China rechnet mit veränderten US-Beziehungen unter Biden

In Peking scheint sich ein Konsens darüber herauszubilden, wie sich die Beziehungen zwischen den USA und China verändern werden. Eine Einschätzung. AllianceBernstein | 20.11.2020 10:51 Uhr
© Photo by Luke Michael on Unsplash
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Globale Investoren haben den designierten US-Präsidenten Joe Biden genau beobachtet, um Hinweise darauf zu erhalten, wie seine Regierung die Beziehungen zu China zu gestalten gedenkt.

Unter den westlichen Kommentatoren scheint die Meinung weitverbreitet zu sein, dass sich Ton und Stil im Vergleich zu Bidens Vorgänger ändern werden, dass die China-Politik der USA jedoch weniger entgegenkommend sein wird als in den ersten Jahren der vorherigen demokratischen Regierung, als Barack Obama Präsident und Biden Vizepräsident war.

Doch was denkt Peking?

Chinas offizielle Reaktion auf den Ausgang der US-Wahl ist verhalten. Hinter den Kulissen scheint sich jedoch unter den chinesischen Politikern ein Konsens darüber abzuzeichnen, was sie von der neuen Mannschaft im Weißen Haus erwarten können.

Dieser Konsens beruht nicht nur auf Aussagen Bidens, sondern auch auf direkten persönlichen Kenntnissen über Biden, die chinesische Diplomaten und Politiker – einschließlich Präsident Xi Jinping – über viele Jahre hinweg gewonnen haben.

Mehr Stabilität und Planungssicherheit erwartet 

Der Konsens umfasst sieben Bereiche. In den meisten von ihnen erwartet Peking Veränderungen im Vergleich zur scheidenden Regierung - nicht nur in Ton und Stil, sondern auch in der Substanz. Und in einem wichtigen und umstrittenen Bereich erwartet es, dass der Status quo auf absehbare Zeit intakt bleibt.

1) Eine nuanciertere Rivalität: Konkurrenten, nicht Feinde. Bidens frühere Gespräche mit China waren von Optimismus hinsichtlich des Potenzials des Landes geprägt, sich stärker in die globalen Handels- und Finanzsysteme zu integrieren. Tatsächlich hat Biden oft gesagt, dass er Chinas Wachstum als positiv für die Weltwirtschaft sieht. Im Laufe der Jahre wurde dieser Optimismus durch die Besorgnis über Chinas dominante Außenpolitik und andere Fragen gedämpft. Während der Obama-Regierung führte das zu einem Dialog zwischen Biden und Xi Jinping darüber, wie die Länder ohne drohende Feindseligkeiten konkurrieren könnten.

In jüngerer Zeit hat Biden öffentlich über den „Wettbewerb um die Zukunft“ mit China gesprochen. Aufgrund ihres Wissens über Biden und dieser Gespräche mit Xi Jinping erwarten Chinas politische Entscheidungsträger, dass die Idee des Wettbewerbs für die USA ein Leitprinzip im Umgang mit China sein wird: Zusammenarbeit wo möglich (zum Beispiel Klimawandel, öffentliche Gesundheit) und Konkurrenz wo notwendig (zum Beispiel Technologie) bei gleichzeitiger Vermeidung von Kriegshandlungen.

2) Das globale „Reset“ der USA wird Entspannung bringen. Bidens Wahlversprechen, die globale Führungsrolle der USA wieder aufzubauen, wird in Peking als eine Erweiterung der außenpolitischen Agenda der USA gesehen. Bis zu einem gewissen Grad wird das den Fokus auf China verringern. Chinesische Politiker glauben daher, dass das Potenzial für eine Entkoppelung und auch das Risiko eines Kalten Krieges zwischen den beiden Ländern unter einer Biden-Regierung geringer sein werden.

