Börsenbarometer | Globale Unsicherheit, lokales Fiasko und ein bitterer Espresso

Pünktlich zum Start in das Wochenende kommentiert e-fundresearch.com Gastkolumnist & Kapitalmarktexperte Dr. Josef Obergantschnig wöchentlich das Börsengeschehen aus erfrischend neuen Blickwinkeln. Markets | 25.04.2025 16:00 Uhr
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH / © e-fundresearch.com / Obergantschnig Management GmbH (Foto: Vicky Posch)
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH / © e-fundresearch.com / Obergantschnig Management GmbH (Foto: Vicky Posch)

Wöchentlicher Börsenbarometer von Dr. Josef Obergantschnig | Globale Unsicherheit, lokales Fiasko und ein bitterer Espresso

Mein Espresso schmeckt heute leicht bitter. Das liegt aber definitiv nicht an der Qualität der Kaffeebohnen, die ich gerade beim Italiener meines Vertrauens erworben habe. Vielmehr sind es die unsicheren Zutaten im aktuellen Weltwirtschafts-Cocktail, die auf die Stimmung drücken.

Wenn der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Prognosen im Frühjahr und Herbst veröffentlicht, ist das für viele Finanzmarktakteure ein Pflichttermin. Diesmal allerdings fühlt sich der aktuelle Befund für Österreich an wie ein faules Ei, das uns nach dem Osterwochenende ins Nest gelegt wurde: Die Stimmung kippt, und die Wachstumsprognosen wurden spürbar nach unten revidiert. Für alle Industrieländer wird 2025 ein Wachstum oder zumindest eine schwarze Null prognostiziert – mit einer Ausnahme: Österreich. Das klingt ernüchternd und ist wohl nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen könnte.

Was den Ökonomen weltweit derzeit besonders zusetzt, ist die erratische Zollpolitik aus Washington. Kaum hat man sich auf einen neuen Zollsatz eingestellt, verkündet Donald Trump per Social Media bereits die nächste Änderung – und revidiert sie womöglich gleich am Folgetag wieder. Eine verlässliche Prognose wird in diesem Umfeld, geprägt von der Launenhaftigkeit des US-Präsidenten, zur echten Herkulesaufgabe.

Der IWF wagt dennoch einen Ausblick: Sollte sich der aktuelle Zollkrieg weiter zuspitzen, droht der globalen Wirtschaft im kommenden Jahr ein Wachstumsdämpfer um satte 0,4%. Die USA selbst trifft es am stärksten, aber auch Kanada, Mexiko und China werden ordentlich durchgeschüttelt. Die Eurozone käme vergleichsweise glimpflich davon, doch auch hier gilt: Von Wachstum kann keine Rede sein.

In diesem Kontext hat der IWF seine globale Wachstumsprognose für 2025 von 3,3% auf 2,8% gesenkt – ein deutlicher Rückschlag, vor allem für Österreich. Während Spanien mit 2,5% als „europäischer Wachstumsstar“ gilt, sieht der IWF für die Alpenrepublik als einziges Industrieland ein Schrumpfen der Wirtschaft – das BIP soll 2025 um 0,3% zurückgehen. Hauptgründe: hohe Kreditzinsen, Investitionszurückhaltung und zusätzliche Belastungen durch den Handelskrieg. Zwischen 2000 und 2019 war Österreich ein Wachstumsprimus – doch seit 2023 hat sich der Wind spürbar gedreht. Auch für Deutschland sieht es mit einer auf 0,0% gesenkten Prognose nicht rosig aus. Die Schweiz kann mit 1,3% zumindest etwas Optimismus verbreiten, von einem boomenden Wirtschaftsmotor ist aber auch hier keine Rede.

Durch die Zollpolitik Trumps verändern sich die weltweiten Handelsströme rasant. Der IWF rechnet vor: Die US-Exporte könnten langfristig um bis zu 27% einbrechen, da teurere Importe heimischer Produkte auf dem Weltmarkt weniger konkurrenzfähig machen. Chinas Ausfuhren könnten zwar nur um rund 7% zurückgehen, doch das Land findet offenbar neue Absatzmärkte – wenn auch zu niedrigeren Preisen. Europa kommt glimpflicher davon, aber die Unsicherheit bleibt. Bemerkenswert ist, dass chinesische Häfen sogar steigende Umschlagszahlen vermelden, weil Handelsströme umgelenkt werden.

All das sorgt für Nervosität an den Märkten. Die Volatilität bleibt hoch – und dürfte es auch bleiben. Die Unabhängigkeit der Zentralbanken ist wieder zum Politikum geworden: Donald Trump nennt Fed-Chef Jerome Powell spöttisch „Mr. Too Late“ und befeuert Spekulationen über eine mögliche Entlassung. Gerade an den Finanzmärkten wird Powell für seine ruhige Hand geschätzt – was jedoch selten im Sinne des US-Präsidenten ist. Der Machtkampf spitzt sich zu: Während Trump Zinssenkungen fordert, mahnt die Fed zur Vorsicht. Kein Wunder, dass Investoren in Scharen Geld in „sichere Häfen“ wie Gold umleiten und damit dem Edelmetall zu einem neuen Allzeithoch verhelfen.

Wer im Kampf der Giganten am Ende die Nase vorn haben wird, wage ich nicht zu prognostizieren. Sicher ist nur: Für Investoren bleibt es spannend – und für den Espresso braucht es aktuell wohl auch einen Schuss Zucker.

Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH & e-fundresearch.com Gastkolumnist

Dr. Josef Obergantschnig ist anerkannter Kapitalmarktexperte, Unternehmer, Autor und ehemaliger Chief Investment Officer eines Asset-Managers. In der Führungsebene der NIXDORF Kapital Unternehmensgruppe bringt er seine Expertise in den Bereichen Strategie, Finanzen und Nachhaltigkeit ein, um das Thema Impact-Investing weiter voranzutreiben. Darüber hinaus ist es ihm ein besonderes Anliegen, seinen jahrzehntelangen Erfahrungsschatz nicht nur an Finanzexperten und Privatpersonen, sondern vor allem auch an junge Menschen auf unterhaltsame Weise weiterzugeben.

Infos zum aktuellen Buch: https://www.vonnullaufreich.com

Keynote Speaker: www.josefobergantschnig.at

Weitere Informationen unter: www.ecobono.com / www.obergantschnig.at

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