Griechenland steht vor Wochen der Entscheidung: Auf das Land kommen enorme Zahlungsverpflichtungen zu. Eine Einigung mit den Geldgebern scheint jedoch nicht in Sicht. Daher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Griechenland aus dem Euro ausscheidet, deutlich gestiegen. Mittlerweile stehen die Chancen dafür fast genauso hoch wie für einen Verbleib in der Währungsunion. Kommt keinerlei Einigung zwischen den Verhandlungsparteien zustande, steht uns vermutlich bereits im Frühsommer ein Zahlungsausfall Griechenlands bevor.
Noch rechnen wir aber mit einem Verbleib Athens in der Währungsunion, denn letztlich haben beide Seiten ein großes Interesse daran. Griechenland und seine öffentlichen Gläubiger – die frühere „Troika“ aus EU, EZB und IWF – dürften sich dabei am Ende auf eine gesichtswahrende Lösung einigen, die aber nicht die eigentlichen Probleme angeht. Solch ein fauler Kompromiss könnte sich an Erfahrungen des IWF mit Schuldnerländern wie Liberia oder dem Sudan orientieren.
Eine vom IWF in diesen Fällen erprobte Möglichkeit besteht in der Errichtung eines Sperrkontos: Die Geldgeber zahlen die Kredittranchen auf ein Konto, das einzig und allein der Tilgung der Schulden bei den internationalen Gläubiger-Institutionen dient. Zwar gäbe es weiterhin Reformvorgaben für die Athener Regierung, allerdings zu deutlich abgeschwächten Bedingungen. Griechenland bliebe so ein Zahlungsausfall erspart, das Land hätte aber auch keinerlei finanzielle Manövriermasse für die wirtschaftspolitischen Ziele der eigenen Regierung.
Beide Seiten würden von einem solchen Kompromiss zunächst profitieren: Die Geldgeber erhalten den Druck auf Athen aufrecht, ohne durch einen Zahlungsausfall potenziell auftretende Schockwellen ins internationale Finanzsystem zu senden. Griechenland hingegen bliebe sowohl zahlungsfähig als auch im Euro. Allerdings hinge es dann von den Anstrengungen der griechischen Regierung ab, ob das Land zukünftig einen Zahlungsausfall gegenüber privaten Gläubigern vermeiden kann.
Dem Kapitalmarkt sind diese Risiken bewusst. Niemand dürfte mehr von einer Pleite Athens überrascht werden. Außerdem gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Schutzvorkehrungen, die wir vor ein paar Jahren noch nicht hatten. Die Auswirkungen eines Euroaustritts von Griechenland dürften des-halb beherrschbar sein.
Hinzu kommt, dass sich die konjunkturelle Situation global und speziell in Spanien, Irland, Portugal und Italien substanziell verbessert hat. Vor diesem Hintergrund bleiben wir in Bezug auf Anleihen aus der europäischen Peripherie mit Ausnahme Griechenlands optimistisch. Sollte es bei anderen Peripherieländern zu leichten Ansteckungseffekten kommen, würden wir dies aus heutiger Sicht als Chance für Zukäufe verstehen.
Dr. Frank Engels
Leiter Portfoliomanagement Renten
bei Union Investment