KI: Blase und Goldlöckchen-Szenario

Nur 5% der generativen KI-Projekte liefern laut MIT akzeptable Rendite. Nvidia verliert an Glanz, US-Sanktionen belasten den Markt. Pierre Pincemaille von DNCA Investments, warnt vor „irrationalem Überschwang“ und rät zu breiter Diversifikation. Natixis Investment Managers | 07.10.2025 07:46 Uhr
Pierre Pincemaille, Portfoliomanager, DNCA Investments / © e-fundresearch.com / DNCA Invest
Pierre Pincemaille, Portfoliomanager, DNCA Investments / © e-fundresearch.com / DNCA Invest

Das Wort fiel aus dem Mund von Sam Altman persönlich. Der Mitgründer von OpenAI erklärte: „Wenn Blasen entstehen, neigen kluge Menschen dazu, sich übermäßig für einen wahren Kern zu begeistern. Erleben wir gerade einen Moment, in dem Investoren kollektiv überdreht auf KI reagieren? Ich denke, ja.“ Ähnlich wie zu Zeiten von Alan Greenspan scheint sich damit eine neue Phase „irrationaler Überschwänglichkeit“ abzuzeichnen. Und als wäre das nicht genug, hat das renommierte Massachusetts Institute of Technology eine Studie veröffentlicht, deren Ergebnisse ernüchternd ausfallen: Lediglich 5% der unternehmensbezogenen Pilotprojekte im Bereich generativer KI erzielen eine akzeptable Kapitalrendite – der Rest erweist sich als Fehlinvestition. Auch die Ergebnisse von Nvidia, Aushängeschild der Branche und mittlerweile wertvollstes Unternehmen der Welt, können Investoren nicht mehr beeindrucken. Die regelmäßigen, teils spektakulären Ergebnisüberraschungen im Vergleich zu den Analystenschätzungen scheinen vorerst vorbei zu sein. Kurz gesagt: Der Bogen ist überspannt.

US-Sanktionen verschieben die Gewichte

Im Zentrum der aktuellen Unsicherheit stehen die Verkäufe von Nvidia nach China. Diese wurden im April ausgesetzt, als die Handelsgespräche zwischen Washington und Peking begannen. Kürzlich kündigte die US-Regierung zudem an, dass auf künftige Exporte in das Reich der Mitte eine Abgabe von 15% erhoben wird – verbunden mit der Einführung eines speziell beschnittenen Chips (RTX Pro 6000D) als Ersatz für das Modell H20. Die chinesische Cybersicherheitsbehörde reagierte prompt und empfahl heimischen Tech-Unternehmen, auf lokale Anbieter auszuweichen. Begründung: Sicherheitsbedenken und anhaltende Unsicherheit über Exportbeschränkungen.

Einer der großen Profiteure dieser Entwicklung ist der chinesische Chipentwickler Cambricon. Von einigen bereits als das „chinesische Nvidia“ bezeichnet, kann sich auch die Börsenentwicklung des Unternehmens sehen lassen. Laut Bloomberg sollen die Umsätze 2025 von 1,2 Milliarden Yuan auf 6,8 Milliarden steigen – eine Versechsfachung. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs: Die chinesische Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, die eigene KI-Industrie massiv zu fördern. So meldete etwa T-Head, die KI-Sparte von Alibaba, die Entwicklung eines neuen Prozessors auf dem Leistungsniveau des H20 – flankiert von geplanten Investitionen in Höhe von 53 Milliarden US-Dollar. Es entstehen zwei voneinander getrennte Ökosysteme, die sich in ihren Ankündigungen zu Investitionen (Capex) regelrecht überbieten.

