Die Qualität der Quartalsergebnisse unterstreicht einmal mehr, wie grundlegend sich die Verfassung europäischer Banken nach dem Zinsanstieg verbessert hat. Insgesamt legte der Sektor beim Zinsertrag um 3% zu – getragen vor allem vom höheren Nettozinsergebnis*. Beeindruckend ist jedoch vor allem die Fähigkeit der Branche, die Erwartungen zu übertreffen: In 80% der Fälle lagen die Ergebnisse über den Prognosen, begünstigt durch konsequentes Kostenmanagement und einen weiterhin günstigen Risikoaufwand. Besser geht es kaum.
Auch die jüngsten Stresstest-Ergebnisse der Europäischen Bankenaufsicht bestätigen diesen Befund: Laut Regulator ist die europäische Bankenindustrie heute deutlich widerstandsfähiger gegenüber negativen Szenarien – dank solider Kapitalausstattung (durchschnittliche harte Kernkapitalquote CET1** von 16%), verbesserter Profitabilität (durchschnittliche Eigenkapitalrendite von 10,5%) und solider Asset-Qualität (Quote notleidender Kredite bei nur 1,9%). Diese Merkmale erlauben es den Instituten, ihre Aktionäre großzügig zu bedienen – mit durchschnittlichen Dividendenrenditen von über 5% sowie Aktienrückkäufen.
Ein weiteres Indiz für die Rückkehr des Sektors zu alter Stärke: Selbst das traditionell schwierige Geschäft mit dem Filialkunden in Frankreich wird wieder zur Wachstumsquelle. Nach mehreren mageren Jahren erlebt das Immobilienkreditgeschäft eine Wiederbelebung – bei gleichzeitig verbesserter Marge, da der aktuelle Zinssatz über dem Durchschnittssatz des Bestands liegt. Hinzu kommt der Sondereffekt des „Livret A“: Die von der Regierung festgelegte Senkung der Verzinsung dieses Sparprodukts drückt auch die Renditen von Termineinlagen – und damit die Refinanzierungskosten der Banken. Gleichzeitig haben französische Institute konsequent an ihrer Kostenbasis gearbeitet. Die Folge: sinkende Cost-Income-Ratios – mit Crédit Agricole SA als Musterbeispiel (53,9% im ersten Halbjahr).
Auch über Frankreich hinaus zeigt sich die Lage stabil. Die jüngste Umfrage der EZB signalisiert keine abrupte Trendwende bei der Kreditvergabe im Euroraum – trotz internationaler Unsicherheiten. Im Juli lag das Kreditwachstum bei soliden 2,6% im Jahresvergleich. Und die jüngst nach oben revidierte EZB-Wachstumsprognose für 2025 (1,2% statt zuvor 0,9%) lässt eine Fortsetzung dieser Entwicklung erwarten. Zumal europäische Haushalte im Vergleich zu US-Haushalten nach wie vor deutlich weniger verschuldet sind.
Auch regulatorisch ist eine gewisse Entspannung spürbar. Die Initiative ging dabei von den USA aus: Finanzminister Scott Bessent kündigte an, die Kapitalanforderungen für US-Banken reduzieren zu wollen. In Europa hat man die Wettbewerbsproblematik erkannt: Die EZB reagierte mit einer Vereinfachung des SREP***-Verfahrens und kommt damit langjährigen Forderungen der Branche entgegen – in Anbetracht der wachsenden Dominanz US-amerikanischer Akteure auf den Kapitalmärkten ein notwendiger Schritt.
Und dann ist da noch der Joker: Fusionen und Übernahmen. Die europäische Konsolidierung bleibt zwar zäh – wie der seit fast einem Jahr laufende Versuch von Unicredit zeigt, die Commerzbank zu übernehmen. Auf nationaler Ebene herrscht hingegen rege Bewegung. So erklärte jüngst der CEO von Mediobanca, dass es in Italien in den kommenden Monaten weniger Banken geben werde. Welche das konkret betrifft, ist offen – die gescheiterte Übernahme von Banca Generali durch Mediobanca hat jedenfalls dazu geführt, dass Monte dei Paschi di Siena sich als neuer Aktionär bei der Mailänder Investmentbank positioniert hat.
Der SX7P, der 53 führende europäische Banktitel umfasst, überschritt Anfang August die Marke von 300 Punkten – der höchste Stand seit 2008. Seit Jahresbeginn hat der Index den breiten europäischen Markt um 35% übertroffen. Und obwohl diese Performance eindrucksvoll ist, hat das Gewinnwachstum eine Ausweitung der Bewertungsniveaus verhindert: Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 9x für 2026 bleibt der Sektor deutlich unter dem Marktschnitt (14x) bewertet.
Einziger Wermutstropfen: das Anleger-Sentiment. Laut aktueller Umfrage der Bank of America zählen europäische Banken inzwischen zu den fünf am stärksten übergewichteten Sektoren. Das birgt Risiken – insbesondere bei einer Rückkehr der Risikoaversion oder im Fall idiosynkratischer Belastungen wie etwa der kürzlich aufgekommenen Spekulation um eine Sondersteuer für Banken in Großbritannien.
Sollte ein solcher Fall eintreten, könnte dies sogar als Einstiegschance dienen – denn das langfristige Aufwertungspotenzial des Sektors ist nach wie vor beträchtlich. Die große Finanzkrise von 2008 jedenfalls ist für viele Institute nur noch eine ferne Erinnerung.
Von Pierre Pincemaille, DNCA Investments, Teil von Natixis Investment Managers
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