Donald Trump setzt alles daran, die US-Notenbank und ihren Vorsitzenden Jay Powell unter Druck zu setzen. Die Berufung von Stephen Miran in das Board of Governors sowie der Versuch, Lisa Cook aus dem Gremium zu drängen, sind die jüngsten Episoden in einem Konflikt zwischen zwei Präsidenten, der seit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus eskaliert. Diese Vehemenz wirft unweigerlich die Frage auf, welches „Endgame“ Trump mit Blick auf die Fed verfolgt – jene Institution, die seit Jahrzehnten als Garant für globale Finanzstabilität gilt.
Ziel der aktuellen Strategie scheint es zu sein, das Führungsgremium der Federal Reserve so umzubauen, dass eine Mehrheit loyal gegenüber dem Präsidenten ist. Der Board of Governors bestimmt über die Ernennung der Präsidenten der regionalen Fed-Banken – und mehrere Mandate stehen 2026 zur Verlängerung an. Diese Neubesetzungen könnten genutzt werden, um den Leitzinszyklus aggressiv nach unten zu drehen – mit dem Ziel, die Hypothekenzinsen zu senken und dem angeschlagenen Bausektor Auftrieb zu geben. Darüber hinaus steht womöglich eine politisch motivierte Unterordnung der Geldpolitik unter die fiskalischen Erfordernisse des Weißen Hauses im Raum – bis hin zur Monetarisierung der Defizite, die durch das „Big Beautiful Bill“-Programm entstehen dürften.
Ein Blick in die Geschichte legt Parallelen zur Ära Nixon nahe. Auch er tauschte 1970 den damaligen Fed-Chef William McChesney Martin gegen Arthur Burns aus. Nixons Botschaft war klar: „Ich respektiere seine Unabhängigkeit. Aber ich hoffe, dass er in voller Unabhängigkeit zu dem Schluss kommt, dass meine Meinung die richtige ist.“ Die Folgen sind bekannt: Massive Zinssenkungen vor der Wahl (von 9% auf 3% Ende 1972), gefolgt von einem Inflationsschub (auf 12% bis Ende 1974), verspäteten Zinserhöhungen – und einer Rezession.
In jüngerer Zeit haben die umfangreichen Bilanzausweitungen der Zentralbanken in der Finanzkrise 2008 und während der COVID-Pandemie die Trennlinien zwischen Geld- und Fiskalpolitik verwischt – allerdings stets mit dem Ziel, Marktstabilität herzustellen. In der aktuellen Konstellation hingegen würde ein Regime der Fiskaldominanz das Inflationsziel der Fed untergraben.
Die Bondmärkte haben diese Gefahr schnell erkannt: Die Rendite der 30-jährigen US-Staatsanleihe kletterte in der Spitze bis an die 5%-Marke und sorgte für eine deutliche Re-Steepening-Bewegung der Zinskurve. Getrieben ist dieser Anstieg vor allem durch den Wiederaufbau der Term-Prämie – also der zusätzlichen Verzinsung, die Anleger für das Halten langfristiger Papiere verlangen. Das Modell der New Yorker Fed beziffert die Term-Prämie aktuell auf 65 Basispunkte – den höchsten Stand seit zehn Jahren. Damit kehrt ein Stück Normalität zurück, nachdem die Prämie in der Dekade 2014–2024 überwiegend negativ war – als direkte Folge der extrem expansiven Geldpolitik der Fed.
Doch auch außerhalb der USA steigt die Nervosität auf den langen Laufzeiten. Sowohl in Großbritannien als auch in Japan haben die Renditen langfristiger Staatsanleihen Niveaus erreicht, die seit 25 Jahren nicht mehr gesehen wurden – ein klares Signal, dass auch dort die fiskalischen Spielräume zunehmend kritisch beäugt werden, selbst wenn die Regierungsspitzen weit weniger offen gegenüber ihren Zentralbanken auftreten als in Washington.
Jüngste durchwachsene Arbeitsmarktdaten aus den USA haben zuletzt wieder Hoffnungen auf eine geldpolitische Anpassung durch die Fed geschürt und so den Stresspegel an den Anleihemärkten etwas gesenkt.
Ray Dalio, Altmeister globaler Makro-Strategien und Gründer des Hedgefonds Bridgewater Associates, warnte jüngst vor einer „tödlichen Schuldenspirale“ in den am höchsten verschuldeten Industrieländern. Im Extremfall, so Dalio, müssten die Zentralbanken erneut als Käufer letzter Instanz auftreten – durch erneutes „Gelddrucken“ zur Finanzierung der Staatshaushalte. In einem solchen Szenario, so seine Einschätzung, würde der Wert der führenden Reservewährungen massiv leiden, während Gold – einmal mehr – als sicherer Hafen profitieren dürfte.
So düster es klingen mag: Das schlimmste Szenario ist keineswegs ausgemacht. Zwei Indikatoren helfen, die Glaubwürdigkeit der Fed im Auge zu behalten: Erstens der zehnjährige US-Breakeven (aktuell bei 2,4%) – und zweitens die Kohärenz zwischen den Zinsprojektionen der FOMC-Mitglieder (Dot Plot mit terminalem Zins von 3,125%) und den Erwartungen der Geldmärkte. Aus heutiger Sicht spricht nichts dafür, dass die Fed ihre geldpolitische Unabhängigkeit bereits verspielt hat.
Von Pierre Pincemaille, DNCA Investments, Teil von Natixis Investment Managers
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