Die jüngste Aufholjagd der europäischen Aktienmärkte wirft für das zweite Halbjahr Fragen zur Allokation innerhalb der Assetklasse Aktien auf. Und zwar unter dem Gesichtspunkt der Faktoren Größe, Stile und Regionen.
Das Phänomen der Konzentration ist in den Vereinigten Staaten aufgrund der Dominanz von Technologiewerten bekannt. Von DeepSeek und Liberation Day hat sich der Sektor schnell erholt und macht jetzt wieder ein Drittel des Index aus – die höchste Gewichtung seit der Dotcom-Blase. Als Zeichen der Zeit hat S&P in Zusammenarbeit mit Goldman Sachs einen „US 500 ex Mag7 Index” (X7 Index) eingeführt, um das Risiko einer Konzentration des S&P500 auf die Magnificent 7 zu vermeiden. Dieser neue Index wird insbesondere als Absicherungsinstrument dienen, ohne gleich das Risiko einzugehen, Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia oder Tesla zu „shorten”.
Aber das Phänomen der Konzentration betrifft nun auch Europa: Im ersten Halbjahr waren 16% der Marktkapitalisierung des Stoxx600 für 54% seines Anstiegs verantwortlich. Ohne die Finanz- und Industrieunternehmen (insbesondere den Verteidigungssektor) hätte der Index im ersten Halbjahr nur um 1,8% zugelegt!
Diese Konstellation gibt Anlass zu ersten Überlegungen hinsichtlich des Faktors Marktkapitalisierung. Eine Trendwende hin zu kleinen und mittelgroßen Unternehmen zeichnet sich ab. In Europa jedenfalls beginnen die Aktien von Small- und Mid Caps bereits, sich besser zu entwickeln, während die amerikanischen SMID-Unternehmen noch hinterherhinken. Angesichts der niedrigeren Bewertung (KGV 2026 von 12 für den MSCI EMU Small Cap gegenüber 14 für den MSCI EMU) und der starken Exposition gegenüber den Wachstumsinitiativen in Deutschland sehen wir hier weiter Potenzial.
Was die Stilfaktoren angeht, so haben sie sich auf beiden Seiten des Atlantiks sehr unterschiedlich entwickelt. In Europa liegt der Value-Stil seit 2022 an der Spitze, angeführt von den Banken. Demgegenüber ist die Underperformance des Faktors Qualität im gleichen Zeitraum deutlich, insbesondere aufgrund der exportorientierten Unternehmen, die diese Untergruppe bilden. Das aktuelle Zurückbleiben der Aktien aus dem Qualitäts-Universum hat seine relative Bewertung wieder auf das langfristige Niveau gebracht (1,4x gegenüber Werten von über 2x vor der Covid-Pandemie). Diese Rückkehr zum Durchschnitt dürfte das Interesse der Anleger an diesem Teil des Marktes wieder wecken.
In den USA sind die Unterschiede zwischen den Investmentsilen noch deutlicher: Der Faktor Wachstum übertraf den Value-Stil im zweiten Quartal um 14,4%, was seit 25 Jahren nicht mehr vorgekommen ist. Diese relative Performance-Differenz bringt das Value-Segment auf den niedrigsten Stand seit 30 Jahren! Eine solche Differenz dürfte auch hier zu einer Überprüfung der Positionierung auf Basis der Bewertungen führen.
Wenn es um die Regionen geht, sprechen die Revisionen der Gewinne pro Aktie für die USA, nicht zuletzt wegen des schwachen Dollars: Der Konsens geht nun von einem Wachstum des Gewinns pro Aktie von +2,1% in Europa für dieses Jahr (gegenüber +7,4% zu Jahresbeginn) und +9,2% (gegenüber 14,2%) in den USA aus. Wenn sich die Erwartungen für das zweite Quartal bestätigen (+5% im Jahresvergleich gegenüber 0% in Europa), dürfte diese Differenz dem US-Markt in der zweiten Jahreshälfte eine Aufholjagd ermöglichen, zu einem Zeitpunkt, an dem ein negativer Ausblick für den Dollar zum Konsens geworden ist.
Viele Jahre lang hat die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken in Verbindung mit dem amerikanischen Exzeptionalismus das Konzept der Diversifizierung als Mittel zur Verbesserung der risikobereinigten Rendite von Portfolios unbrauchbar gemacht. Das Ende der unkonventionellen Geldpolitik und die Rückkehr des unberechenbaren Trump in die Politik schaffen wieder ein Umfeld, in dem die goldene Regel wieder Anwendung finden kann. Tatsächlich zeigen die Performanceunterschiede der verschiedenen Faktoren der Anlageklasse Aktien (Größe, Stil, Region) im ersten Halbjahr, dass dieses Analyseraster wieder relevant ist.
Von Pierre Pincemaille, DNCA Investments, Teil von Natixis Investment Managers
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