Bereits im zweiten Halbjahr 2014 waren erste Anzeichen eines Aufwärtstrends der US-Wirtschaft sowie des US-Dollars erkennbar. Zur Belebung der Wirtschaft in der Eurozone setzt die Europäische Zentralbank (EZB) auf neue Ankurbelungsmaßnahmen. In China hat sich das Wachstum auf etwa 7% abgeschwächt, nachdem es zwischen 1989 und 2014 noch bei etwa 9,1% gelegen hatte. Japan befindet sich in einer Rezession, und die Schwellenländer müssen in diesem Jahr mit einem stärkeren US-Dollar zurechtkommen. Was bedeutet all dies nun für das weltwirtschaftliche Umfeld?
Jörg Knaf, Executive Managing Director
Natixis Global Asset Management
Im Moment führen die Griechen ganz Europa an der Nase herum. Aber die Märkte scheint es nicht zu kümmern. Im Gegenteil, selbst vor einem Grexit scheut der Anleger nicht zurück. Die aktuelle Debatte zeigt klar, dass reformunwillige Länder zurückfallen werden und die Konkurrenz unter den Wirtschaftsblöcken bzw. Währungsregionen zunimmt. Die Strömung der Kapitalflüsse wird sich zugunsten der USA wenden. Anleger mit einer Allokation zu Schwellenländern – allen voran zu solchen, die von Rohstoffexporten abhängen – sollten sich warm anziehen. Es gilt daher, das Risiko bewusst zu streuen, denn der Markt hat sich zum Jahresbeginn alles andere als rational gezeigt.
David Lafferty, Chief Market Strategist
Natixis Global Asset Management
Auf den ersten Blick scheint alles auf eine schrumpfende Weltwirtschaft hinzudeuten. So steckt die Eurozone tief in einer Disinflation bzw. einer Deflation. Es gibt keine Garantie dafür, dass das neue Wertpapieraufkaufprogramm der EZB dieses Problem lösen wird. Parallel dazu verzeichnet China momentan einen Konjunkturabschwung, während der dreigleisige Ansatz der „Abenomics“ in Japan ebenfalls bisher noch keine nachhaltigen Früchte getragen hat. Ein Blick hinter die Schlagzeilen fördert jedoch eine Reihe positiver Faktoren zutage, die derzeit womöglich noch unterschätzt werden. Deshalb gehen wir davon aus, dass die Seitwärtstendenz der Weltwirtschaft demnächst zu Ende gehen wird und stattdessen ein zwar moderater, aber insgesamt ausgewogenerer Aufwärtstrend einsetzen könnte. Die auf regionaler Ebene wichtigsten Themen sind:
- Die US-Wirtschaft zieht weiter an: Angesichts der längerfristigen demografischen Entwicklungen sind die Aktivitäten am Wohnimmobilienmarkt immer noch lediglich mäßig. Gleichzeitig hat die Automobilproduktion wieder angezogen, während die Arbeitslosigkeit auf ein wieder „normaleres“ Niveau gesunken ist.
- China wächst nach wie vor: Obwohl die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt weiter an Fahrt verliert, wird sie im Jahr 2015 den Erwartungen zufolge um 7% wachsen, und auch für die nächsten Jahre geht man von einem Wachstum von deutlich über 6% aus. Damit wächst die chinesische Wirtschaft immer noch kräftig, wenn auch etwas moderater als noch in den letzten Jahren.
- Die Konjunktur in Indien nimmt Fahrt auf. Während sich die chinesische Wirtschaft leicht abschwächt, scheint Indien auf dem besten Weg zu sein, diese Wachstumslücke zu füllen. So erwartet der IWF, dass das BIP-Wachstum in Indien von derzeit rund 5% auf fast 7% ansteigen wird. Damit dürfte Indien China im Jahr 2016 wohl als die am schnellsten wachsende bedeutende Volkswirtschaft ablösen.
Gesunkene Ölpreise sind kein Signal für Deflation
Die Preisrückgänge beim Öl sind kein Anzeichen für eine Deflation. Die weltweit geringere Nachfrage ist einer der Gründe für den jüngsten Einbruch der Ölpreise. Einen wesentlich größeren Einfluss haben jedoch das langfristig gestiegene Angebot sowie der stärkere US-Dollar. Darüber hinaus profitieren die meisten Volkswirtschaften weltweit von den gesunkenen Ölpreisen, in denen der Energieverbrauch ebenso hoch ist wie die entsprechenden Importe. Preiswerteres Öl führt deshalb also zu einem wesentlich ausgewogeneren Wachstum der Weltwirtschaft. Schließlich wird das dadurch „eingesparte“ Geld dann anderweitig ausgegeben und kommt der Wirtschaft letztlich auf vielfältigere Art und Weise zugute. Obwohl Europa von den quantitativen Lockerungsmaßnahmen der EZB wohl letztlich profitieren wird, dürften das preiswertere Öl sowie der schwächere Euro noch stärker zu einer Ankurbelung des Wachstums in Europa beitragen.
Währungsscharmützel könnten Wertschwankungen auslösen
Den Ausbruch von handfesten „Währungskriegen“ halten wir zwar für unwahrscheinlich, wir gehen aber von regelmäßigen „Scharmützeln“ aus. Kurzfristig wird dies wohl zu Wertschwankungen führen, wie es auch nach der überraschenden Zinssenkung in Kanada am 21. Januar der Fall war. Auf lange Sicht trägt eine geordnete Abwertung von Währungen aber zu einer Neujustierung der lokalen Märkte bei. Deren Wettbewerbsfähigkeit steigt nämlich, weil ihre Güter dadurch dann preiswerter werden. In Ländern, deren Währungen momentan noch zu stark sind, sollte dies letztlich den dringend benötigten Inflationsdruck auslösen.
Philippe Waechter, Chief Economist
Natixis Asset Management
Im Jahr 2015 dürfte die Weltwirtschaft sehr unausgewogen wachsen. So werden Länder mit einem höheren Ölverbrauch von den gesunkenen Ölpreisen profitieren, was das Wachstum in diesen Staaten antreiben sollte. Das gilt jedoch nicht für die Schwellenländer und China.
Die aktuelle Lage in China unterscheidet sich ziemlich deutlich von jenem Szenario, mit dem wir es im ersten Jahrzehnt der 2000er Jahre zu tun hatten. Seinerzeit war China – gefolgt von den übrigen Schwellenländern – der Wachstumsmotor der Weltwirtschaft. Mittlerweile ist die Rolle Chinas jedoch eine andere. So spiegelt sich im dortigen Wachstumstrend inzwischen eine Reallokation der Ressourcen weg von einem exportbestimmten und hin zu einem eher konsumbasierten Wirtschaftsmodell wider.
Diese Übergangsphase dürfte allerdings viel Zeit in Anspruch nehmen, da die Bevölkerung und die Unternehmen in China heute andere Ziele als früher verfolgen und daher umdenken müssen. Derartige Phasen des Wandels lassen sich nur schwer steuern. Aufgrund der wirtschaftlichen Ungleichgewichte ist dies mittlerweile aber noch schwieriger geworden. Zu diesen zählen niedrige und noch weiter sinkende Immobilienpreise, eine hohe Verschuldung staatlicher Unternehmen sowie Überschusskapazitäten im produzierenden Sektor. Zudem wird China für die meisten Schwellenländer in Zukunft keine große Stütze mehr sein können, da der Handelstrend Chinas mit Blick auf das Jahr 2015 ebenso nachgelassen hat wie die chinesische Nachfrage nach Ressourcen aus rohstoffproduzierenden Ländern.
US-Konjunkturerholung zieht an
In den USA lässt sich derweil ein ganz anderer Wachstumstrend beobachten. Dort hat bereits im letzten Frühjahr eine kräftige Erholungstendenz eingesetzt. Dieses Wachstum beruht in erster Linie auf der internen Nachfrage im US-Privatsektor, also auf Konsum und Investitionen. Gleichzeitig ist die Abhängigkeit von Energieimporten dank des Ölschiefer-Booms inzwischen geringer als vorher. Das US-Wachstum profitiert demnach von seiner neuen Autonomie. Zwar beeinflusst der positive Trend in den USA nach wie vor die globale Konjunktur, ist aber nicht mehr die Triebfeder wie früher. Im Übrigen macht das US-Wirtschaftswachstum einen nachhaltigen Eindruck, da es immer noch keine Anzeichen für eine steigende Inflation gibt. Aufgrund der niedrigen Teuerungsrate sollte die US-Notenbank auch 2015 in der Lage sein, sich mit ihren Zinsanhebungen noch Zeit zu lassen.
Europa wird wettbewerbsfähiger
Der Euroraum könnte 2015 für eine große Überraschung sorgen. Ein niedrigerer Euro-Wechselkurs sollte die Wettbewerbsfähigkeit dieser Region steigern. Nachdem die EZB ihr quantitatives Lockerungspaket (QE) bzw. ihre geplanten Anleihenkäufe vorgestellt hatte, fiel der Euro gegenüber dem US-Dollar am 22. Januar auf ein Elfjahrestief. Darüber hinaus sollten die gesunkenen Ölpreise der Kaufkraft der Privathaushalte ebenso zugutekommen wie den Gewinnmargen der Unternehmen. Die sehr lockere Geldmarktpolitik der EZB dürfte das Wirtschaftswachstum im weiteren Verlauf dieses Jahres ebenfalls beflügeln.
