China: Kein Grund zum Alarm

"Nicht wenige an der Börse dürften sich nach Handelsschluss die Augen gerieben und gefragt haben: Was ist in dieser Woche eigentlich passiert, dass derart rote Zahlen gerechtfertigt sind?" - Björn Jesch, Leiter Portfoliomanagement, Union Investment, geht dem schwächsten Jahresauftakt seit einem Vierteljahrhundert auf den Grund. Union Investment | 12.01.2016 11:46 Uhr
Björn Jesch, Leiter Portfoliomanagement, Union Investment / ©  Union Investment
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Das Börsenjahr 2016 ist denkbar schlecht gestartet. Beim DAX summieren sich die Verluste in der ersten Handelswoche auf 8,3 Prozent – der schwächste Jahresauftakt seit einem Vierteljahrhundert. In den USA ist das Aktienjahr überhaupt noch nie mit einem so großen Minus losgegangen, und das obwohl der vielbeachtete Arbeitsmarktbericht am Freitagnachmittag sehr gut ausfiel.

Nicht wenige an der Börse dürften sich nach Handelsschluss die Augen gerieben und gefragt haben: Was ist in dieser Woche eigentlich passiert, dass derart rote Zahlen gerechtfertigt sind?

Die Antwort lautet: Eine Menge – und gleichzeitig doch nicht so viel Fundamentales.

Altbekannte Wachstumssorgen um China

Die Kursverluste sind das Resultat einer Vielzahl von Gründen: enttäuschende US-Frühindikatoren, eine Zuspitzung der geopolitischen Spannungen am Persischen Golf und vor allem eine Neuauflage der Wachstumssorgen um China. Von dort kamen nämlich abermals gedämpfte Konjunktursignale. Auch wenn bei Zahlen aus dem Reich der Mitte immer eine Restunsicherheit bleibt (Stichwort Datenqualität) – ein dramatisches Abstürzen des „Drachen“ erkennt man bislang nicht. Eigentlich dürften schwache chinesische Wirtschaftsdaten somit keine Überraschung mehr sein, denn dieser Trend hält bereits eine Weile an und ist teilweise auch auf den Umbau des dortigen Wachstumsmodells zurückzuführen.

Allerdings haben die Kapitalmärkte noch weitere Punkte als Alarmsignal gewertet: ein fallender Ölpreis, der Aktien-Abverkauf in Shanghai und Shenzhen sowie die Abwertung des Yuan gegenüber dem US-Dollar wurden als Zeichen für ein Wegbrechen des Wachstums verstanden. Und dabei letztlich überbewertet bzw. fehlinterpretiert.

Verunglückte Markteingriffe verstärken chinesischen Aktien-Abverkauf

Beispiel chinesische Aktien: Mindestens genauso wichtig wie die Wirtschaftsdaten dürften handelsspezifische Faktoren wie das Auslaufen von Haltefristen für Chinas Großinvestoren oder die verunglückte Einführung von Sicherheitsschranken wie z.B. Handelsaussetzungen an den chinesischen Börsenplätzen sein. Westliche Investoren haben diese Verluste aber als Hinweis auf Wachstumsprobleme interpretiert, daher das Überspringen auf die Aktienmärkte in Japan, den USA und Europa. 

Chinas Yuan bekommt einen Korb – falsche Fährte Dollar-Fokussierung

Dieser Impuls wurde noch verstärkt durch eine vermeintlich starke Abwertung des Yuan. Aber auch hier ist die Wahrheit komplexer, denn die Pekinger Führung steuert den Wechselkurs mittlerweile gegenüber einem Korb verschiedener Währungen – und hier war nur eine geringe Abwertung festzustellen. Die Fokussierung der Märkte alleine auf das Verhältnis des Yuan zum US-Dollar führt also auf die falsche Fährte. Faktisch ist die Wechselkursbewegung der letzten Tage keine gewollte Abwertung, sondern reflektiert die Stärke des Greenback, der auch gegenüber anderen Währungen zugelegt hat. 

Vorsicht, aber kein Grund zum Alarm

Was heißt das nun für Investoren? Die Fundamentaldaten haben sich seit dem Jahresanfang kaum verändert, und hier stehen die Ampeln weiter überwiegend auf „Grün“. Mit der Entwicklung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien hat sich ein altbekannter Konflikt zugespitzt. Die US-Konjunkturdaten zeigen am aktuellen Rand eine Delle, aber alles in allem ist der Zustand der größten Volkswirtschaft der Welt robust. Und aus Europa kamen sogar überwiegend gute Nachrichten – nur hat der Kapitalmarkt diese Punkte in dieser unübersichtlichen Gemengelage nicht reflektiert. 

Damit haben sich in Summe die Börsenaussichten seit Jahresbeginn zwar eingetrübt. Von einer systemisch brisanten Situation wie 2008 sind wir aber meilenweit entfernt, auch wenn so manch prominenter Beobachter wie George Soros hier Parallelen zu erkennen glaubt. Für den Moment ist also Vorsicht geboten. Die Entwicklung der ersten Börsenwoche unterstreicht einmal mehr die Notwendigkeit für schnelles, aktives und flexibles Handeln. Denn: Auch für den Rest des Jahres ist mit starken Ausschlägen und heftigen Schwankungen zu rechnen. Gleichzeitig bieten die Märkte aber auch Chancen, und diesen Punkt sollte man trotz verhageltem Jahresstart nicht aus den Augen verlieren. 

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