Curt Overway, CFA
Präsident, Portfoliomanager
Managed Portfolio Advisors
Welche Folgen hat die geplante Steuerreform für die Portfolios von Anlegern? Diese Frage lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt zwar nur schwer beantworten, aber einige Aspekte sind bereits absehbar.
Zunächst einmal muss man sich vor Augen führen, dass es sich dabei lediglich um einen ersten Reformentwurf handelt. Obwohl man sich bemüht hat, diesen Prozess etwas transparenter zu gestalten als frühere Gesetzesvorhaben, die dann ja auch letztlich gescheitert sind, muss auch dieser Vorschlag zunächst noch erhebliche Hürden überwinden. So gibt es bereits massiven Widerstand gegen die Abschaffung staatlicher und kommunaler Steuernachlässe. Dadurch wird es noch schwerer werden, ein Reformpaket mit „erträglichen“ Auswirkungen auf das Haushaltsdefizit zu schnüren. Außerdem muss sich der Kongress erst noch mit vielen schwierigen Themen auseinandersetzen. Aus diesem Grund herrscht nach wie vor große Unsicherheit, wie eine Steuerreform letzlich aussehen könnte und ob sie dann auch vom Kongress verabschiedet wird.
Veränderungen bei der individuellen Besteuerung
Ein entscheidender Aspekt des Reformentwurfs sieht eine Reduzierung von bisher sieben auf dann nur noch drei Steuerklassen mit Steuersätzen von 12%, 25% und 35% vor. Dadurch würde der Steuersatz für Top-Verdiener von derzeit 39,6% auf 35% sinken. Allerdings enthält der Entwurf auch die Möglichkeit, eine vierte Steuerklasse für Bürger mit hohem Einkommen einzurichten. Falls diese Veränderung tatsächlich umgesetzt werden sollte, würden die Steuern auf kurzfristige Kapitalgewinne, Zinserträge und nicht-qualifizierte Dividenden für Anleger mit der höchsten Steuerklasse leicht sinken. Die Steuersätze für Kapitalgewinne und qualifizierte Dividenden sind in diesem ersten Entwurf gar nicht besonders erwähnt worden. Deshalb gehen wir aktuell davon aus, dass sich diese auch nicht ändern werden. Mit einem geringeren Steuersatz von 35% hätte diese Reform wohl nur sehr moderate Auswirkungen auf die meisten Investmentportfolios.
Kaum Veränderungen auf Portfolioebene
Bei index-orientierten Aktienportfolios, bei denen sich die Steuerpflicht überwiegend auf langfristige Kapitalgewinne und qualifizierte Dividenden bezieht, würde sich im Hinblick auf die Nachsteuererträge der Investoren wahrscheinlich ebenfalls nur wenig ändern.
Aktiv gemanagte Aktienportfolios weisen in der Regel eine höhere Umschichtungshäufigkeit auf, so dass derartige Portfolios wahrscheinlich wenigstens teilweise kurzfristige Kapitalgewinne erzielen. Aus diesem Grund könnte man annehmen, dass in solchen Portfolios investierte Anleger von einer etwas niedrigeren Steuerbelastung stärker profitieren würden. Unsere Analysen, bei denen wir die neuen Steuersätze rückwirkend auf die jüngste Performance breit gestreuter, aktiv gemanagter Aktienportfolios umgerechnet haben, sprechen jedoch dafür, dass die Folgen der Steuerreform auch bei diesen Portfolios vermutlich lediglich minimal sein werden. So haben unsere Berechnungen ergeben, dass die Berücksichtigung eines niedrigeren Einkommensteuersatzes von 35% statt der bisherigen 39,6% praktisch keinen Effekt auf die Nachsteuererträge dieser Portfolios gehabt hätte.
Die lediglich begrenzten Auswirkungen dieser Modifikation des Steuersystems auf die Nachsteuererträge von Investments sind darauf zurückzuführen, dass erstens die Steuersätze nur vergleichsweise moderat verändert werden und zweitens die Erträge von Aktienportfolios zum Großteil auf einem (vorrangig langfristigen) Kapitalzuwachs sowie auf qualifizierten Dividendenausschüttungen basieren. Und da eine Änderung der Steuersätze für Kapitalgewinne oder qualifizierte Dividenden zum jetzigen Zeitpunkt nicht zur Debatte steht, werden diese Ertragskomponenten auch kaum beeinflusst.
Bei Investments, deren Erträge in höherem Maße von Zinserträgen bestimmt werden könnte zwar ein größerer Teil der Erträge dem reduzierten Steuersatz unterliegen, doch da die Zinsen momentan sehr niedrig sind, dürfte dieser Effekt ebenfalls lediglich minimal ausfallen.
Abschaffung der meisten Steuernachlässe
Darüber hinaus sieht das Konzept auch einen Wegfall der meisten Steuernachlässe vor. Diese sollen zukünftig nur noch für Hypothekenzinsen und Spenden gelten. Momentan könnten einige Investoren gewisse Investmentmanagementgebühren steuerlich geltend machen, sofern sie die entsprechenden Abzüge einzeln ausweisen können. Diese Möglichkeit würde im Rahmen des Reformentwurfs wegfallen. Allerdings dürfte dies für die meisten Anleger keine gravierenden Konsequenzen haben, weil diese Gebühren nur dann steuerlich absetzbar sind, wenn sie zusammen mit sonstigen Abzügen mehr als 2% des bereinigten Bruttoeinkommens betragen. Was die steuerliche Abgrenzung von Rücklagen für die Altersvorsorge betrifft, so soll diese zwar vorerst erhalten bleiben, abschließend diskutiert ist dieses Thema aber noch nicht. Im Zuge der Steuerreform würde auch die Absetzbarkeit staatlicher und kommunaler Steuern und Abgaben wegfallen. In der Folge könnten die effektiven Grundsteuersätze einiger Steuerzahler aus Bundesstaaten mit hohen Steuersätzen letztlich ansteigen.
Wie lautet das Fazit?
Die Steuersätze werden die Investmenterträge auch in Zukunft erheblich belasten – übrigens oftmals deutlicher als die Gebühren. Obwohl die Steuerlast etwas sinken könnte, dürfte dies aber keinen nennenswerten Effekt haben. Deshalb wird es für Anleger und deren Finanzberater auch zukünftig von entscheidender Bedeutung sein, die steuerlichen Auswirkungen ihrer Investmententscheidungen zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund werden Anlagestrategien und -methoden, die dazu beitragen, die steuerliche Belastung zu verringern, nach wie vor einen großen Mehrwert bieten.
David Lafferty, CFA
Chef-Marktstratege
Natixis Global Asset Management
Seit der Wahl von Präsident Trump im November letzten Jahres haben sich die Märkte immer wieder mit der Möglichkeit einer umfassenden Steuerreform beschäftigt. Da sowohl beide Kammern des US-Kongresses als auch die Exekutive von den Republikanern dominiert werden, hatte der US-Aktienmarkt zwischen dem Wahlabend und Februar zunächst ebenso kräftig zugelegt wie die US-Zinsen und der US-Dollar. Da innerhalb der „Großen Alten Partei“ in der Folge jedoch über jedes Thema – vom Gesundheitswesen bis hin zur Einwanderungspolitik – Streit entbrannte, gingen die Zinsen schließlich wieder zurück und auch der US-Dollar wertete ab.
Trotz alldem haben die Aktienmärkte weltweit dank besserer Wirtschaftsdaten weiter ansteigen können. Ende September legten die Republikaner dann ihr sehnlich erwartetes „Konzept“ für eine Steuerreform vor, die weniger Einkommenssteuerklassen sowie eine deutliche Reduzierung der Unternehmensbesteuerung vorsieht – und die im Wesentlichen durch eine Verringerung bzw. Abschaffung individueller Steuernachlässe finanziert werden soll. Dies gab den Märkten einen neuerlichen Schub, der an die ersten Tage nach der Wahl im letzten November erinnerte.
Problem: 1 Bio. US-Dollar mehr Schulden
Unserer Meinung nach beurteilen die Märkte den Handlungsspielraum auf steuerlicher Ebene ein wenig naiv. Die meisten Investoren weltweit gehen fälschlicherweise davon aus, dass die so allgegenwärtige Mehrheit der Republikaner in Washington dazu geführt hat, dass die Phase des parlamentarischen Stillstands überwunden worden ist. Angesichts der tiefen Spaltung der republikanischen Partei ist jedoch fraglich, was überhaupt erreicht werden kann, wenn sich die vielen Lager innerhalb der Partei über teilweise belanglose Details streiten. Obwohl die meisten führenden Republikaner für Steuersenkungen plädieren, werden sie auf heftigen Widerstand einer immer größer werdenden Fraktion stoßen, die sich für Haushaltsdisziplin stark macht und einer Steuerreform, die einen Anstieg des Haushaltsdefizits nach sich zieht, wohl kaum zustimmen wird. Derzeit erwartet man nämlich, dass die geplante Steuerreform das Defizit auf Sicht von 10 Jahren um 1 Bio. US-Dollar nach oben treiben wird. Und selbst diese Rechnung ist noch optimistisch, geht sie doch aufgrund des Wegfalls der sogenannten „SALT“-Nachlässe bei staatlichen und kommunalen Steuern und Abgaben gleichzeitig von Mehreinnahmen in Höhe von 1 Bio. US-Dollar aus. Deshalb dürfte dieser Reformentwurf für die mehr als 20 republikanisch geführten Bundesstaaten mit hohem Steuerniveau (wie etwa Kalifornien, New York und New Jersey) von Anfang an zum Scheitern verurteilt sein. Angesichts einer hauchdünnen Mehrheit im Senat – und ohne Unterstützung von den Demokraten – muss eine wirklich grundlegende Steuerreform aber auch all diesen Gruppen innerhalb der republikanischen Partei zusagen. Der aktuelle Entwurf soll zwar lediglich eine Ausgangsbasis für Verhandlungen sein, erfüllt aber auch diese Anforderung so gut wie gar nicht. Aktuell sind diese steuerlichen Berechnungen nämlich noch nicht mit der politischen Realität abgestimmt: Denn man kann nicht gleichzeitig die Steuern senken, die Defizite konstant halten und liebgewonnene Steuernachlässe erhalten.
Drei Szenarios für eine mögliche Steuerreform
Aktuell halten wir drei Szenarios für denkbar: Zum einen ein vollständiges Scheitern der Steuerreform ohne wirklich grundlegende gesetzliche Änderungen – im Sinne von „abschaffen und ersetzen“ (45%). Zweitens eine lediglich marginale Steuerreform im Jahr 2018, die nur eine moderate Senkung der Steuersätze (sowohl der Einkommensteuer als auch der Unternehmensbesteuerung) und einige wenige ausgleichende Einnahmen mit sich bringt (45%). Und drittens eine enorm heftige Steuersenkung, die das Haushaltsdefizit in die Höhe treibt und von den Verfechtern der Haushaltsdisziplin letztlich hingenommen wird – aus Angst, mit Blick auf die anstehenden Zwischenwahlen als Querulanten zu gelten (10%). Mit Blick auf meine Einschätzung der Wahrscheinlichkeit der jeweiligen Szenarios wären Aktienanleger gut beraten, lieber auf die allmählich wieder anziehende Weltwirtschaft zu setzen als auf die Hoffnungen auf umfangreiche keynesianische Steuergeschenke.
Christopher Wallis, CFA
CEO, CIO, Portfoliomanager
Vaughan Nelson Investment Management
Angesichts der geplanten Steuerreform der Trump-Administration war am Markt für US-Small Cap-Aktien auf Basis des Russell 2000-Index im III. Quartal eine kräftige Kursrallye zu beobachten. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass am Markt in diesem Zusammenhang offenbar ein falscher Eindruck entstanden ist.
Meiner Meinung nach gehen viele Anleger augenscheinlich davon aus, dass sich eine Steuerreform unverhältnismäßig positiv auf US-Small Cap-Titel auswirken wird. Diese Einschätzung könnte sich aber aus mehreren Gründen als falsch erweisen. Zunächst einmal wird ein hoher Prozentsatz der im Russell 2000-Index vertretenen Aktien durch eine Senkung der Steuersätze nicht beeinflusst werden.
- Rund 30% der im Russell 2000-Index vertretenen Unternehmen verdienen momentan schlicht und einfach kein Geld. Sie weisen keine positiven Gewinne aus. Deshalb dürfte ein geringerer Prozentsatz von „Nichts“ aus steuerlicher Sicht auch keinen großen Unterschied ausmachen.
- Der Russell 2000-Index setzt sich zu rund 12% aus Immobilienfonds (REITs) und Versorgertiteln zusammen. REITs werden als „Durchlaufgesellschaften“ betrachtet und zahlen deshalb keine Steuern.
- Versorger und zwar insbesondere staatlich regulierte, profitieren im aktuellen Steuersystem bereits von Vergünstigungen, so dass kaum noch Spielraum für weitere Verbesserungen besteht.
Falls also wirklich Steuersenkungen umgesetzt werden sollten, würde der Umstand, dass Zinszahlungen nicht mehr steuerlich absetzbar sind, dazu führen, dass die Kapitalkosten steigen. Dadurch jedoch könnten die Kurs-/Gewinnverhältnisse vieler Small Cap-Werte beeinträchtigt werden. Außerdem könnte dadurch auch die Attraktivität kleinerer Firmen als potenzielle Übernahmekandidaten in Mitleidenschaft gezogen werden.
Gemischte Gefühle bei marktbreiten Unternehmen
Was marktbreite US-Firmen betrifft, so gehe ich davon aus, dass die Steuerreform uneinheitliche Auswirkungen haben würde, da die zahlungswirksame Ertragsbesteuerung bei einigen Unternehmen insgesamt sogar ansteigen könnte.
Die geplante Steuerreform dürfte Unternehmen ferner einen Anreiz bieten, im Ausland erwirtschaftete Gewinne in die USA zurückzuführen. Die unmittelbaren Auswirkungen des US-Dollar-Wechselkurses wären dabei dann allerdings wahrscheinlich lediglich minimal. Der Grund dafür ist der Umstand, dass ausländische Tochtergesellschaften amerikanischer Firmen momentan bereits viel Liquidität in US-Dollar vorhalten. Deshalb rechne ich nicht damit, dass ein solcher Rückführungstrend in seiner Gesamtheit nennenswerte Auswirkungen haben wird.
Angesichts eines solchen Umfelds kann ein aktiv agierender Manager meiner Meinung nach einen Mehrwert bieten, indem er den Markt durchkämmt, um auf diese Weise jene Aktien zu meiden, die durch eine Verknappung der Liquidität oder durch einen Anstieg der Zinsen in Mitleidenschaft gezogen werden könnten.