Technologieaktien wurden Anfang 2025 stark von der Marktschwankung erfasst – besonders hart traf es Unternehmen mit Bezug zur Künstlichen Intelligenz (KI). Spätestens mit dem Durchbruch des chinesischen KI-Startups DeepSeek im Januar, begann die Euphorie des Marktes für KI-getriebene Tech-Firmen ein jähes Ende zu finden – die Unsicherheit aufgrund Trumps Zölle trug zu einem dauerhaften Dämpfer für diesen Sektor bei. Diese Turbulenzen werden sich mit der Zeit legen, wenn sich die aktuellen Treiber der Instabilität wieder normalisieren. Bis dahin eröffnet der große Umbruch in der Tech-Branche jedoch attraktive Chancen für langfristig orientierte Anleger – vorausgesetzt, sie wissen, worauf sie ihren Fokus legen müssen.
Wie sich Preissetzungsmacht in Zeiten des Wandels neu definiert
Dabei hilft die Frage: Was hat die technologischen Revolutionen des 21. Jahrhunderts bisher angetrieben? Über Jahrzehnte sorgten globalisierte Handelsstrukturen für sinkende Inputkosten bei Konsumgütern – von Kleidung und Schuhen bis hin zu Möbeln und Elektronik. Davon profitierten vor allem digitale Plattformriesen, die Netzwerke für Einkauf, Bezahlung und Werbung aufbauten – basierend auf kapitalarmen Geschäftsmodellen. Ihr Wettbewerbsvorteil gründete auf digitalen Netzwerkeffekten; also auf einem Nutzen, der mit der Zahl der Nutzerinnen und Nutzer stetig wächst. Damit stehen sie ganz im Gegensatz zu physischen Infrastrukturen.
Doch die Welt verändert sich. Neue geopolitische Spannungen und rasante technologische Entwicklungen führen dazu, dass Unternehmen stärker investieren – sei es in neue Lieferkettenstrukturen oder in KI-Rechenzentren der nächsten Generation. Kurz gesagt: Wir leben zunehmend in einer Welt wachsender Kapitalintensität. Für Investoren stellt sich damit die Frage, welche Unternehmen künftig Technologieführer sein werden – und wer robuste Renditen auf das investierte Kapital (Return on Invested Capital, ROIC) erzielen kann. Im Kern läuft alles auf einen entscheidenden Faktor hinaus: Preissetzungsmacht. Letztendlich werden jene Unternehmen erfolgreich sein, die über nachhaltige Preissetzungsmacht verfügen – gerade in einer Welt, in der Investitionen wieder wichtiger werden.
Was zeichnet Unternehmen mit Preissetzungsmacht aus?
Preissetzungsmacht zeichnet sich mit drei zentralen Merkmalen aus:
1. Ein belastbares Geschäftsmodell
Unternehmen mit stabilen Geschäftsmodellen verfügen über belastbare Wettbewerbsvorteile – etwa durch strategische Forschung und Entwicklung oder durch skalierte Produktionskapazitäten, die auch Störungen standhalten. In den vergangenen Jahrzehnten wurden vor allem kapitalarme Geschäftsmodelle mit digitalen Netzwerkeffekten vom Markt belohnt. Heute hat sich dieser Effekt weiterentwickelt: Es zählen auch geistiges Eigentum, Skaleneffekte in der Produktion sowie Rückkopplungen zwischen Design, Entwicklung und Fertigung. Besonders Unternehmen, die auf lokale Produktionskapazitäten für lokale Märkte setzen, konnten die Risiken durch Zölle vorwegnehmen. Firmen mit schwächerer Investitionstätigkeit laufen hingegen Gefahr, künftig stärker unter einem fragmentierten Welthandel zu leiden.
2. Fokus auf strategische Branchen
In Zeiten zunehmenden Protektionismus müssen Investoren prüfen, auf welche Produkte und Dienstleistungen nicht verzichtet werden kann. Gefragt sind differenzierte, schwer imitierbare Angebote – die „neuen Grundbedürfnisse“ der digitalen Welt. Dazu gehören etwa Schlüsselkomponenten für Smartphones oder KI-Server. Wer technologische Basisprodukte für strategisch relevante Sektoren liefert, kann sich von der Masse abheben – unabhängig von kurzfristigen Konjunkturzyklen.
3. Starke Bilanzkennzahlen
Finanzielle Stabilität ist ein zentrales Merkmal widerstandsfähiger Unternehmen – in guten wie in schwierigen Zeiten. In einer von Zöllen geprägten Welt sind Unternehmen mit starken Bilanzen besser aufgestellt: Sie können makroökonomische Belastungen abfedern und gleichzeitig gezielt in strategische Projekte investieren. Wer finanziell solide aufgestellt ist, verfügt über die nötige Ausdauer, um langfristige Strategien auch in volatilen Phasen umzusetzen.
Um Gewinner in diesem Umfeld zu identifizieren, müssen Anleger berücksichtigen, welche Renditen Unternehmen langfristig erzielen und nicht, was sie heute verdienen. Unternehmen sollten nicht dafür bestraft werden, wenn sie heute strategische Investitionen tätigen. Umgekehrt sollten Unternehmen nicht dafür belohnt werden, wenn sie aufgrund chronischer Unterinvestitionen Phantomgewinne erzielen. Für diese Analyse ist es unerlässlich, die zukünftige Preissetzungsmacht eines Unternehmens zu verstehen. Nirgendwo ist dies wichtiger als in der Technologiebranche. Immerhin weißt diese von allen Sektoren die größte Streuung der Kapitalrenditen auf (siehe Abbildung). Das liegt daran, dass die Belohnungen – beispielsweise angemessene Investitionen oder die Führungsrolle in einem Produktzyklus – in einem Sektor mit dem höchsten Innovationsgrad am größten sind. Ebenso sind die Nachteile von Unterinvestitionen – wie Überkapazitäten oder verpasste Produktzyklen – am extremsten.
In einer neuen Ära der Kapitalintensität und geopolitischen Spannungen gewinnen Unternehmen mit Preissetzungsmacht an Bedeutung. Sie verfügen über die Struktur, die Substanz und die strategische Fähigkeit, sich in einem veränderten Marktumfeld dauerhaft zu behaupten. Je schneller das Tempo von Innovation und Disruption wird, desto wichtiger ist es für Unternehmen und Investoren, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Von Lei Qiu, Chief Investment Officer —Thematic Innovation Equities bei AllianceBernstein
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