3) Ende des US-Isolationismus wird China weniger Spielraum lassen. Gleichzeitig stellen die chinesischen Entscheidungsträger fest, dass Bidens Ziel, die Führungsrolle der USA wieder zu übernehmen, die Wiederbelebung der Beziehungen zu historischen Verbündeten und die Suche nach multilateralen Lösungen für globale Herausforderungen beinhaltet. Sie halten es für wahrscheinlich, dass das die Bemühungen Chinas, seinen globalen Einfluss auszuweiten, vor allem in den Bereichen, die von der Zusammenarbeit zwischen den USA und Westeuropa abgedeckt werden, sowie in der asiatischen Region, vor allem im Südchinesischen Meer, in Taiwan und Indien, behindern wird.

4) Ein ausgewogenerer Ansatz der USA fördert Stabilität. Peking interessiert sich sehr für Bidens China betreffende Personalentscheidungen. Man hält die menschliche Dynamik solcher Interaktionen für wichtig und sieht die Beziehungen zur Trump-Regierung durch die persönliche Antipathie einiger US-Offizieller gegenüber China belastet. Schon allein deswegen sehen Chinas Politiker in einem Wechsel der US-Regierung kurzfristige Verbesserungen in Bezug auf die Stabilität, Transparenz und Vorhersehbarkeit der bilateralen Beziehungen.

5) Chinas Tech-Unternehmen profitieren von weniger aggressiver US-Politik. Das aggressive Vorgehen der Trump-Regierung gegen chinesische Technologieunternehmen wird von Chinas Politikern als ein weiteres Beispiel dafür angesehen, dass die US-Politik von Irrationalität getrieben wurde. Sie erwarten von einer Biden-Regierung ein geringeres Risiko weiterer US-Bedrohungen oder Sanktionen gegen chinesische Technologieunternehmen.

6) China wird für Biden nicht unmittelbar Priorität haben. Chinas politische Entscheidungsträger erwarten, dass sich eine neue Biden-Regierung zunächst auf den Umgang mit der COVID-19-Pandemie konzentrieren und gleichzeitig versuchen wird, dem Land wieder ein Gefühl der Einheit zu geben. Diese Prioritäten werden wahrscheinlich die ersten 100 Tage von Bidens Amtszeit in Anspruch nehmen, sodass es unwahrscheinlich ist, dass das Weiße Haus seine Aufmerksamkeit vor Mai 2021 auf China richten wird.

7) Eskalation der Handelsspannungen unwahrscheinlich. Der Status quo in den zerrütteten Handelsbeziehungen zwischen den USA und China wird nach Ansicht der chinesischen Politiker wahrscheinlich erhalten bleiben, da das Land im Rahmen des Anfang 2020 mit der Trump-Regierung geschlossenen Phase-One-Handelsabkommens planmäßig Käufe tätigt. Das gibt Anlass zu einem gewissen Optimismus, dass die US-Zölle auf chinesische Waren gegen Ende 2021 überprüft und möglicherweise gesenkt werden könnten.

Wirtschaftlich kooperativer, aber nicht beim Thema Sicherheit 

Der vorherrschende Konsens in Peking erwartet in Handels- und Wirtschaftsfragen ein besseres Verhältnis zu den USA. Doch angesichts der Ambitionen Bidens, die globale Führungsrolle der USA wiederherzustellen, sehen Chinas Politiker auch das Potenzial für einen anspruchsvolleren Dialog über Sicherheitsfragen.

Unserer Ansicht nach sollten Anleger die Hoffnungen und Erwartungen Pekings an die Beziehungen zwischen den USA und China – zusätzlich zu jenen Washingtons – im Auge behalten, um den amerikanischen Machtwechsel richtig einzuschätzen.

Mo Ji ist Chief Economist für Greater China bei AllianceBernstein (AB).

Die hier geäußerten Einschätzungen und Meinungen sind weder Analysen noch Investmentberatung oder Anlageempfehlungen. Sie geben nicht notwendigerweise die Ansichten aller Portfoliomanagementteams von AB wieder und können von Zeit zu Zeit überarbeitet werden. 

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