Börsenbarometer | Zwischen Espresso, weißem Rauch und einem standhaften Powell

Pünktlich zum Start in das Wochenende kommentiert e-fundresearch.com Gastkolumnist & Kapitalmarktexperte Dr. Josef Obergantschnig wöchentlich das Börsengeschehen aus erfrischend neuen Blickwinkeln. Markets | 09.05.2025 16:00 Uhr
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH / © e-fundresearch.com / Obergantschnig Management GmbH (Foto: Vicky Posch)
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH / © e-fundresearch.com / Obergantschnig Management GmbH (Foto: Vicky Posch)

Wöchentlicher Börsenbarometer von Dr. Josef Obergantschnig | Zwischen Espresso, weißem Rauch und einem standhaften Powell

Der April ist für mich traditionell ein intensiver Monat. 2025 war es – dank dem lieben Donald – vielleicht noch eine Spur intensiver als sonst. Insofern wird es Sie vermutlich nicht überraschen, dass in diesen Tagen auch mein Espresso-Konsum steigt. Mehr als einmal habe ich mich gefragt: Sollte ich meinen morgendlichen Espresso ausnahmsweise gegen einen Kräutertee tauschen? Ein kleiner Reset würde mir vermutlich nicht schaden. Und auch an den Märkten stellt sich derzeit wieder die Frage: „Sell in May and go away?“ Diese alte Börsenweisheit ist ein Evergreen – doch als Entscheidungsgrundlage für Investments würde ich sie dennoch nicht empfehlen.

Auch Jerome Powell, Präsident der US-Notenbank, dürfte in den letzten Tagen oft abgewogen haben, welchen Weg er einschlagen soll. Soll er den Forderungen von Donald Trump nachgeben und die Zinsen senken – oder seiner geldpolitischen Überzeugung treu bleiben, selbst wenn der Ton rauer wird? Immerhin müssen die USA im Jahr 2025 rund acht Billionen US-Dollar refinanzieren. Kein Wunder also, dass sich der US-Präsident nach niedrigeren Zinsen sehnt. Und ausländische Investoren – allen voran China – könnten sich angesichts der erratischen US-Zollpolitik gut überlegen, ob sie weiterhin US-Staatsanleihen kaufen wollen.

Die Fed bleibt jedenfalls standhaft: Die Zinsen werden nicht gesenkt. „Wir fühlen uns nicht unter Druck gesetzt und halten Geduld für angebracht“, sagte Powell. Chapeau, lieber Jerome! Chapeau! Die Märkte reagierten entspannt – der S&P 500 legte im Anschluss sogar zu. Gleichzeitig geht die Bank of England einen anderen Weg und senkt die Zinsen – ein Zeichen für mehr Wachstumsimpulse auf der Insel.

In Europa hätte sich der neue deutsche Kanzler Friedrich Merz seinen Einstand wohl auch anders vorgestellt. Zum ersten Mal in der Geschichte scheiterte die Kanzlerwahl im ersten Anlauf. Erst im zweiten Wahlgang kam die Bestätigung. Deutschland ist die größte Volkswirtschaft Europas – und steht nun mit einem schwächelnden Kanzler an der Spitze?

Ein Blick über den Atlantik zeigt, dass Unsicherheit weiter die Schlagzeilen bestimmt. Warren Buffett hat seinen Rücktritt angekündigt – und die Finanzwelt zollt ihm unisono Respekt. Der Altmeister aus Omaha hat mit ruhiger Hand und klarem Kompass ein einzigartiges Vermächtnis geschaffen. Seit 1965 erzielte er mit Berkshire Hathaway eine durchschnittliche Jahresrendite von 19,9 %. In Summe bedeutet das eine kumulierte Rendite von über 5,4 Millionen Prozent. Kein Druckfehler.

Zur Einordnung: Eine Berkshire-Aktie kostet Anfang Mai über 800.000 US-Dollar. Buffett hat zeitlebens auf Aktiensplits verzichtet – auch, um den wahren Wert seiner Leistung sichtbar zu machen. Ich bin 1977 geboren. Damals hätte man eine Berkshire-Aktie um etwa 100 Dollar erwerben können. Das wäre definitiv ein schönes Einstandsgeschenk zur Geburt gewesen, meinen Sie nicht auch?

Was ihn so erfolgreich machte? Buffett war nie ein Mann für kurzfristige Trends. Er investierte langweilig – und erfolgreich. In Boomzeiten baute er Cash-Reserven auf, um in Krisen antizyklisch zuzuschlagen. Seine Cash-Quote stieg regelmäßig in euphorischen Phasen – zuletzt vor dem COVID-Crash, und nun erneut im Jahr 2025. Der Mann, der mit elf Jahren seine ersten Aktien kaufte, bleibt eine Ikone. Auch wenn er Fehler machte – etwa mit Occidental Petroleum – bleibt sein Vermächtnis mehr als beeindruckend.

Donald Trump sorgt weiterhin für Unsicherheit. Der Zollkrieg zwischen den USA und China bleibt das dominante Thema an den Märkten. Nach dem Tod von Papst Franziskus wurde in Rom das Konklave einberufen – und überraschend rasch war weißer Rauch zu sehen: Mit Leo XIV. wurde ein neuer Papst gewählt. Da drängt sich fast automatisch ein Gedanke auf: Vielleicht sollte man auch Donald Trump und seine globalen Kontrahenten für ein paar Tage gemeinsam kasernieren – in der wirtschaftspolitischen „Sixtinischen Kapelle“ – bis auch bei der Zollfrage endlich weißer Rauch aufsteigt.

Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH & e-fundresearch.com Gastkolumnist

Dr. Josef Obergantschnig ist anerkannter Kapitalmarktexperte, Unternehmer, Autor und ehemaliger Chief Investment Officer eines Asset-Managers. In der Führungsebene der NIXDORF Kapital Unternehmensgruppe bringt er seine Expertise in den Bereichen Strategie, Finanzen und Nachhaltigkeit ein, um das Thema Impact-Investing weiter voranzutreiben. Darüber hinaus ist es ihm ein besonderes Anliegen, seinen jahrzehntelangen Erfahrungsschatz nicht nur an Finanzexperten und Privatpersonen, sondern vor allem auch an junge Menschen auf unterhaltsame Weise weiterzugeben.

Infos zum aktuellen Buch: https://www.vonnullaufreich.com

Keynote Speaker: www.josefobergantschnig.at

Weitere Informationen unter: www.ecobono.com / www.obergantschnig.at

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