Schwellenländer hatten 2017 ein durchaus gutes Comeback. Sie konnten an den meisten Fronten Wendepunkte erreichen: Die Außenbilanzen hatten 2016 wieder ins Plus gedreht und damit eine Erholung des Konsumwachstums ermöglicht. Gleichzeitig konnten die Unternehmen seit der „Taper Tantrum“-Krise ihre Schuldenlast reduzieren und ihre Vermögensbasis stabilisieren. Darüber hinaus kommt wieder ein operativer Leverage zum Tragen und damit ein starkes Gewinnwachstum. Was können wir also für 2018 erwarten?
Wir schätzen die Aussichten der Anlageklasse für 2018 und – viel wichtiger noch – auf lange Sicht vorsichtig optimistisch ein. Kurzfristig sind die Aktienmärkte etwas überkauft, doch die Entwicklungslinien vieler großer Schwellenländer, insbesondere in Asien, sind strukturell solide. Ein zyklischer Rückenwind ist bei Investitionen in Schwellenländern sicherlich hilfreich. Allerdings scheint dies heutzutage eher ein nebensächlicher Punkt zu sein und nicht mehr der zentrale Aspekt wie noch vor 15 Jahren, als sich China als der differenzierende Faktor in der Schwellenländergleichung herausstellte.
Eine heutzutage gängige Meinung lautet, dass Anleger bei Schwellenländern weiterhin eine Long-Strategie mit hohem Beta verfolgen sollten – vorausgesetzt, der Zyklus ist stark. Allerdings hat sich die fundamentale Dynamik verändert: Die Antriebskraft für die Outperformance der Schwellenländer im Jahr 2017 war der IT-Sektor. Im Vergleich zu früheren Zyklen ist das ziemlich ungewöhnlich. Was können wir angesichts dieses Unterschieds für die Zukunft erwarten?
Es setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass China – wieder einmal – die Veränderungen in der Anlageklasse der Schwellenländer maßgeblich bestimmt. China war lange Zeit die Werkbank der Welt, die sich auf billige Arbeitskräfte verließ. Dieses Wachstumsmodell gehört jedoch der Vergangenheit an. Die chinesischen Arbeitskräfte sind nicht mehr billig, denn das Land will in den nächsten sieben oder acht Jahren in die Riege der Länder mit hohem Einkommensstatus aufsteigen.
Heutzutage werden in keinem Land der Welt mehr Roboter verkauft als in China, das Land hat weltweit die meisten Internetnutzer, steht im globalen Vergleich bei Patentanträgen auf dem dritten Platz, hat die höchste Zahl an MINT-Universitätsabsolventen und ist der größte Exporteur von Produkten mit hohem Mehrwert. Auch die Innovationsfähigkeit verbessert sich laufend, vor allem über das Internet, aber auch bei Anwendungen und Produkten für die Industrie und die Verbraucher. Mehr als ein Viertel der heutigen sogenannten „Unicorns“, also Unternehmen, die es vom Start-Up zur Erfolgsfirma schaffen, kommt aus China.
Diese strukturellen Veränderungen in China führen zu einer Neugestaltung von Schwellenländeraktien und schlagen sich auch in der Zusammensetzung des MSCI EM Index nieder. Die Gewichtung des IT-Sektors hat sich in den vergangenen neun Jahren verdreifacht, trotzdem bietet das Thema Innovation noch eine Fülle von Anlagemöglichkeiten, vor allem – aber nicht ausschließlich – in Asien. Diese Möglichkeiten weisen eine positive Korrelation zum Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens auf, die Korrelation zum Konjunkturzyklus ist dagegen weniger stark ausgeprägt. Bedarfsorientierte Geschäftsmodelle in den Bereichen Basiskonsumgüter, Infrastruktur und Rohstoffbedarf sind heutzutage weniger wichtig als ganz zu Beginn der Entdeckung von Schwellenländern als Anlageklasse, und dies wird auch in Zukunft gelten.
Die Umgestaltung der chinesischen Wirtschaft fiel mit der Öffnung des Aktienmarktes des chinesischen Festlands für ausländische Investoren zusammen – eine einmalige Chance für aktive Portfoliomanager. 2017 wurden zum ersten Mal A-Aktien in den MSCI EM aufgenommen. Dies war ein wichtiger Meilenstein, scheint aber angesichts der Größe des Marktes und des politischen Willens zur weiteren Öffnung der Kapitalbilanz nur ein winziger Schritt.
Schwellenländer bieten heute eine relativ attraktive Bewertung, ausgezeichnetes Wachstum und positive strukturelle Veränderungen auf mikro- und makroökonomischer Ebene. Nach wie vor bestehen Risiken, diese beziehen sich jedoch weniger auf die Schwellenländer im Besonderen, sondern sind eher globaler Natur. Somit könnte bei Schwellenländeraktien durchaus wieder Volatilität auftreten, Anleger müssen jedoch unbedingt verstehen, dass es bei Anlagemöglichkeiten heutzutage weniger um zyklisches, sondern vielmehr um strukturelles Wachstum geht. Angesichts der Richtung, die China eingeschlagen hat, dürften sich diese Veränderungen in absehbarer Zeit nicht wieder ins Gegenteil verkehren.