e-fundresearch.com: Angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen und makroökonomischer Unsicherheiten: Wie gelingt es Ihnen als US-Portfoliomanager, eine langfristige Perspektive beizubehalten?
Louis Citroën: Langfristiges Denken ist bei Comgest keine Reaktion auf volatile Märkte – es ist das Fundament unserer Investmentphilosophie. Wir sind überzeugt: Gewinnwachstum ist der entscheidende Treiber für langfristige Kursentwicklung. Deshalb investieren wir ausschließlich in hochwertige Unternehmen mit stabilen Wettbewerbsvorteilen, widerstandsfähigen Geschäftsmodellen und robuster Preissetzungsmacht.
Die Unternehmen in unserem Portfolio bieten meist essenzielle Produkte oder Dienstleistungen an, die für Kunden unverzichtbar und schwer zu ersetzen sind. Das schlägt sich in hohen Bruttomargen nieder und gibt ihnen die Flexibilität, makroökonomische Schocks – etwa durch steigende Inputkosten oder Zölle – gut abzufedern. Bei vielen Produzenten in unserem Portfolio macht der Materialeinsatz nur einen kleinen Teil der Wertschöpfung aus – selbst größere handelspolitische Veränderungen haben daher oft nur begrenzten Einfluss auf die Profitabilität.
Zudem handelt es sich häufig um global aufgestellte Marktführer mit diversifizierten Lieferketten und Produktionsstandorten. Das gibt ihnen die nötige Beweglichkeit, geopolitische Verschiebungen besser zu bewältigen als lokal fokussierte Wettbewerber.
Unser Portfolio ist bewusst fokussiert: Der Comgest Growth America Fonds umfasst nur 30 bis 35 Titel – eine konzentrierte Auswahl aus unserer Sicht herausragender Qualitätsunternehmen weltweit. Diese Konzentration, kombiniert mit tiefgehender Fundamentalanalyse, gibt uns die nötige Überzeugung, Zyklen durchzuhalten und langfristig investiert zu bleiben.
Kurz gesagt: Wir investieren in Resilienz – operativ, finanziell und strategisch. Und genau das erlaubt uns, kurzfristige Störgeräusche auszublenden und konsequent auf langfristige Wertschöpfung für unsere Kunden hinzuarbeiten.
e-fundresearch.com: Gerade im Technologie- und Wachstumsbereich gibt es oft Sorgen um überhöhte Bewertungen. Wie gehen Sie mit diesem Thema um – und wo sehen Sie weiterhin attraktive Chancen?
Louis Citroën: Wir investieren grundsätzlich nicht in unprofitable oder spekulative Unternehmen. Die Firmen in unserem Portfolio haben eine langjährige Erfolgsbilanz, solide Bilanzen und die Fähigkeit bewiesen, Kapital nachhaltig und renditestark zu reinvestieren. Ihr Wachstum basiert auf echtem Kundennutzen – nicht auf dem Verbrennen von Cash.
Bevor wir investieren, erstellen wir detaillierte Finanzmodelle mit Gewinn- und Cashflow-Prognosen über einen Zeitraum von bis zu sechs Jahren. Diese werden dann auf den heutigen Wert abgezinst. Ergibt sich daraus keine ausreichende Sicherheitsmarge, investieren wir nicht – unabhängig davon, wie vielversprechend die Geschichte klingt. Dieses disziplinierte Vorgehen ist für uns besonders im hoch bewerteten US-Technologiesektor unverzichtbar.
Trotzdem sehen wir nach wie vor attraktive Chancen – vor allem in Bereichen, die weniger vom Hype betroffen sind und reale, greifbare Wertschöpfung bieten. Besonders spannend finden wir zum Beispiel Softwareunternehmen mit hohen Eintrittsbarrieren, stabilen Kundenbeziehungen und wiederkehrenden Umsätzen. Das sind keine Wetten auf die Zukunft, sondern zentrale Bestandteile im Tagesgeschäft ihrer Kunden. Oracle – aktuell unsere größte Position – ist ein gutes Beispiel dafür.
Wachstum ist für uns nur dann attraktiv, wenn auch der Preis stimmt. Deshalb besteht unser Portfolio nicht einfach aus Wachstumsaktien, sondern aus Qualitätsunternehmen mit Substanz – und mit Bewertungspotenzial nach oben.
e-fundresearch.com: Der Anstieg des S&P 500 im letzten Jahr wurde maßgeblich von einigen wenigen Megacaps getragen. Viele der „Magnificent Seven“ sind inzwischen in eine reifere Phase übergegangen. Spiegelt sich das in Ihrer Allokation wider – und wo sehen Sie neue Impulsgeber für den US-Markt?
Louis Citroën: Wir folgen keinem Top-down-Ansatz und richten uns nicht nach Indexgewichtungen. Jedes Unternehmen wird bei uns nach seinen eigenen Stärken bewertet. Wenn es unsere strengen Kriterien in Bezug auf Wachstum und Qualität erfüllt, kann es Teil des Portfolios sein – unabhängig davon, ob es zu den „Magnificent Seven“ gehört oder nicht.
Einige dieser großen Tech-Unternehmen bieten nach wie vor attraktive Fundamentaldaten. Andere befinden sich jedoch klar in einer reiferen Phase mit abnehmendem Wachstum und steigenden Bewertungsrisiken. Hier sind wir sehr selektiv – und stets diszipliniert, was Bewertungen betrifft. Wenn ein Titel unser Renditeziel nicht mehr erfüllt, reduzieren wir die Position oder steigen ganz aus.
