Trotz der starken Kursentwicklung seit Jahresbeginn werden Schwellenländeraktien weiterhin mit einem deutlichen Bewertungsabschlag gehandelt. Gleichzeitig wird für 2025 ein kräftiges Gewinnwachstum (EPS) erwartet: Der MSCI Emerging Markets Index soll laut Prognosen um 13,9 Prozent zulegen, während der MSCI World lediglich 8,3 Prozent wachsen soll. Für langfristig orientierte Anleger eröffnet sich damit ein attraktives Chancen-Risiko-Verhältnis – vor allem bei selektivem, aktivem Investieren.
US-Dollar-Schwäche als potenzieller Rückenwind für Schwellenländer
Gerade in einem unsicheren globalen Marktumfeld lohnt sich ein differenzierter Blick. Denn viele Anlegerportfolios sind stark auf technologiegetriebene US-Wachstumswerte ausgerichtet. Eine Neuausrichtung der regionalen Allokation erscheint daher sinnvoll – und könnte Emerging Markets zusätzlich Rückenwind verschaffen: Sie bieten nicht nur Diversifikation, sondern auch Zugang zu langfristigem strukturellem Wachstum.
Gleichzeitig könnte ein entscheidender makroökonomischer Faktor weiteren Auftrieb geben: der US-Dollar. Zwar ist er im historischen Vergleich noch teuer, er ist aber zuletzt etwas gefallen. Sollte diese Abwertung anhalten, eröffnen sich für Schwellenländer neue Spielräume, denn ein schwächerer Dollar schafft Kapitalzuflüsse in Schwellenländer, Wachstumsimpulse für Unternehmen, geringere Zinslast bei dollarnotierten Schulden und steigende Rohstoffpreise, auf die viele EM-Volkswirtschaften angewiesen sind. Auch wenn die weitere Entwicklung der US-Geldpolitik ungewiss ist, spricht vieles dafür, dass die US-Währung dauerhaft schwächeln wird. Dies schafft eine verbesserte Ausgangslage für EM-Investments.
Von Korea bis Dubai – globale Chancenvielfalt in den Emerging Markets
Attraktive Investmentchancen finden sich über alle Regionen hinweg – weit über die Debatte um China hinaus. In Asien rückt Südkorea verstärkt ins Blickfeld: Das „Corporate Value-up“-Programm nach japanischem Vorbild will Kapitalmanagement und Aktionärsfreundlichkeit in den Unternehmen fördern. Dividenden, Aktienrückkäufe und eine bessere Bewertungskultur sollen Impulse für unterbewertete Aktien in zahlreichen Branchen liefern. Auch in Osteuropa tut sich Erstaunliches: Griechenlands Bankensektor erlebt nach Jahren des Wiederaufbaus eine Renaissance. Seit der MSCI-Herabstufung 2013 wurde das Land kaum beachtet, doch gerade hier bieten sich attraktive Turnaround-Storys.
Trotz der aktuell zunehmenden Unsicherheiten in der Region sehen wir auch im Nahen Osten vielversprechende Nischen – insbesondere in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dubais Immobilien- und Finanzmärkte ziehen weiterhin vermögende Anleger an, was den lokalen Börsen zu neuer Dynamik verhilft. In Lateinamerika zählt Brasilien zu den Favoriten. Nach einer Marktkorrektur im Jahr 2024 bieten sich nun günstige Einstiegsmöglichkeiten im Konsum- und Finanzsektor. Das Land ist weniger von US-Zöllen betroffen, und eine mögliche wirtschaftspolitische Neuorientierung sorgt für zusätzliches Vertrauen.
China rückt wieder in den Fokus – KI-Pioniere und Konsumimpulse treiben Erholung
Auch in China gewinnt das Interesse an bestimmten Titeln wieder an Fahrt – der MSCI China Index legte seit Jahresbeginn bis Mitte Mai um 16,4 Prozent zu. Im Zuge sinkender Handelskonflikte richtet sich der Fokus stärker auf Unternehmensgewinne. Besonders spannend sind Player wie Alibaba, Tencent, Xiaomi oder BYD, die von der Kommerzialisierung künstlicher Intelligenz profitieren. Staatliche Impulse – etwa ein 300 Milliarden RMB schweres Programm zur Förderung des Konsums – unterstreichen die Ambitionen Pekings, das Wirtschaftswachstum gezielt zu stützen.
Insgesamt lassen sich bei EM-Investments auch auf Sektorebene interessante Entwicklungen beobachten: Aktuell rücken defensive Bereiche wie Telekommunikation in den Vordergrund, ergänzt durch selektive Chancen in den Sektoren Finanzen und Immobilien – insbesondere bei Qualitätsunternehmen mit attraktiven Bewertungen. EM-Aktien sind also wieder auf dem Radar – wer Qualität, regionale Diversifikation und selektive Themen wie Digitalisierung oder Kapitalmarktreformen kombiniert, kann im aktuellen Umfeld überzeugende Investmentmöglichkeiten erschließen.
Von Sammy Suzuki, Head of Emerging Markets bei AllianceBernstein
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