Die Inflation steht im Mittelpunkt eines Machtkampfs zwischen der US-Notenbank, die sich über die Auswirkungen der Handelspolitik der US-Regierung Sorgen macht, und eben dieser Regierung, die die Schuldenlast durch eine Senkung der Leitzinsen so schnell wie möglich verringern möchte.
Ein kurzer Blick auf die wichtigsten Posten der Bundesausgaben verdeutlicht, warum der US-Präsident die Notenbank so stark unter Druck setzt: Von den sieben Billionen Dollar Ausgaben entfallen vier auf nicht diskretionäre Ausgaben. Verteidigungsausgaben sind naturgemäß schwer anzupassen, und trotz symbolischer Maßnahmen hat Elon Musk mit seinem Department of Government Efficiency (DOGE) sein Ziel einer Reduzierung der diskretionären Ausgaben (eine Billion Dollar) nicht erreicht. Die dritte Billion ist verplant für den Schuldendienst, und hier kommen die Leitzinsen als Variable ins Spiel.
Jede Seite hat in der letzten Veröffentlichung des US-Verbraucherpreisindex (CPI) Elemente gefunden, die ihre Position stützen. Die Kerninflation blieb den fünften Monat in Folge unter den Erwartungen (+0,2% im Monatsvergleich gegenüber einer Erwartung von +0,3%), was Donald Trump veranlasste, seine Forderung nach einer Zinssenkung zu wiederholen, diesmal um 300 Basispunkte! Das Verhalten einiger Komponenten deutet jedoch auf einen Aufwärtstrend hin: Die Preise für die Güter, die am stärksten von den Zollerhöhungen betroffen sind, steigen schneller. So verzeichneten beispielsweise die Preise für Haushaltsgeräte den stärksten monatlichen Anstieg seit 1999 (+1,93% im Monatsvergleich). Diese schwachen Signale scheinen ausreichend, um die abwartende Haltung der Fed zu bestätigen, wie kürzlich auch der Gouverneur der Fed-Regionalbank von New York bekräftigte, der die Geldpolitik als „völlig angemessen” bezeichnet.
Angesichts dieser Untätigkeit haben die Berater des Präsidenten ihren Druck auf Jay Powell verstärkt und ihm vorgeworfen, die Renovierung des Sitzes der Federal Reserve für die bescheidene Summe von 2,5 Milliarden Dollar schlecht gemanagt zu haben. Dieses Argument scheint bei den Anlegern nicht anzukommen, wenn man der Wettwebsite Polymarket Glauben schenkt: Die Wahrscheinlichkeit eines Rücktritts in diesem Jahr liegt bei nur 18%.
Zur Entlastung der Fed und ihres Präsidenten muss gesagt werden, dass die Aufgabe der Inflationsbekämpfung, wenn nicht unmöglich, so doch zumindest sehr schwierig erscheint. Denn die beiden großen Komponenten dieser wirtschaftlichen Gleichung (Zölle und Unternehmen) sind nicht festgeschrieben. Nach Abschluss der Handelsverhandlungen mit Europa scheint die US-Regierung nun die südostasiatischen Länder ins Visier zu nehmen, die zur Umgehung der gegen China verhängten Zölle dienen. Der effektive Durchschnittszollsatz, der von 2,3% zu Jahresbeginn auf derzeit 13% gestiegen ist, dürfte daher weiter steigen.
Auch das Verhalten der Unternehmen lässt sich nur schwer modellieren. In Erwartung des „Liberation Day” hatten sie ihre Lagerbestände stark aufgefüllt und damit de facto die Entscheidung zwischen einer Weitergabe der zusätzlichen Kosten an die Endverbraucher (Haushalte) und einer Absorption durch die Margen hinausgezögert. In diesem Zusammenhang wird es aufschlussreich sein, die Aussagen der Unternehmensleitungen anlässlich der gerade begonnenen Halbjahresergebnis-Saison zu verfolgen.
Die Anleger haben sich für eine Seite entschieden und ihre Erwartungen hinsichtlich einer Senkung der Leitzinsen revidiert. Sie preisen nun eine Zinssenkung von 45 Basispunkten bis zum Jahresende ein, gegenüber 65 Basispunkten zu Monatsbeginn. Gleichzeitig ist die zweijährige Breakeven-Inflationsrate wieder auf über 2,7% (+20 Basispunkte) gestiegen. Darüber hinaus betrachten sie den Handelskrieg weiterhin als das größte Risiko für das globale Wachstum.
Dieses Risiko scheint jedoch begrenzt zu sein, wenn man der jüngsten Umfrage der Bank of America Glauben schenkt: Derzeit rechnen 9% der Anleger mit einer harten Landung der Weltwirtschaft, gegenüber 49% unmittelbar nach den ersten Zollankündigungen von Donald Trump. Darüber hinaus ist die Liquidität der Portfolios, ein Maß für den Optimismus, wieder unter 4% gefallen. Es scheint also, dass TINA („There is no alternative“) zum großen Trend des Sommers geworden ist, gerade zu einem Zeitpunkt, an dem die saisonalen Faktoren historisch gesehen ungünstig für die Aktienmärkte sind...
Von Pierre Pincemaille, DNCA Investments, Teil von Natixis Investment Managers
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