Das neue QE-Programm der EZB, das bis September 2016 den Aufkauf von Anleihen im Wert von 60 Mrd. Euro pro Monat vorsieht, zielt darauf ab, der Konjunktur einen kräftigen und nachhaltigen Schub zu geben. Derweil werden die Zinsen wohl noch längere Zeit niedrig bleiben, während die EZB auch weiterhin als „letzte Gläubigerinstanz“ fungieren wird und deshalb ausreichend Liquidität zur Verfügung stehen sollte. Diese Maßnahmen sind wirksame Instrumente zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung. Zwar bedarf es offensichtlich auch noch struktureller Reformen zur Senkung der Staatsverschuldung, doch diese müssen vorerst warten. Was Großbritannien betrifft, so scheint die Wirtschaft dieses Landes ihre zwar schleppende, aber sich verbessernde Erholungstendenz auch im Jahr 2015 fortzusetzen.
Alternde Bevölkerung für japanische Wirtschaft problematisch
In Japan, der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt, bleibt das Wachstumsumfeld sehr schwierig. Die Erholungstendenz aus dem Jahr 2013 geriet 2014, als die Umsatzsteuer angehoben wurde, ins Stocken. Und wie die Maßnahmen der so- genannten „Abenomics“ von Premierminister Shinzo Abe – zu denen ja auch eine bereits jetzt sehr lockere Geldmarktpolitik zählt – die Wirtschaft wieder auf den Erholungspfad zurückführen können, erschließt sich mir nicht. Das größte Problem für das japanische Wachstum ist die immer älter werdende Bevölkerung dieses Landes. Die Erwerbsbevölkerung schrumpft, während die Zahl der Rentnerinnen und Rentner gleichzeitig rasant ansteigt. Dieses wirtschaftliche Problem kann jedoch nicht allein durch eine kurzfristige Anpassung der Geldmarkt- und Fiskalpolitik gelöst werden.
James Balfour, Global Macro Economist
Loomis, Sayles & Company
Die Weltwirtschaft dürfte im Laufe dieses Jahres moderat anziehen. Die gesunkenen Ölpreise werden das Wachstum zwar insgesamt beflügeln, doch der Aufwärtstrend beim globalen Wachstum dürfte sehr uneinheitlich verlaufen. Das diesjährige Investmentumfeld wird sich verändern, da die US-Notenbank weiterhin auf eine Normalisierung des Zinsniveaus zusteuert, nachdem sie die Kreditkosten fast sieben Jahre lang bei nahezu 0% behalten hat. Der Wachstumstrend könnte sich zugunsten der etablierten Volkswirtschaften entwickeln. Bei den Schwellenländern sind wir in diesem Kontext skeptischer.
Ich beobachte die Kreditzyklen weltweit und halte es für sinnvoll, die Welt in eine „Kreditnehmerseite“ und eine „Sparerseite“ zu unterteilen. Jene Staaten, die infolge der globalen Finanzkrise am stärksten in Mitleidenschaft gezogen wurden, wie die USA, Großbritannien und die meisten europäischen Länder, hatten sich im Vorfeld der Krise massiv verschuldet. Nach der Krise hielten die Notenbanken dieser Staaten die Zinsen dann auf Rekordtiefs, und der Privatsektor nutzte die niedrigen Kreditkosten. Im Gegensatz dazu erhielten jene Länder, die während der Krise dem Schlimmsten aus dem Weg gegangen waren, Zugang zu billigem Geld und haben seit der Krise deshalb mehr Kredite aufgenommen. Diese übermäßige Verschuldung hat inzwischen aber größtenteils ihren Zenit erreicht. So versuchen Staaten wie China, die Türkei und Brasilien mittlerweile, ihre Volkswirtschaften wieder mit weniger Fremdkapital zu steuern, weil die hohe Verschuldung ein effizientes Wachstum verhindert.
Der jüngste Einbruch der Öl- und Rohstoffpreise hängt aus unserer Sicht mit diesem Wachstumszenit in den Schwellenländer-Volkswirtschaften zusammen und könnte dazu führen, dass sich die Rotation zugunsten der Industrienationen noch beschleunigt. Sicherlich profitieren auch einige Schwellenländer von diesem Preisverfall. Dazu zählen die meisten asiatischen Schwellenländer, einige Staaten Osteuropas, Südafrika und die Türkei. Doch viele andere Staaten werden mit den Folgen einer zu schnellen Kreditaufnahme zu kämpfen haben.
Ein weltweit größtenteils nachlassender Inflationsdruck belastet vor allem Europa momentan stark. Die Deflationsgefahr hat das Fass in Europa zum Überlaufen gebracht und die EZB dazu veranlasst, jetzt ihr umfassendes quantitatives Lockerungsprogramm durchzuführen. Deshalb wird die Nachfrage nach Anleihen hoch bleiben, während die Renditen europäischer Anleihen niedrig bleiben dürften. Dies könnte schließlich auch die Renditen in den USA sowie anderswo belasten.