Ein Ereignis mit Symbolkraft: Am 10. Juli wurde bei einer Auktion das Originalmodell der Hermès-Tasche von Jane Birkin – der Namensgeberin der berühmten „Birkin Bag“ – für stolze 8,6 Millionen Euro versteigert. Der Käufer, Ex-Fußballprofi Shinsuke Sakimoto, heute Gründer der Luxus-Resale-Plattform Valuence Japan, betonte, es handle sich nicht um ein Investment, sondern um ein „globales Kulturerbe“. Doch jenseits solcher Anekdoten durchlebt die Luxusbranche – und insbesondere das traditionsreiche Segment Lederwaren – eine Phase anhaltender Ernüchterung.
Kaum Aufhellung in den Halbjahreszahlen
Auch die aktuellen Halbjahreszahlen brachten keine Trendwende. Die Umsätze leiden weiter unter der Normalisierung des chinesischen Konsumverhaltens – sowohl bei heimischer Nachfrage als auch bei Touristen. Zudem verstärkt sich die Spreizung zwischen Top-End-Luxus und sogenannten Einstiegsmarken: Während Hermès im zweiten Quartal um 9% zulegen konnte, brach der Umsatz bei Gucci um 25% ein. Schmuck entwickelt sich insgesamt robuster als Lederwaren – ein Zeichen dafür, dass sich die zuvor aggressive Preispolitik der Branche noch nicht vollständig korrigiert hat.
In diesem Umfeld rückt nun das Thema Kostendisziplin in den Fokus der Finanzchefs, um die Margen auf vertretbarem Niveau zu halten. LVMH berichtete zuletzt von einer sequentiellen Verbesserung im Bereich Mode & Lederwaren: Nach einem Rückgang von 9% im zweiten Quartal lag das Minus im dritten Quartal bei nur noch 2%.
Neue Zölle belasten – Luxuskonzerne reagieren mit Preisanpassungen
Neben der operativen Entwicklung sorgte eine zweite Unsicherheit für Druck auf die Branche: neue US-Zölle in Höhe von 15%. Diese dürften – zumindest bei begehrten Produkten – überwiegend an die Verbraucher weitergegeben werden. Hermès kündigte an, die zusätzlichen Kosten vollständig kompensieren zu wollen. Laut UBS-Analysten müssten die Unternehmen ihre Preise in den USA im Schnitt um etwa 2% anheben, um die Belastung auszugleichen. Das dürfte für die betroffene Zielgruppe verkraftbar sein.
Die zentrale Frage bleibt jedoch, wie sich vermögende US-Haushalte – immerhin für rund ein Viertel des globalen Luxusumsatzes verantwortlich – in diesem Umfeld verhalten. Ermutigend ist das Signal von Brunello Cucinelli: Das Unternehmen verzeichnete im dritten Quartal in der Region Amerika ein Umsatzwachstum von 10% – nach 7% im Vorquartal. Ein Beleg dafür, dass die gestiegenen Aktienmärkte kurzfristig positiven Einfluss auf den Konsum haben.
Bewertungsprämie sinkt – Anleger drehen dem Sektor den Rücken
Nach der deutlichen Underperformance notiert der Sektor – ohne Hermès – mit einer Bewertungsprämie von rund 50% gegenüber dem MSCI Europe. Das liegt unter dem 15-Jahres-Durchschnitt von 60%. Auch die Positionierung institutioneller Investoren hat sich verändert: Was einst als europäisches Pendant zu den „Magnificent Seven“ galt – wachstumsstark, margenstabil, quasi alternativlos – ist nach mehreren Gewinnwarnungen deutlich aus den Portfolios gefallen. Laut Goldman Sachs ist der Sektor in den meisten Allokationen nicht mehr übergewichtet.
Übernahmewelle – ohne die üblichen Verdächtigen
Der Rückzug der Investoren hält die Unternehmen allerdings nicht von weiteren Übernahmen ab. Überraschend ist dabei, dass nicht die französischen Branchenführer LVMH oder Kering die treibende Kraft sind. Vielmehr geht die aktuelle Konsolidierungswelle von Italien aus: Prada übernimmt Versace vom bisherigen Eigentümer Capri Holdings für 1,4 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: Capri hatte die Marke 2018 noch für 2,1 Milliarden erworben. Die Transaktion soll zu Synergien bei Einkauf, Marketing und Logistik führen – mit positiven Effekten auf die Gewinn- und Verlustrechnung der neuen Einheit.
Auch das Schicksal von Giorgio Armani steht zur Disposition: Der Tod des Gründers, der das Unternehmen zeitlebens streng kontrollierte, hat Spekulationen über eine mögliche Beteiligung von Investoren ausgelöst. In seinem Testament nannte Armani drei mögliche Käufer für 15% des Unternehmens: LVMH, L’Oréal und Essilor.
China: Eigene Marken auf dem Vormarsch
Während in Europa konsolidiert wird, entsteht in China eine neue Luxusgeneration. Paradebeispiel: Laopou Gold, gegründet 2009 von einem Edelmetallhändler, erzielte 2024 über eine Milliarde Euro Umsatz – sechsmal so viel wie noch 2021 – und meldete für das erste Quartal ein Umsatzwachstum von 251%. Zwar konkurriert die Marke (noch) nicht direkt mit Cartier oder Bulgari, doch ihre Dynamik ist beeindruckend. Auch weitere aufstrebende Marken wie Guo Fei (Haute Couture), Songmont (Lederwaren) oder Mao Geping (Kosmetik) zeigen, dass sich der Wettbewerb verschärft.
Importdaten wecken Hoffnungen – aber strukturelle Unsicherheit bleibt
Ein erstes positives Signal kommt erneut aus China: Die Lederhandtaschenimporte legten im Juli und August im Vorjahresvergleich um 4% zu – das erste positive Quartal seit dem vierten Quartal 2023. Die Börsen reagierten prompt, da der Umsatz der Branche stark mit diesem Indikator korreliert. Klar ist: Eine nachhaltige Erholung hängt maßgeblich von der Entwicklung in China ab.
Chinesische Konsumenten, die etwa ein Drittel des weltweiten Luxusmarkts ausmachen, verändern sich. Die junge Generation der 20- bis 30-Jährigen konsumiert selektiver und emotionaler – der Hype um Labubu-Figuren ist nur ein Beispiel für diese neue Komplexität im Kundenverhalten.
Fazit: Gedämpfter Optimismus – mit Blick nach Osten
Angesichts der hohen Sparquote chinesischer Haushalte (35% gegenüber 15% in Europa und 9% in den USA), einer positiven Bilanz der „Golden Week“ sowie der starken Performance des CSI 300 (+20% seit Jahresbeginn, auf dem höchsten Stand seit drei Jahren), könnte eine Erholung in Sicht sein – zumindest aus chinesischer Perspektive. Ob daraus auch eine Renaissance des gesamten Sektors wird, bleibt offen.
Von Pierre Pincemaille, DNCA Investments, Teil von Natixis Investment Managers
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