„Die EZB-Sitzung im April wird sicherlich eine der schnellsten in der Geschichte sein. EZB-Chefin Christine Lagarde hat sich im März ganz klar geäußert: Wir können mit einer Zinssenkung im Juni und zwei bis drei weiteren im Laufe des Jahres 2024 rechnen. Da seit der letzten EZB-Ratssitzung nur fünf Wochen vergangen sind und es somit nur wenige zusätzliche Statistiken zu berücksichtigen gibt, ist es schwer vorstellbar, dass eine datengetriebene Notenbank nun von ihrem Kurs abweicht.
Die jüngste Veröffentlichung der Inflationsrate überraschte zwar mit einem Wert, der 10 Basispunkte unter den Erwartungen lag, entsprach aber voll und ganz den Prognosen der Europäischen Zentralbank (EZB). Das Szenario der EZB entwickelt sich also vorerst wie erwartet. Angesichts der Fortschritte an der Inflationsfront, die die Prognosen des EZB-Stabs stützen, dürfte die Diskussion in dieser Woche die Argumente für eine Zinssenkung im Juni untermauern, sofern die Daten weiterhin damit im Einklang stehen.
Bis Ende Mai werden mehrere wichtige Daten veröffentlicht: Dazu gehören die Unternehmensgewinne, die mit Spannung erwarteten Tarifabschlüsse und detaillierte BIP-Daten für das erste Quartal (insbesondere Produktivität, Gewinne und Lohnstückkosten). Da sich die Anzeichen für einen Aufschwung im verarbeitenden Gewerbe mehren, sind die Abwärtsrisiken gering, so dass die Botschaft der EZB lauten dürfte: „Weiter so, es gibt hier nichts zu sehen.“
Unser Szenario für die EZB in diesem Jahr ist eine Zinssenkung im Juni, mit einer möglichen „Pause“ im Juli. Die Datenabhängigkeit bedeutet, dass der EZB-Rat ein Aufwärtsrisiko für die Inflation einkalkulieren dürfte, da die Kerninflation im Dienstleistungssektor weiterhin bei 4 Prozent liegt, die Rohstoffpreise nach oben tendieren und die geopolitischen Risiken hoch bleiben. Nach dem Sommer ist vieles möglich, aber die drei bis vier Zinssenkungen, die die Frankfurter Institution angekündigt hat, bedeuten, dass ab September eine Zinssenkung nach der anderen folgen dürfte.
Dieses Umfeld ist für die europäischen Kreditmärkte günstig. Die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft bedeutet, dass die Ausfallraten begrenzt bleiben dürften, während die Disinflation (oder die Eindämmung der zyklischen Inflation) eine akkommodierende Geldpolitik ermöglicht. Wir bevorzugen kurze bis mittlere Laufzeiten. Niedrigere Leitzinsen wären gleichbedeutend mit Reflation und damit höheren langfristigen Anleiherenditen, wenn die Renditekurve steiler wird, was bessere Wachstumsaussichten für die Zukunft widerspiegelt.“
Von Kevin Thozet, Mitglied des Investment-Komitees bei Carmignac