Mitten in den Nationalfeiertag am 1. August veröffentlichte das Weiße Haus eine neue Liste mit Einfuhrzöllen auf Schweizer Produkte. Die angekündigten 39 Prozent gehören zu den höchsten US-Zollsätzen weltweit und sollen bereits am 7. August in Kraft treten. Für die Schweizer Regierung bleibt damit kaum Zeit, eine diplomatische Lösung zu verhandeln. Die Eskalation überrascht auch deshalb, weil eine beidseitig abgestimmte Absichtserklärung noch Anfang Juli als fast unterschriftsreif galt.
Bereits im April, am sogenannten „Liberation Day“, hatte die US-Regierung einen Zollsatz von 31 Prozent gegenüber der Schweiz angekündigt. Nun folgt der nächste Schritt in einem sich zuspitzenden bilateralen Handelskonflikt. Präsident Trump verweist auf ein angeblich „riesiges“ Handelsbilanzdefizit von rund 40 Milliarden US-Dollar.
Schlüsselindustrien geraten unter Druck
„Sollte der neue Zollsatz vollständig umgesetzt werden, steigt der gewichtete Durchschnittszoll auf Schweizer Exporte von rund 6 auf über 16 Prozent“, warnt Dr. Matthias Ramser, Chief Investment Officer bei Reichmuth & Co Privatbankiers, in einer e-fundresearch.com vorliegenden Mitteilung. Ausgenommen bleiben bislang Pharma- und Goldprodukte, was die unmittelbaren wirtschaftlichen Auswirkungen zwar dämpft, den Konflikt aber nicht entschärft.
Rund 20 Prozent der Schweizer Exporte gehen in die USA. Besonders stark betroffen wären Branchen wie Präzisionstechnik, Maschinenbau und Uhrenindustrie, die zusammen rund 30 Prozent des Exportvolumens ausmachen. „Zyklische Unternehmen mit hoher US-Abhängigkeit geraten unter Druck, vor allem kleinere und mittlere Betriebe“, sagt Ramser. Die höheren Kosten dürften nur begrenzt durch die Unternehmen selbst absorbiert werden und könnten sich in sinkender Nachfrage niederschlagen.
Pharmasektor (noch) außen vor
Auch Sophie Altermatt, Ökonomin bei Julius Bär, äußert sich in einer Pressestellungnahme gegenüber e-fundresearch.com zur Situation: Pharmazeutische Produkte – die rund 60 Prozent der Schweizer Exporte in die USA ausmachen – seien derzeit noch nicht von den neuen Maßnahmen betroffen. Eine separate Untersuchung möglicher Zölle auf Arzneimittel laufe jedoch bereits. „Die Belastung für die Gesamtwirtschaft ist damit vorerst abgemildert“, erklärt Altermatt. Gleichzeitig warnt sie: Forderungen aus Washington, große Pharmaunternehmen müssten ihre Preise senken, könnten die Position der Schweiz in möglichen Verhandlungen zusätzlich schwächen.
Langfristiger Ausblick bleibt differenziert
Trotz der kurzfristigen Belastung sehen Marktbeobachter keine flächendeckende Schwächung aller Exportunternehmen. Viele Schweizer Firmen unterhalten Produktionsstandorte in den USA oder liefern aus Drittstaaten, der neue Zollsatz greift somit nicht durchgehend. Unternehmen mit hoher technischer Spezialisierung und starken Marktstellungen könnten die neuen Hürden besser abfedern. Ramser betont: „Strukturell starke Unternehmen mit hohen Markteintrittsbarrieren dürften sich auch in einem herausfordernden Umfeld behaupten.“
Chance auf Verhandlungslösung besteht weiterhin
Ein vollständiger Bruch im Handelsverhältnis gilt weiterhin nicht als ausgemacht. Altermatt verweist auf die laufenden Gespräche zwischen Bundesrat und US-Regierung. Noch bestehe Hoffnung auf eine diplomatische Lösung in letzter Minute, zumal Präsident Trump frühere Zollentscheidungen auch kurzfristig revidiert hat. Bis zum Ablauf der Frist am 7. August dürfte der Schweizer Aktienmarkt allerdings volatil bleiben.
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