Spannend ist: Der „Rest“ des S&P 500 – also die „S&P 493“ – wird aktuell mit dem rund 19-fachen der erwarteten Gewinne bewertet. Das zeigt, dass viele qualitativ hochwertige Unternehmen außerhalb des Rampenlichts noch vernünftig bewertet sind. Genau dieses breitere Spektrum ist unseren Investoren langfristig zugutegekommen – unser selektiver Ansatz hat sich in verschiedenen Marktphasen bewährt, nicht nur in Bullenmärkten.
Unser Portfolio ist über Sektoren hinweg diversifiziert – nicht der Diversifikation wegen, sondern weil exzellente Unternehmen in ganz unterschiedlichen Bereichen zu finden sind: von Baustoffen über Tiergesundheit und Medizintechnik bis hin zu Zahlungsinfrastruktur oder industriellen Dienstleistungen wie Miettextilien. Das sind keine „Trend-Themen“ – aber es sind unterbewertete Qualitätsunternehmen mit langer Wachstumsperspektive.
Wir jagen keinen Trends – wir setzen auf belastbare Geschäftsmodelle. Und viele der Gewinner von morgen stehen heute noch nicht in den Schlagzeilen.
e-fundresearch.com: Welche strukturellen oder demografischen Entwicklungen prägen Ihrer Meinung nach derzeit die US-Märkte – und wie beeinflusst das Ihre Portfolioausrichtung?
Louis Citroën: Demografische Faktoren sind für uns nicht der Ausgangspunkt, aber sie schaffen langfristig günstige Rahmenbedingungen für die US-Wirtschaft.
Auch wenn solche Trends keine direkte Rolle bei der Titelauswahl spielen – unser Fokus liegt klar auf Bottom-up-Analysen und Unternehmensqualität – erkennen wir ihre makroökonomische Bedeutung an. Gerade im Konsumbereich bevorzugen wir oft B2B-Geschäftsmodelle, die weniger abhängig von Stimmungen sind und sich über Zyklen hinweg als robuster erweisen.
Was die USA besonders macht: Im Gegensatz zu vielen anderen Industrieländern wächst die Bevölkerung – nicht zuletzt durch Zuwanderung. Das stärkt sowohl das Arbeitskräfteangebot als auch die Binnennachfrage – zwei entscheidende Treiber für langfristiges Wachstum. Kombiniert mit hoher Produktivität entsteht so ein Umfeld, das Unternehmen mit strukturellem Wachstumspotenzial klare Vorteile bietet.
Wir investieren nicht wegen der Demografie, aber wir schätzen das stabile und chancenreiche Umfeld, das sie für langfristig orientierte Anleger schafft.
e-fundresearch.com: Ein Blick zurück auf die vergangenen fünf Jahre: Welche Erkenntnisse waren für Ihr US-Investmentteam besonders prägend – ob in Bezug auf Märkte oder Investmentprozesse?
Louis Citroën: Eine der wichtigsten Lektionen: An Überzeugungen festzuhalten zahlt sich aus – auch wenn sich Märkte verändern. Einige unserer stärksten Überzeugungen, etwa Plattformunternehmen wie Microsoft oder Meta, haben zwischenzeitlich extreme Marktkapitalisierungen erreicht. Wir waren dennoch überzeugt, dass ihre strukturellen Vorteile – Skalierbarkeit, Netzwerkeffekte, Preissetzungsmacht – weiter tragen. Und das haben sie auch: Das Gewinnwachstum blieb nachhaltig.
Zugleich hat sich unser Team-Ansatz einmal mehr bewährt. Bei Comgest gibt es keine „Star-Portfoliomanager“. Entscheidungen werden im Team getroffen – auf Basis intensiver Zusammenarbeit und geteilter Verantwortung. Gerade in herausfordernden Phasen – von der Pandemie bis zu politischen Umbrüchen – war dieses Modell ein echter Vorteil.
Und schließlich hat sich einmal mehr gezeigt, wie wichtig gute Unternehmensführung ist. ESG war schon immer Teil unseres Prozesses – aber besonders in stressreichen Zeiten zeigt sich, dass gut geführte Unternehmen schneller, besonnener und langfristiger agieren können.
Zusammengefasst: Qualität, Teamarbeit und Disziplin sind und bleiben unsere Leitlinien – und sie haben uns in einer Welt, die selten nach Plan verläuft, sehr gute Dienste erwiesen.
e-fundresearch.com: Vielen Dank für die spannenden Insights Herr Citroën!
Über Louis Citroën
Louis Citroën kam 2019 zu Comgest und ist als Analyst und Portfoliomanager spezialisiert auf US-Aktien.
Er ist für die US-Aktienstrategie mitverantwortlich und trägt maßgeblich zur Ideenfindung bei, indem er US-Unternehmen in unterschiedlichsten Sektoren untersucht. Bevor er zu Comgest kam, arbeitete Louis Citroën fünf Jahre lang bei Arete Research in London als Aktienanalyst für den Telekommunikations- und Mediensektor. Davor arbeitete er ab 2011 als Small Cap-Aktienanalyst bei Financière de l'Echiquier. Er begann seine Karriere 2009 als Unternehmensberater bei Oliver Wyman in Paris.
Er hat einen Master in Management an der ESCP Business School (Frankreich, Großbritannien, Deutschland) und ist CFA® Charterholder.
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