Börsenbarometer | Sommer, Zölle und Zentralbanken – was die Welt im Juni bewegt

Pünktlich zum Start in das Wochenende kommentiert e-fundresearch.com Gastkolumnist & Kapitalmarktexperte Dr. Josef Obergantschnig wöchentlich das Börsengeschehen aus erfrischend neuen Blickwinkeln. Markets | 20.06.2025 16:00 Uhr
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH / © e-fundresearch.com / Obergantschnig Management GmbH (Foto: Vicky Posch)
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH / © e-fundresearch.com / Obergantschnig Management GmbH (Foto: Vicky Posch)

Wöchentlicher Börsenbarometer von Dr. Josef Obergantschnig | Sommer, Zölle und Zentralbanken – was die Welt im Juni bewegt

Der Sommer ist angekommen. Viele Kinder sind bereits im Ferienmodus und viele von uns freuen sich auf die ruhigeren Sommermonate. Für mich bedeutet das, den einen oder anderen Espresso mehr zu trinken – bevorzugt im Freien, am besten mit Blick auf eine Zeitung oder ein hoffentlich gut gefülltes Reisetagebuch. Wer hingegen noch unschlüssig ist, wohin die Reise heuer gehen soll, für den lohnt sich ein Blick auf den „Urlaubseuro“. Diese jährlich veröffentlichte Kaufkraftanalyse zeigt, wo man für sein Geld am meisten bekommt. Heuer schneiden Spanien, Griechenland und auch Kroatien weiterhin gut ab – beliebte Destinationen bleiben also preislich vertretbar. Bei Fernreisen ist das Bild durchwachsener – es lohnt sich, genauer hinzuschauen.

Weniger entspannt als die Urlaubsplanung verläuft derzeit die globalpolitische Großwetterlage – allen voran in der Geldpolitik. Die US-Notenbank hat den Leitzins unverändert belassen, signalisiert aber zwei Zinssenkungen bis Jahresende. Gleichzeitig hat sie die Prognose für das Wirtschaftswachstum leicht gesenkt – und die Inflationserwartung nach oben angepasst. Fed-Präsident Jerome Powell betonte, dass mögliche Zollerhöhungen – etwa im Rahmen der von Trump geplanten Maßnahmen – die Preise zusätzlich unter Druck bringen würden. In seiner Pressekonferenz wich Powell zudem der Frage aus, ob er nach Ende seiner Amtszeit weiterhin als Fed-Vorsitzender zur Verfügung stehen werde. Die Unsicherheit steigt – nicht nur am Zinsmarkt, sondern auch in der institutionellen Kontinuität.

Spannend ist in diesem Zusammenhang auch der sogenannte Dot-Plot, der regelmäßig veröffentlicht wird. Er zeigt anonym die Zinserwartungen aller Notenbankmitglieder für die kommenden Jahre – jeweils als Punkt auf einem Chart. Und dieser aktuelle „Punkteplan“ verrät: Für die Jahre 2026 und 2027 erwarten viele Mitglieder nun weniger Zinssenkungen als noch zuvor – was auf ein hartnäckigeres Inflationsumfeld hindeutet.

Während die Fed also vorsichtig bleibt, schlägt Europa andere Töne an: Die schwedische Zentralbank hat den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 2,0 Prozent gesenkt – und stellt für das Jahresende eine weitere Lockerung in Aussicht. Auch Japan bleibt geldpolitisch zurückhaltend. Zwar bleibt der Leitzins bei 0,5 Prozent unverändert, doch die Notenbank will das Tempo der monatlichen Anleihekäufe deutlich reduzieren. Bis Anfang 2027 soll das Kaufvolumen auf zwei Billionen Yen pro Monat fallen. Die Maßnahmen zeigen: Auch die BoJ tastet sich langsam zurück – allerdings in kleinen Schritten.

Weniger behutsam agiert Donald Trump. Der US-Präsident hat für Juni massive Importzölle auf EU-Produkte in Aussicht gestellt – konkret 50 Prozent. Mittlerweile wurde zwar zurückgerudert und die neue Deadline auf 9. Juli verschoben. Ob das wirklich den Dampf vom Kessel nimmt, wage ich aber zu bezweifeln. Bloomberg rechnet jedenfalls vor, dass die Trump-Zölle die Weltwirtschaft bis 2030 um eine Billion Dollar kosten könnten – und allein in den USA bis zu 650.000 Jobs. Klingt nicht gerade nach einem hausgemachten Konjunkturprogramm, meinen Sie nicht auch?

Ein Blick nach China zeigt eine andere Form von Unsicherheit. Dort steckt der Immobiliensektor weiterhin tief in der Krise. Die Preise für Neubauten sind im Vergleich zum Vorjahr erneut gesunken, auch Verkaufszahlen und Bautätigkeit bleiben unter Druck. Zwar zeigt eine neue Umfrage leichte Erholungstendenzen – etwa einen minimalen Preisanstieg in ausgewählten Städten – doch bis zur Stabilisierung ist es noch ein weiter Weg. Das Vertrauen der Verbraucher ist erschüttert, zu tief sitzen die Erfahrungen mit halbfertigen Bauprojekten und insolventen Entwicklern.

Gleichzeitig setzt China verstärkt auf neue Wege – unter anderem mit dem digitalen Yuan, der zunehmend international etabliert werden soll. Ziel ist es, die eigene Finanzsouveränität zu stärken und sich vom dollar-dominierten System unabhängiger zu machen.

Was bleibt, ist ein Eindruck: Die Weltwirtschaft wirkt im Juni 2025 wie ein riesiges Schachbrett – mit vielen offenen Zügen, strategischen Zinsentscheidungen, geopolitischen Risiken und einem deutlich spürbaren Druck auf die globale Ordnung. Und mittendrinn sind wir, liebe Leserinnen und lieber Leser, mit unserer Reisekassa, unseren Anlageentscheidungen und der Frage: Wohin führt die Reise? Und damit meine ich sowohl die Urlaubsdestination als auch die Entwicklung an den Finanzmärkten.

Und weil wir schon beim Reisen sind: Ich wünsche uns allen einen schönen Sommer – möge die Kaufkraft für unsere Wünsche reichen, das Gepäck leicht und der Espresso stark sein.

Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH & e-fundresearch.com Gastkolumnist

Dr. Josef Obergantschnig ist anerkannter Kapitalmarktexperte, Unternehmer, Autor und ehemaliger Chief Investment Officer eines Asset Managers. In der Führungsebene der NIXDORF Kapital Unternehmensgruppe hat er seine Expertise in den Bereichen Strategie, Finanzen und Nachhaltigkeit eingebracht, um das Thema Impact-Investing weiter voranzutreiben.

Ein besonderes Anliegen war es ihm, seinen jahrzehntelangen Erfahrungsschatz nicht nur an Finanzexperten und Privatpersonen, sondern vor allem auch an junge Menschen auf unterhaltsame Weise weiterzugeben.

Keynote Speaker: www.josefobergantschnig.at

Weitere Informationen unter: www.ecobono.com / www.obergantschnig.at

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