Politische Instabilität als Risiko: Das Scheitern der Kanzlerwahl erhöht die Unsicherheit – mit potenziell negativen Folgen für Kapitalmärkte und Standortvertrauen.
Strukturelle Krise verfestigt sich: Die deutsche Wirtschaft stagniert im sechsten Jahr in Folge, die Industrieproduktion sinkt weiter – insbesondere im Fahrzeugbau.
Koalitionsvertrag ohne Reformkraft: Trotz richtiger Problemanalyse fehlen mutige, konkrete Maßnahmen – vor allem bei steuerlicher Entlastung und Bürokratieabbau.
Kanzlerwahl gescheitert: Märkte reagieren auf politische Hängepartie
Deutschland kommt nicht zur Ruhe – auch politisch. Nur wenige Stunden nach dem gescheiterten Versuch von Friedrich Merz, zum Bundeskanzler gewählt zu werden, wächst die Sorge vor einer verlängerten Phase der Handlungsunfähigkeit. Damit bleibt die größte Volkswirtschaft Europas vorerst ohne stabile Regierung.
„Der Vorgang im Deutschen Bundestag ist ein Paukenschlag, und es ist ein schlechter Tag für Deutschland und Europa“, kommentiert Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International. Die Unsicherheit sei Gift für die Märkte: „Nichts verabscheuen die Märkte so sehr wie Unsicherheit.“ Die monatelange Hängepartie nach dem Bruch der Ampel-Koalition habe bereits sichtbare Spuren hinterlassen – auch im DAX.
Strukturkrise verfestigt sich – sechstes Jahr der wirtschaftlichen Stagnation
Gleichzeitig zeigt die deutsche Wirtschaft auch 2025 keine Erholungstendenzen. Die Wirtschaftsleistung dürfte erneut nicht wachsen – es wäre das sechste Stagnationsjahr in Folge. Besonders die Industrie leidet massiv: Seit 2017 befindet sich die Produktion auf dem Rückzug, aktuell liegt sie über 15 Prozent unter dem damaligen Niveau, so Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe
„Die Krise ist strukturell – und sie wird nicht von außen gelöst, sondern nur durch eigene Reformen“, betont Angermann. Besonders betroffen sei der Fahrzeugbau, der gegenüber dem Höchststand Einbußen von mehr als einem Viertel verzeichne. Einzig die pharmazeutische Industrie trotze dem Trend. Auch 2025 erwartet Angermann einen weiteren Produktionsrückgang von mehr als einem Prozent.
Globaler Gegenwind: Zölle und Konkurrenz setzen Industrie zusätzlich unter Druck
Neben den hausgemachten Problemen kommen aus der Sicht des Volkswirts externe Belastungsfaktoren hinzu. Die von US-Präsident Donald Trump angedrohten Zölle wirken doppelt negativ: Einerseits treffen sie die für Deutschland wichtigen Exporte in die USA direkt, andererseits verschärfen sie den Wettbewerb mit chinesischen und asiatischen Anbietern sowohl auf internationalen Märkten als auch im Inland.
Ein mögliches Abgleiten der US-Wirtschaft würde die Lage weiter verschärfen. Angermann warnt daher vor einer doppelten Belastung: politisch von außen – wirtschaftlich von innen.
Koalitionsvertrag bleibt unter Erwartungen – Aufbruchssignal fehlt
Von der neuen Bundesregierung hatte sich die Wirtschaft ein klares Bekenntnis zur Reformagenda erhofft. Doch der kürzlich vorgelegte Koalitionsvertrag liefert aus Sicht von Angermann kaum den erhofften Impuls. Zwar enthalte er richtige Problemanalysen – etwa bei der Stromsteuer, der Bürokratie oder der Digitalisierung –, doch die angekündigten Maßnahmen blieben unverbindlich, warnt der Experte.
„Der große Wurf, von dem ein deutliches Aufbruchsignal ausgehen könnte, ist es nicht geworden“, so Angermann. Besonders enttäuschend sei die fehlende steuerpolitische Entlastung. Dass minimale Steuersenkungen erst für die kommenden Jahre angekündigt seien, reiche nicht aus, um Investitionen und Vertrauen anzukurbeln.
Fazit: Handlungsfähigkeit und Strukturreformen jetzt entscheidend
Ohne rasche politische Stabilisierung und konkrete Reformschritte droht Deutschland weiter an wirtschaftlicher Substanz zu verlieren. Angermann sieht jedoch noch Chancen: „Es gibt viele Stellschrauben, an denen angesetzt werden kann.“
Entscheidend ist nun, dass die Bundesregierung schnell handlungsfähig wird – und den Reformwillen auch glaubhaft unter Beweis stellt. „Sollte Deutschland längerfristig führungslos bleiben, ist mit negativen Folgen für den Wirtschaftsstandort zu rechnen.“, resümiert Roemheld.
Weitere beliebte Meldungen: