Der teilweise Stillstand der US-Verwaltung – der sogenannte „Shutdown“ – war in der Geschichte des Landes eine Premiere: Erstmals ist dieser Zustand eingetreten, obwohl ein und dieselbe Partei sowohl den Präsidenten stellt als auch die Mehrheit im Kongress hält. Während der Präsidentschaft von Barack Obama im Jahr 2013 war das etwas anders, weil die Demokraten damals nicht die Mehrheit im Kongress hatten. Und schaut man noch weiter zurück, dann hatte Präsident Jimmy Carter zwar bereits Ende der 1970er Jahre Probleme, seinen Staatshaushalt zu finanzieren – und zwar trotz der Mehrheit seiner Demokraten – allerdings kam es seinerzeit nicht zu einem Shutdown.
Dass es Präsident Trump und dem Kongress nicht gelungen ist, sich auf eine gemeinsame Lösung zu verständigen, ist für das erste Jahr der republikanischen Regierung kennzeichnend. Die Machtverhältnisse zwischen den beiden Institutionen sorgen für ein unglaubliches Maß an Ineffizienz. Aktueller Streitpunkt ist das „Deferred Action for Childhood Arrivals“-Programm für illegale Einwanderer, die bereits als Minderjährige in die USA gekommen sind. Es zeigt sich, dass Trump zwar ein Gesetz befürwortet, das diesen Menschen letztlich den Verbleib in den USA ermöglicht, aber die Republikaner sind mit einem Gesetz, das teilweise auch von den Demokraten gebilligt wird, nicht glücklich. Dabei handelt es sich um Machtkämpfe und nicht um eine konstruktive politische Zusammenarbeit zwischen Präsident und Kongress.
Diese zerrüttete Situation ließ sich bereits während der Versuche, „Obamacare“ abzuschaffen, beobachten, denn bereits damals lehnte der Kongress Trumps Vorschläge ab. Wegen der Abstimmung über das Gesetz zur Steuerreform ist kaum Notiz davon genommen worden, dass die Aufnahmebedingungen für „Obamacare“ verschärft worden sind. Dadurch haben 13 Millionen Amerikaner nun endgültig keinen Zugang mehr zum Gesundheitssystem. Zwar existiert das Gesundheitsprogramm des ehemaligen Präsidenten nach wie vor – aber mit nunmehr strengeren Zugangsbestimmungen. Darunter leiden vor allem die ärmsten Bevölkerungsschichten. Abgesehen von diesem teilweisen und vorübergehenden Shutdown möchte ich nachfolgend gerne einige allgemeinere Anmerkungen zum ersten Jahr der Trump-Administration machen.
Da wären zunächst die radikalen Veränderungen in der Kommunikation. US-Wirtschafts- und Gesellschaftsexperten verfolgen die Tweets aus dem Weißen Haus ebenso wie viele andere mittlerweile mit großer Aufmerksamkeit. Schließlich könnten diese Kurznachrichten ja Informationen über neue wirtschaftspolitische Strategien, die US-Diplomatie sowie eine Reihe anderer Themen enthalten.
Die zweite große Veränderung betrifft die neue, weniger auf Kooperation bedachte Auslandspolitik, die in Washington betrieben wird. Das betrifft auch verbündete bzw. befreundete Staaten wie Mexiko, Japan, Großbritannien und sogar Deutschland. Dadurch werden die internationalen Beziehungen erschwert, da mit Amerika nicht nur die tragende Säule weggefallen ist, um die sich andere Länder bisher scharen konnten, sondern weil die USA sogar nicht einmal mehr versuchen, mit ihren gewohnten Partnern gemeinsame Sache zu machen. Daraus ergibt sich in der westlichen Welt ein bisher noch recht unklares, neues Gleichgewicht. Für Europa kann dies eine Chance sein, eine neue Rolle für sich zu finden und diese zu besetzen – aber nun ist es an den Europäern, diese Chance auch zu ergreifen. Darüber hinaus hat die Strategie der Trump-Administration zwar verhaltene, aber durchaus konkrete Spannungen im Verhältnis zu China zur Folge. Dieser Argwohn spiegelt sich auch in einem Bericht vom letzten Freitag wider, in dem Zweifel geäußert wurden, ob die Aufnahme Chinas in die Welthandelsorganisation (WTO) im Dezember 2001 wirklich klug war. Diese Spannungen konterte China, indem man den Kauf von US-Staatsanleihen in den nächsten Monaten drosseln möchte. In der Folge wertete der US-Dollar kürzlich ab, während die Renditen 10-jähriger US-Anleihen nach oben kletterten. Die Beziehungen zwischen China und den USA werden im Jahr 2018 im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, weil sie den Trend beim Weltwirtschaftswachstum gefährden und den derzeit robusten Welthandel belasten könnten. Das wäre eine Katastrophe. Trumps Wirtschaftsmodell ist ein Nullsummenspiel: die USA profitieren auf Kosten anderer Länder. Diese Entwicklung muss umgekehrt werden. Es ist genau diese Strategie, die Donald Trump unter Druck setzt, Arbeitsplätze aus dem produzierenden Gewerbe wieder in die USA zurückzuholen.
Und es ist auch eben dieser Ansatz, der die Argumente für die jüngste Steuerreform liefert: Die Steuern, die Firmen wie Apple dann in den USA zahlen, werden anderen Staaten fehlen. Dadurch werden andere Volkswirtschaften geschwächt werden, und zwar insbesondere in Europa. Schließlich gibt es für diese Großkonzerne keinen Ersatz, so dass letztlich alle europäischen Bürger die Folgen zu spüren bekommen werden.
In der US-Politik herrscht ein gewisses Durcheinander. Zwar mehren sich einerseits die Stimmen, die mehr nationale Identität etwa bei der Einwanderungspolitik (« Dreamern ») und Moral etwa seitens der Abtreibungsgegner fordern. Andererseits hat man offenbar keine moralischen Bedenken, wenn Besserverdiener gegenüber Geringverdienern bevorzugt werden. Es gibt also keinen Grund zu der Annahme, dass sich im Jahr 2018 an diesem ungewöhnlichen Modus Operandi etwas ändern wird. Allerdings sollten wir im Zusammenhang mit den Beziehungen der USA zum Rest der Welt auf weitere Überraschungen gefasst sein.
Der andere Aspekt, auf den ich eingehen möchte, sind die hohen Ölpreise, die derzeit bei 70 US-Dollar pro Barrel liegen. Die Preise sind momentan wesentlich höher als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Sie wären auch systemisch betrachtet höher als im Jahr 2017, falls sie auf diesem Niveau verharren würden. Dadurch würde die Inflation nämlich nach oben getrieben werden. Außerdem wird der Anteil der Energiekomponente am Inflationskorb im Frühjahr von derzeit 0,3% vermutlich auf rund 0,4% bis 0,6% ansteigen.
Beflügelt werden die Ölpreise hauptsächlich durch die robuste Nachfrage. Als das Angebot in den Jahren 2015 und 2016 hoch war, gerieten die Preise unter einen Abwärtsdruck, da die Nachfrage seinerzeit nicht besonders hoch war. Die Lagerbestände wuchsen, und ein entsprechendes Abkommen zwischen Saudi-Arabien und anderen Ölförderstaaten zeigte keine Wirkung. In einer solchen Phase, die durch niedrige Einnahmen geprägt ist, versucht jeder Produzent, noch ein bisschen mehr zu produzieren, um auf diese Weise seine Einnahmen zu steigern. Dadurch aber werden die Preise im Zaum gehalten.
Steigt die Nachfrage jedoch an, verbessern sich auch die Ertragserwartungen. Deshalb ist die Versuchung, zu „tricksen“ oder die Fördermenge zu erhöhen, entsprechend geringer. Dies gilt auch für die Ölschiefer-Förderung in den USA, die bei attraktiven Preisen nicht besonders stark ansteigt. Dadurch jedoch bleiben die Preise hoch, während die Lagerbestände abgebaut werden, um die Nachfrage zu decken.
In der aktuell regeren Nachfrage spiegeln sich auch die wieder besseren Konjunkturaussichten wider, so dass die Nachfrage wohl noch eine ganze Weile hoch bleiben dürfte. Aus diesem Grund gilt es, ein neues Gleichgewicht zu finden, da ein Preisniveau von 50 US-Dollar pro Barrel inzwischen nicht mehr realistisch erscheint. Sagen wir also: 70 US-Dollar.
Philippe Waechter, Chefvolkswirt, Natixis Asset Management