Carsten Roemheld: Anleger stehen vor einer ungemütlichen zweiten Jahreshälfte

Die Kapitalmärkte stehen erneut vor einer Phase der Umbrüche. Die jüngsten Entwicklungen in den USA, die geopolitische Lage und strukturelle Verschiebungen in der Geldpolitik deuten auf eine volatile zweite Jahreshälfte hin. Die Analyse von Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International, zeigt, welche Faktoren Anleger in den kommenden Monaten besonders im Blick behalten sollten. Fidelity International | 08.08.2025 07:52 Uhr
Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International / © e-fundresearch.com / Fidelity International
Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International / © e-fundresearch.com / Fidelity International

  • USA steuern auf eine Rezession zu – mit geldpolitisch begrenztem Handlungsspielraum
  • Fiskalische Dominanz untergräbt die Unabhängigkeit der Fed

US-Zinspolitik: Kurswechsel möglich – aber nicht sicher

Die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung durch die US-Notenbank bei ihrer Sitzung am 17. September ist zuletzt sprunghaft auf über 90% gestiegen. Diese Erwartung basiert auf schwachen Arbeitsmarktdaten und einer drastischen Revision der Vormonatszahlen – die größte seit 1979. Dennoch gehen wir davon aus, dass die Fed sich schwer tun wird, eine Zinssenkung zu begründen, insbesondere nach den jüngsten restriktiven Aussagen von Jerome Powell und einem Arbeitsmarkt, der nicht ganz so schwach ist wie es die jüngsten Zahlen nahelegen.

Politisch scheint sich die Einflussnahme auf die Fed zu verstärken: Der Rücktritt von Fed-Governor Adriana Kugler eröffnet dem ehemaligen Präsidenten Trump die Möglichkeit, einen weiteren Notenbankvertreter zu ernennen. Dies wird den Druck auf die geldpolitische Führung weiter erhöhen und die Richtung der US-Zinspolitik nachhaltig beeinflussen.

Zölle und Handelskonflikte: Eskalation wahrscheinlich

Die Zolldebatte ist keineswegs abgeschlossen. Neue Maßnahmen gegen über 60 Länder – darunter Indien, Taiwan, Schweiz und Kanada – sind bereits angekündigt. Weitere Sektorzölle und Strafmaßnahmen gegen BRICS-Staaten stehen im Raum. Die tatsächlichen Auswirkungen werden sich erst deutlich nach dem 7. August zeigen, wenn die Zölle verbindlich greifen und die Vorzieheffekte bei den Lagerbeständen kompensiert sind, die die aktuelle Lage verzerren.

Die Fed agiert vorsichtig, da die wirtschaftlichen Folgen der Zölle aus den zuvor genannten Gründen noch nicht vollständig absehbar sind. Eine konjunkturelle Eintrübung in den kommenden Monaten gilt als wahrscheinlich. Die Atlanta Fed hat bereits vor einer Rezession gewarnt, sollte das durchschnittliche Zollniveau auf 20% steigen – ein Schwellenwert, dem die USA gefährlich nahekommen.

Zwei Szenarien sind denkbar: Entweder führen die Zölle zu einem Preisanstieg, was die Inflation anheizen würde, oder sie bremsen die Wirtschaft so stark, dass die Inflation sinkt – allerdings in einem rezessiven Umfeld. In beiden Fällen Im letzteren Falle könnten Zinssenkungen folgen, wobei diese dann eher als Reaktion auf eine Gewinn- und Konjunkturrezession zu verstehen und damit keinesfalls marktfreundlich wären.

Fiskalische Dominanz: Neue Ära der Geldpolitik

Die Zinsausgaben der US-Regierung haben sich seit der Pandemie mehr als verdoppelt und liegen nun bei über 1,2 Billionen USD jährlich. Vor dem Hintergrund wachsender Schuldenlast und steigender Ausgaben könnte die Fed in absehbarer Zeit gezwungen sein, Maßnahmen wie „Yield Curve Control“ zu ergreifen – ähnlich wie in Japan, um die Zinszahlungen nicht ausufern zu lassen.

Die USA bewegen sich in Richtung einer Phase fiskalischer Dominanz, in der staatliche Ausgabenprogramme die geldpolitische Steuerung zunehmend überlagern. Die Frage, wie sich die Fed in diesem Umfeld positioniert, wird mitentscheidend für die Marktentwicklung sein. Erste Abweichungen im Abstimmungsverhalten innerhalb des Fed-Gremiums deuten auf wachsende Spannungen hin.

Es wird erwartet, dass sich die Renditen am langen Ende der Zinskurve deutlich erhöhen könnten, was Die im laufenden Jahr erfolgte deutliche Abwertung des US-Dollars werfen bei vielen Investoren die Frage einer Repositionierung von US-Assets auf erforderlich macht. Die Welt ist weiterhin stark in US-Werten übergewichtet investiert, während gleichzeitig eine zunehmende Short-Positionierung beim US-Dollar zu beobachten ist – ein Umfeld, das erhöhte Vorsicht nahelegt.

Gewinnsaison und Marktstruktur: Vorsicht vor falscher Sicherheit

Die laufende US-Gewinnsaison zeigt ein solides Wachstum von 8,2% auf annualisierter Basis, das vor allem durch die „Magnificent Seven“ mit 22% Gewinnwachstum getrieben wird. Der Rest des Marktes stagniert bleibt mit nur 4% deutlich zurück. Die Investitionsdynamik, insbesondere im Bereich Künstliche Intelligenz, lässt hingegen deutlich nach: Für 2026 sind nur noch 9% Capex-Wachstum prognostiziert – ein deutlicher Rückgang gegenüber den Vorjahren und damit auch ein Dämpfer für die weiteren Gewinnerwartungen.

Die Diskrepanz innerhalb der Marktstruktur ist nach wie vor erheblich. Selbst innerhalb der „Magnificent Seven“ zeigen sich deutliche Unterschiede in der Performance. Eine Repositionierung von US-Assets erscheint daher geboten – insbesondere vor dem Hintergrund der zu erwartenden Schwäche der Konjunktur und der US-Währung.

Fazit

Die kommenden Monate werden von geldpolitischen Entscheidungen, geopolitischen Spannungen und strukturellen Marktveränderungen geprägt sein. Anleger sollten sich auf eine Phase erhöhter Unsicherheit einstellen, in der taktisches und selektives Investieren entscheidend ist. Die Fähigkeit, politische Entwicklungen und makroökonomische Trends frühzeitig zu antizipieren, wird zum Erfolgsfaktor für die Portfoliostrategie.

Von Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International

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