Donald Trump angekündigten Zölle gehen deutlich über das zuvor erwartete Maß hinaus. Ob daraus ein globaler Handelskrieg erwächst, hängt jetzt entscheidend von der Reaktion der betroffenen Länder ab. Demonstrieren sie Stärke und vergelten Gleiches mit Gleichem, sind gravierend negative Konsequenzen für die Weltwirtschaft unvermeidbar. Die Reaktion Chinas deutet in diese Richtung. Die Alternative bestünde darin, Gegenmaßnahmen anzukündigen, Gesprächsbereitschaft zu zeigen und auch im Falle des Scheiterns von Verhandlungen lediglich maßvolle und gezielte Sanktionen zu verhängen. Dies scheint bislang der Weg zu sein, dem die EU folgen will.
So oder so dürfte schnell deutlich werden: Der Schaden für die US-Wirtschaft selbst ist erheblich. Seit mehr als 40 Jahren weisen die USA ein im Trend zunehmendes Handels- und Leistungsbilanzdefizit auf. Der ökonomische Ausgleichsmechanismus in Form einer schwächeren Währung, die Importe verteuert und inländische Produktion relativ gesehen attraktiver macht, kommt wegen der Rolle des US-Dollars als weltweite Reservewährung nicht ausreichend zur Geltung. Dafür können die US-Bürger seit Jahrzehnten mehr konsumieren, als es ihrer eigenen Wirtschaftsleistung entspricht. Vor allem können sie sich vergleichsweise günstig verschulden. Gehen diese Vorteile verloren, hat dies auch für die USA selbst gravierende Folgen: Die Bedeutung des US-Dollar in der Weltwirtschaft würde abnehmen, und insbesondere würden sich die Kosten der Verschuldung erhöhen.
Signifikante Wohlstandsverluste drohen
Eine Regierung könnte geneigt sein, solche Folgen in Kauf zu nehmen, wenn es beispielsweise gälte, Massenarbeitslosigkeit im eigenen Land zu bekämpfen. Doch das ist nun gerade nicht der Fall: Die US-Wirtschaft befindet sich weiterhin in einer ökonomischen Situation nahe der Vollbeschäftigung. Selbst wenn der beabsichtigte Primäreffekt von Produktionsverlagerungen in die USA einträte – was unter anderem zur Voraussetzung hätte, dass Investoren an den langfristigen Bestand des Zollregimes glauben –, müssten die Unternehmen nötige Arbeitskräfte aus anderen Bereichen der Wirtschaft abwerben. Langfristig könnte daraus theoretisch ein Produktivitätsschub resultieren. Kurz- und mittelfristig käme es aber zu einer ökonomisch fragwürdigen Re-Allokation von Ressourcen in weniger produktive Bereiche. Weil die Produktion in den USA teurer ist als an den Standorten, von denen die Güter bislang importiert wurden, würden signifikante Wohlstandsverluste eintreten. Dass diesen Verlusten überhaupt Beschäftigungsgewinne in den vom Globalisierungsschock besonders betroffenen Regionen der Vereinigten Staaten gegenüberstehen könnten, setzte eine systematische und koordinierte Regional- und Strukturförderung voraus – bislang war das nicht gerade eine Stärke des US-amerikanischen Wirtschaftsmodells. Das bisherige Vorgehen im Rahmen der Abteilung für Regierungseffizienz DOGE (Department of Government Efficiency) scheint nicht darauf angelegt zu sein, dies zu ändern.
Unmittelbar befeuern die Importzölle die ohnehin noch über dem Zielwert liegende Inflation. Das bringt die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) in ein Dilemma zwischen zunehmender Konjunktur und anhaltenden Inflationsrisiken. Dass der Preiseffekt von Zöllen einmaliger und temporärer Natur ist, wie die Fed-Offiziellen derzeit gerne glauben wollen, ist nicht ausgemacht: Gerade die beschriebene Wirkung in Richtung steigender Löhne könnte dem entgegenwirken und schließlich doch Zinserhöhungen erzwingen, über die die Fed derzeit nicht nachdenken möchte.
Stagflationsszenario erhält neue Nahrung
Das zuletzt bereits befürchtete Stagflationsszenario für die US-Wirtschaft erhält durch die Zollpolitik Trumps neue Nahrung. Die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession auf Sicht der kommenden 6 bis 12 Monate ist deutlich gestiegen. Die negativen Wirkungen der Zölle auf Europa und auch Deutschland stellen eine Belastung für die wirtschaftliche Erholung nach Jahren der Stagnation dar. Das sollte aber nicht zu Reaktionen verleiten, die den Schaden noch vergrößern. Klüger könnte es sein, maßvoll zu reagieren und darauf zu setzen, dass die US-Bürger aufgrund der spürbar negativen Wirkungen auf sie selbst bei den Midterm-Elections im Herbst 2026 diese Art der Wirtschaftspolitik abwählen.
Von Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe
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