Am frühen Sonntagmorgen haben die USA drei iranische Atomanlagen angegriffen und damit den Krieg zwischen Israel und dem Iran eskalieren lassen. Wir haben es hier mit einem historischen geopolitischen Ereignis zu tun, das weitreichende Implikationen für die Region und die Welt haben kann. Die Auswirkungen auf die Finanzmärkte und die Wirtschaft sind schwer vorherzusagen. Selbst Nahost-Experten können keine genaueren Aussagen zum weiteren Kriegsverlauf treffen. Nichtsdestotrotz nehmen die Risiken zweifellos zu, vor allem, wenn es zu einer weiteren Eskalation kommt. Der Iran hat am Sonntag bereits mit einem Raketenangriff auf Israel zurückgeschlagen und drohte mit Angriffen auf US-Streitkräfte und Zivilisten im gesamten Nahen Osten. Trump warnte darauf hin, dass Gegenangriffe auf US-Ziele mit noch größerer Härte beantwortet werden würden.
Starke Marktreaktionen bleiben vorerst aus
Die Finanzmärkte mussten am Sonntag um ca. 9:00 Uhr EST diese Nachricht zunächst einmal verdauen. Die Reaktion fiel zumindest vorerst verhalten aus. Futures auf Brent-Rohöl stiegen um über zwei Prozent – zu Beginn des israelischen Angriffskrieges am 13. Juni waren sie bereits um 13 Prozent gestiegen. Die Termingeschäfte auf US-amerikanische und europäische Aktien fielen leicht. Bei den 10-jährigen US-Treasurers, dem Dollar und Gold blieben sie weitgehend unverändert.
Dennoch kann es zu einer wirtschaftlichen Disruption kommen, sollte der Iran beispielsweise wichtige Schifffahrtsrouten durch die Straße von Hormus unterbrechen. In 2024 wurden 20 Prozent des globalen Erdölangebots durch die Meerenge transportiert. Das hätte massive Auswirkungen auf die Ölpreise und würde zu neuen Herausforderungen für die globale Wirtschaft führen und damit den globalen Inflationsdruck weiter erhöhen.
Die Unsicherheit steigt
Die Auswirkungen militärischer Konflikte sind oft noch weniger vorhersehbar als die von Handelskriegen. Keiner kann vorhersagen, was in den kommenden Tagen, Wochen oder Monaten passieren wird und was die resultierenden Folgen sein werden, unabhängig vom tatsächlichen Ausgang des Krieges. All dies kommt in einer Zeit, in der wir bereits durch Zölle und Handelskriege getriebene Unsicherheit in allen Anlageklassen sehen. Nun kommt auch noch ein neuer Irankrieg dazu. Anleger sollten sich von den potenziellen und schlicht nicht vorhersehbaren Auswirkungen geopolitischer Ereignisse nicht verunsichern lassen und sich stattdessen auf die Aktienauswahl und das Risikomanagement konzentrieren.
Langfristiges Wachstumspotenzial ungebrochen
Der Kriegsbeitritt der USA hat zweifellos die Risiken erhöht – das Gewinnwachstum bestimmt daher die Attraktivität einer Aktie. Bei unseren aktiven Aktienportfolios nutzen wir einen disziplinierten Auswahlprozess, der sich auf die Fundamentaldaten und das langfristige Wachstumspotenzial der Unternehmen konzentriert. Israelische Aktien machen nur 0,2 Prozent des MSCI ACWI Index aus, sodass sich größere Risiken für israelische Unternehmen nur marginal auf die globalen Aktienallokationen ausüben.
Kurzfristig kann es natürlich zu Volatilität an den Märkten kommen, doch Investoren sollten sich davon nicht von ihrer strategischen, langfristigen Allokation abbringen lassen. Anfang April brachen die globalen Aktienmärkte nach Trumps weitreichenden Zollankündigungen schonmal ein. Bereits im selben Monat erholten sie sich wieder fast vollständig, nachdem die USA eine 90-tägige Zollpause angekündigt hatten. Die aktuellen geopolitischen Risiken haben zwar eine andere Dynamik als der Handelskrieg, doch die Auswirkungen sind ähnlich unberechenbar. Wir werden die Situation und die potenziellen Folgewirkungen weiter beobachten, uns jedoch weiterhin auf das langfristige Ertragswachstum konzentrieren. Anleger sollten sich vorerst eher defensiver aufstellen, aber in der kurzfristigen Volatilität können sie auch Kaufgelegenheiten mit attraktivem langfristigem Potenzial finden.
Von Nelson Yu, Head – Equities bei AllianceBernstein
Weitere beliebte Meldungen: