Wenn selbst der Amazon Prime Day zur globalen Bewährungsprobe wird, weiß ich: Die Weltwirtschaft dreht sich inzwischen schneller als mein Espresso im Häferl. Kaum ist der Sommerschlussverkauf angelaufen, liefern sich Schnäppchenjäger und Konzerne ein wildes Tauziehen um den besten Deal. Zwischen Blitzangeboten und Rabattschlachten wird klar: Nicht nur wir Konsumenten schauen auf die Preise – längst sind es die großen Player, die ihre Taschenrechner heißlaufen lassen.
Heuer verzichtet Amazon lieber auf die Anzeige von Zollkosten – nach ordentlichem Gegenwind aus dem Weißen Haus. Manche Marken winken beim Prime Day gleich ganz ab, während die Kauflustigen plötzlich auf ihren Rausch verzichten. Und auch Temu, der ewige Schnäppchen-Konkurrent, gerät ins Strudeln: In den USA rauschen die Umsätze nach unten. Was früher Shopping-Paradies war, ist heute Spielfeld eines globalen Wirtschaftspokers. Selbst die hartnäckigsten Rabattjäger zögern, denn wer weiß schon, was an der Kassa noch oben draufkommt.
Gleichzeitig geraten die globalen Handelsströme in Bewegung. Neue Zölle, geopolitisches Tauziehen und eine Komplexität, wie sie die Welt selten gesehen hat – plötzlich ist alles im Fluss. Mittelgroße US-Unternehmen zahlen schon jetzt 82 Milliarden Dollar mehr im Jahr, nur um überhaupt noch mitspielen zu dürfen. Wer es sich leisten kann, flüchtet in „Foreign Trade Zones“ – Duty-Free für die ganz Großen. Rund um Flughäfen und Häfen wachsen neue Wirtschaftswelten, in denen Innovation fast zollfrei gedeiht. Ein bisschen wie James Bond trifft Duty-Free-Shop, aber eben mit Milliardenbeträgen.
Und während die Großen ihr Spielfeld neu abstecken, frage ich mich beim Blick auf unsere Nebenkostenabrechnung: Wie viel von dem ganzen Hin und Her landet am Ende wieder bei uns am Küchentisch? Man merkt es nicht sofort – aber bei jeder Anschaffung, bei jeder Rate fürs Haus, bei jedem Wochenendeinkauf steckt plötzlich ein bisschen mehr Weltpolitik drin als noch vor ein paar Jahren. Am Ende des Tages ist jedes Preisschild vermutlich ein kleiner Spiegel der Weltlage.
Doch der Wandel bleibt nicht an der Ladentür stehen. Auch der Geldadel ist auf Achse: Noch nie haben so viele Millionäre ihre Koffer gepackt und ihr Vermögen von einem Land ins nächste verschoben. Die spannendsten Gewinnerländer 2025? Die Vereinigten Arabischen Emirate, die USA – und tatsächlich Bella Italia! Italien hat es erstmals in die Top-3 der begehrtesten Millionärs-Ziele geschafft. Ob dadurch sich jetzt wirklich mehr Leute auf den Stränden von Caorle, Lignano oder Jesolo tummeln, wage ich aber zu bezweifeln. Ich würde die frisch Zugewanderten doch eher auf ihrer eigenen Yacht mit mehr Aperitivo in der Hand vor der Küste vermuten als mit heißem Sand zwischen den Zehen. Auf der anderen Seite gibt’s auch klare Verlierer: Großbritannien, China und Indien müssen die meisten vermögenden Einwohner ziehen lassen. Während das Vereinigte Königreich früher ein Magnet für Reiche war, nimmt die Millionärsmigration jetzt ordentlich Fahrt in die Gegenrichtung auf – und das ist mehr als nur eine Fußnote für die Politik.
Währenddessen werden an der Börse Rekorde gefeiert, als gäbe es kein Morgen: Nvidia, gerade erst 1999 an die Nasdaq gegangen, hat als erstes Unternehmen die magische 4-Billionen-Dollar-Marke geknackt. Damit spielt Nvidia plötzlich in einer Liga, in der nur mehr ganze Staaten wie die USA, China, Deutschland und Japan mitspielen – weltweit gibt es tatsächlich nur vier Länder, deren jährliche Wirtschaftsleistung (BIP) noch größer ist als der Börsenwert dieses Tech-Riesen. Wer hätte das gedacht? Ich jedenfalls nicht – sonst hätte ich vermutlich im Jänner 1999 meinen Schiurlaub storniert und beim Börsengang alles auf Nvidia gesetzt. Heute könnte ich vielleicht von meiner eigenen Berghütte aus genüsslich und in absoluter Ruhe meinen Espresso schlürfen.
Aber, liebe Leserinnen und liebe Leser, an der Börse gibt’s kein Rückfahrtticket und erst recht keine Glaskugel. Die spannendste Frage bleibt: Wer ist in 10, 20 oder 30 Jahren der nächste Superstar an den Finanzmärkten? Die Wahrscheinlichkeit, das heute herauszufinden, ist vernichtend gering. Insofern können wir alle beruhigt in den Sommerurlaub fahren, meinen Sie nicht auch?
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH & e-fundresearch.com Gastkolumnist
Dr. Josef Obergantschnig ist anerkannter Kapitalmarktexperte, Unternehmer, Autor und ehemaliger Chief Investment Officer eines Asset Managers. In der Führungsebene der NIXDORF Kapital Unternehmensgruppe hat er seine Expertise in den Bereichen Strategie, Finanzen und Nachhaltigkeit eingebracht, um das Thema Impact-Investing weiter voranzutreiben.
Ein besonderes Anliegen war es ihm, seinen jahrzehntelangen Erfahrungsschatz nicht nur an Finanzexperten und Privatpersonen, sondern vor allem auch an junge Menschen auf unterhaltsame Weise weiterzugeben.
Keynote Speaker: www.josefobergantschnig.at
Weitere Informationen unter: www.ecobono.com / www.obergantschnig.at
Weitere beliebte Meldungen: