Börsenbarometer | Der Halbzeit-Knaller: Europa bringt die Tech-Giganten ins Schwitzen!

Pünktlich zum Start in das Wochenende kommentiert e-fundresearch.com Gastkolumnist & Kapitalmarktexperte Dr. Josef Obergantschnig wöchentlich das Börsengeschehen aus erfrischend neuen Blickwinkeln. Markets | 04.07.2025 16:00 Uhr
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH / © e-fundresearch.com / Obergantschnig Management GmbH (Foto: Vicky Posch)
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH / © e-fundresearch.com / Obergantschnig Management GmbH (Foto: Vicky Posch)

Dieser Tage reicht schon der erste Espresso, um gehörig ins Schwitzen zu kommen – und glauben Sie mir: Schuld daran sind diesmal weniger die Börsen, sondern vielmehr die Temperaturen, die schon am Morgen mediterrane Höchstwerte erreichen. Während andere noch ihren Sommerurlaub planen, gönne ich mir mal einen zweiten Espresso und ziehe eine Halbjahresbilanz.

Wem gehört die Zukunft – den Unternehmen Europas oder doch den Tech-Giganten der Wall Street? Diese Frage stellen sich vermutlich viele Anleger. Während sich die Urlauber in Italien die Zehen im heißen Sand verbrennen, liefern sich die Aktienmärkte ein Kopf-an-Kopf-Rennen – mit einem überraschenden Gewinner: Europa!

Europäische Aktien haben im ersten Halbjahr ihre amerikanischen Rivalen nicht nur eingeholt, sondern regelrecht im vielzitierten Regen stehen lassen. Und als wäre das nicht genug, legt auch der Euro eine erstaunliche Rallye hin: Die Gemeinschaftswährung hat gegenüber dem US-Dollar stolze 13% zugelegt. Unweigerlich drängt sich die Frage auf: Liegt das an Europas Stärke – oder doch eher an der Schwäche der USA?

Wie kam es zu diesem Sinneswandel? Viele institutionelle Investoren schichten derzeit ihre Portfolios um: Weg von US-Staatsanleihen, hin zu europäischen Aktien und Anleihen. Der Grund ist offensichtlich – und zugleich politisch brisant. Neue US-Zölle und Steuerpläne schüren Zweifel, ob die US-Börsenrallye nicht bald ins Stocken geraten könnte. Nach den herben Verlusten im April konnten die US-Indizes nicht nur wieder aufholen, sondern haben zuletzt sogar eine Mega-Rallye hingelegt, die selbst im historischen Kontext ihresgleichen sucht: Die Marktkapitalisierung der S&P-500-Unternehmen ist um unglaubliche 10 Billionen Dollar gestiegen. Das entspricht fast dem 20-fachen BIP Österreichs oder mehr als dem doppelten Bruttoinlandsprodukt Deutschlands – immerhin Europas größte Volkswirtschaft und weltweit auf Platz drei hinter den USA und China. Klingt nach eitel Wonne? Nicht ganz – es gibt auch Schattenseiten: Die Performance hängt wieder stark an wenigen Tech-Giganten, die verstärkt ins Rampenlicht rücken. Wer hätte gedacht, dass wir schon bald den ersten 4-Billionen-Dollar-Konzern feiern? Nvidia, Apple & Co sprinten wie Olympioniken um die Goldmedaille. Wer wird das Rennen machen und das wertvollste Unternehmen der Welt?

Unweigerlich denke ich an meine eigenen Anfänge zurück. In den späten 1990ern war Apple an der Börse gerade einmal mit rund 3 Milliarden Dollar bewertet – alles andere als ein Highflyer. Die Zyniker unter uns sprachen damals gar von einem potenziellen Pleitekandidaten. Nvidia, das heute als wertvollstes Unternehmen der Welt gehandelt wird, war noch nicht einmal börsennotiert. Und Microsoft? Bereits mit 222 Milliarden Dollar ein Gigant seiner Zeit. Heute bringt es jedes dieser drei Unternehmen auf über 3 Billionen Dollar – und auf Platz vier folgt Amazon, damals noch ein braver Online-Buchhändler. Das hätte sich Jeff Bezos, der dieser Tage vermutlich mehr an seine Hochzeit in Venedig denkt, damals wohl nicht einmal in seinen kühnsten Träumen vorstellen können. 

Für mich ist Amazon eine Aktie mit bittersüßem Nachgeschmack: Sie war eine meiner ersten privaten Investments, gekauft 1998 – aber, und das bleibt mein teuerster Fehler, bereits nach wenigen Wochen mit einem „satten“ Plus von 30% wieder verkauft. Hätte ich gehalten, wären aus einem Euro heute mehr als 1.000 geworden. So viel zum Thema „Buy and Hold“. Ich glaube, ich gönne mir jetzt einen doppelten Espresso.

Vor vielen Jahren reichte für ein Investment noch ein niedriges KGV und eine solide Dividende. Heute reicht oft schon ein fantastischer Zukunftsausblick und das Zauberwort „Künstliche Intelligenz“, um Kurse in lichte Höhen zu treiben. Aber aufgepasst: Wenn die Fundamentaldaten nicht Schritt halten, droht schneller Gegenwind, als Sie „Dotcom-Blase“ sagen können. Der Spagat zwischen Hoffnung und Realität bleibt eine der schönsten Akrobatiknummern an der Börse.

Während US-Technologiewerte weiter abheben, meldet sich die Realwirtschaft mit einem Augenzwinkern: Die US-Arbeitsmarktdaten enttäuschen, offene Stellen werden rar. In Europa schwingen die Bullen das Tanzbein, doch auch hier warten Stolpersteine – hohe Bewertungen, politische Unsicherheiten und nur eine zarte Konjunkturerholung.

Für das zweite Halbjahr stellt sich für mich die spannende Frage: Bleibt die europäische Outperformance ein Sommermärchen, oder schnappt sich am Ende doch wieder das Silicon Valley den Lorbeerkranz? Seriös beantworten können wir das natürlich erst zum Jahresende. Sicher ist nur: Die nächste Überraschung kommt bestimmt. Also: Augen auf, Füße in den Sand – und genießen Sie das Spektakel. Denn die besten Börsengeschichten beginnen selten nach Plan, für mich aber immer mit einem guten Espresso.

Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH & e-fundresearch.com Gastkolumnist

Dr. Josef Obergantschnig ist anerkannter Kapitalmarktexperte, Unternehmer, Autor und ehemaliger Chief Investment Officer eines Asset Managers. In der Führungsebene der NIXDORF Kapital Unternehmensgruppe hat er seine Expertise in den Bereichen Strategie, Finanzen und Nachhaltigkeit eingebracht, um das Thema Impact-Investing weiter voranzutreiben.

Ein besonderes Anliegen war es ihm, seinen jahrzehntelangen Erfahrungsschatz nicht nur an Finanzexperten und Privatpersonen, sondern vor allem auch an junge Menschen auf unterhaltsame Weise weiterzugeben.

Keynote Speaker: www.josefobergantschnig.at

Weitere Informationen unter: www.ecobono.com / www.obergantschnig.at

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