Zwischen Hype, Umsatz und Ernüchterung

Während die Bewertungen börsennotierter KI-Unternehmen nach guten Zahlen von Broadcom und Oracle sowie durch das Nvidia-OpenAI-Abkommen1 erneut anzogen – manche sprechen von einer zirkulären Struktur dieses Deals –, hatte der Launch von ChatGPT-5 in anderen Bereichen deflationäre Nebenwirkungen. Medienunternehmen und Softwareanbieter hinken der Marktentwicklung seit August deutlich hinterher. Sam Altman begründet dies mit der Aussage, die neue Version seines Sprachmodells sei „bereits intelligenter als Fachexperten in allen Bereichen“. Ein erstes konkretes Beispiel: Die jüngste Werbekampagne von Palo Alto Networks wurde in nur einer Woche und zu minimalen Kosten komplett mit Hilfe von KI umgesetzt.

Besonders stark zeigt sich die Überhitzung der Bewertungen im privaten Teil des Marktes. Sollte es tatsächlich eine Blase geben, ist sie womöglich hier zu verorten: OpenAI, Ursprung des Hypes um generative KI, weist inzwischen eine implizite Bewertung von 500 Milliarden US-Dollar auf – bei Umsätzen von 4,3 Milliarden im ersten Halbjahr (plus 16% gegenüber Vorjahr) und ohne Aussicht auf Gewinne vor 2029, wie The Information berichtet. Auch Databricks, eine auf KI-basierte Daten- und Analyseplattform, reiht sich ein: Nach der jüngsten Finanzierungsrunde im August wird das Unternehmen mit über 100 Milliarden US-Dollar bewertet – bei erwarteten Jahresumsätzen von 4 Milliarden.

Arbeitsmarkt unter Druck

Auf gesamtwirtschaftlicher Ebene rückt der Einfluss der neuen Technologie auf den Arbeitsmarkt zunehmend in den Fokus. Goldman Sachs erwartet zwar signifikante Produktivitätsgewinne, sobald die Technologie breit eingesetzt wird. Gleichzeitig verzeichnet die Bank jedoch in bestimmten Bereichen wie Call-Center, Marketingberatung oder Grafikdesign bereits Einstellungsstopps. Eine aktuelle Studie der Universität Stanford bestätigt dies: Seit dem Aufkommen generativer KI ist die Zahl der Berufseinsteiger in von Automatisierung bedrohten Branchen relativ um 13% gesunken. Dieser Trend verdient besondere Aufmerksamkeit – insbesondere vor dem Hintergrund eines insgesamt schwächer werdenden Arbeitsmarkts.

Viel Kapital, wenig Klarheit

Mit einem für Technologiemärkte typischen Verhalten – „make money first, make sense later“ – drängt sich die Frage auf, ob sich die Investitionen in KI-Infrastruktur tatsächlich auszahlen werden. Wird die Nachfrage nach Modelltraining, Inferenz und darauf aufbauender Software groß genug sein, um die aktuelle Investitionswelle zu rechtfertigen? Eine belastbare Antwort gibt es nicht – zu neu sind die Anwendungen. Ein Frühindikator könnte allerdings der Kreditmarkt sein: Der Spread des CITE-Index, der US-Techunternehmen abbildet, liegt aktuell auf dem tiefsten Stand seit 18 Jahren. Das könnte sich als Signalgeber erweisen – wie ein Kanarienvogel in der Kohlemine.

Diversifikation bleibt oberstes Gebot

Die Investitionsentscheidungen der sogenannten Hyperscaler2 – sie generieren inzwischen 25% ihres Umsatzes und 70% ihres Cashflows aus dem KI-Geschäft – sind vor allem als strategische Risikoabsicherung zu verstehen: Keine dieser Firmen will einen potenziell disruptiven Technologiesprung verpassen. Doch angesichts historisch hoher Marktkonzentration3 und extrem einheitlicher Positionierung4 sollte das gute alte Prinzip der Diversifikation wieder stärker in den Vordergrund rücken. Und zwar in geografischer, sektoraler, stilistischer und kapitalisierungsbezogener Hinsicht – mit dem alleinigen Ziel, das Risiko-Rendite-Profil der Portfolios zu verbessern. Auch wenn man sich dadurch den Vorwurf einhandeln könnte, ein Technikskeptiker zu sein.

Von Pierre Pincemaille, DNCA Investments, Teil von Natixis Investment Managers

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