Konsumgüterbranche: Größe schützt nicht vor Risiken

Die Konsumgüterbranche steht unter Druck: In den letzten fünf Jahren hinkte der Sektor dem MSCI ACWI deutlich hinterher, während Gewinnerwartungen massiv nach unten korrigiert wurden. Ursachen sind strukturelle Marktveränderungen, neue Wettbewerber und veränderte Konsumtrends. Einordnung von Dasha Fomina, Globale Aktienanalystin, William Blair. William Blair Investment Management | 25.08.2025 08:42 Uhr
© William Blair
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Konsumgüter des täglichen Bedarfs haben in den vergangenen fünf Jahren den MSCI All Country World Index (ACWI)1 um fast 50 Prozentpunkte und in den letzten zwei Jahren um 30 Prozentpunkte unterperformt, während ihr Indexgewicht um 2,1 bzw. 1,4 Prozentpunkte gesunken ist.

Während steigende Zinsen in der Regel Druck auf stabile, wachstumsschwache Sektoren wie Konsumgüter ausüben, ist das auffälligere Phänomen die anhaltende Abwärtsrevision der Gewinnerwartungen, die die Fehlerrate bei Gewinnprognosen deutlich erhöht hat.

Für die Geschäftsjahre 2025 und 2026 wurden die Gewinnerwartungen für den MSCI-ACWI-Sektor Konsumgüter inzwischen um mehr als 10 Prozentpunkte gesenkt, wobei die Wachstumsprognosen für 2025 nun halbiert wurden. Im Gegensatz dazu blieben die Gewinnerwartungen für den MSCI ACWI für die Geschäftsjahre 2026 und 2027 weitgehend unverändert, mit lediglich einer moderaten Abwärtsrevision um 3 Prozentpunkte für 2025.

Die Erklärung reicht über makroökonomische Faktoren hinaus. Was wir beobachten, ist ein strukturelles Aufbrechen des traditionellen Konsumgütermodells. Alte Wettbewerbsvorteile (wie vorhersehbare Gewinne, durch Größe geschützte Marktpositionen und verteidigbare Marktanteile) werden durch sich wandelnde Konsumpräferenzen und eine Welle agiler neuer Marktteilnehmer ausgehöhlt.

Die Wettbewerbsdynamik verändert sich  

Unserer Ansicht nach sind die Gewinne der Konsumgüterunternehmen in den letzten Jahren zunehmend unter Druck geraten, was nicht nur auf steigende Inputkosten und einen budgetbewussteren Verbraucher zurückzuführen ist, sondern auch auf eine sich verändernde Marktanteilsdynamik in der gesamten Branche.

Laut Euromonitor wurden zwischen Januar 2022 und April 2024 über 82.000 neue Produkte auf den Markt gebracht, von denen fast 75% am Ende dieses 28-monatigen Zeitraums noch immer in den Regalen standen.2 Zwar hat jedes einzelne Produkt nur einen geringen Einfluss, doch der kumulative Effekt ist bedeutend: Zwischen 2020 und 2024 verloren große Hersteller 1,3 Prozentpunkte ihres Marktanteils an Eigenmarken und kleinere Marken.3

Historische Eintrittsbarrieren schwinden

Vor einigen Jahrzehnten waren große Marken im Bereich der schnelllebigen Konsumgüter (FMCG) – dazu gehören Unternehmen, die kostengünstige Produkte mit hoher Stückzahl, kurzer Haltbarkeit und häufigen Kaufzyklen wie Lebensmittel, Getränke, Körperpflegeprodukte usw. herstellen – durch drei wichtige Eintrittsbarrieren geschützt:

  1. Hohe Herstellungskosten und regulatorische Hürden, die kleinere Marktteilnehmer abschreckten.
  2. Teure nationale Werbekampagnen, die sich nur etablierte Unternehmen leisten konnten.
  3. Exklusive Einzelhandelspartnerschaften, die privilegierte Regalflächen und Vertriebsgrößen verschafften.

Das Wachstum des Sektors war weitgehend an Bevölkerungsentwicklungen, Lohninflation, Premiumisierung und ein wachsendes Gesundheitsbewusstsein geknüpft – alles Faktoren, die eher von Stabilität als von Wettbewerb geprägt waren. Dies ermöglichte es den etablierten Unternehmen, sich auf ihre Größe, ihre bestehende Infrastruktur und die vorhersehbare Nachfrage zu stützen, um ihre Gewinne zu sichern.

Heute jedoch sind diese Barrieren durch flexible Fertigung, digitale Werbung und E-Commerce weggefallen.

Damit ist die Branche in eine neue Phase eingetreten. Kleinere Marken können nun effektiver konkurrieren, und die traditionellen Wachstumsstrategien werden neu geschrieben. Da die Rentabilität von FMCG-Unternehmen vom Volumenwachstum abhängt, könnten die Margen gefährdet sein, sobald sich das Volumenwachstum verlangsamt oder umkehrt.

Hindernis Nr. 1: Fabriken

Der Aufstieg der flexiblen und kapitalarmen Fertigung hat die Wirtschaftlichkeit der FMCG-Produktentwicklung verändert und gleiche Wettbewerbsbedingungen für Herausforderer-Marken geschaffen.

Traditionell erforderte die Einführung eines neuen Produkts erhebliche Kapitalinvestitionen, lange Vorlaufzeiten und Zugang zu einer groß angelegten Produktionsinfrastruktur. Heute ermöglichen flexible Systeme die Produktion kleiner Chargen, sodass Marken mit minimalen Vorabinvestitionen testen, iterieren und skalieren können.

Darüber hinaus haben die Globalisierung und Auftragsfertigungszentren den Zugang zu hochwertiger Produktion demokratisiert. Wir glauben, dass aufstrebende Marken keine eigenen Anlagen mehr benötigen.

KI-gestützte F&E-Plattformen, modulare Pilotanlagen und digitale Qualitätskontrollsysteme haben diesen Wandel ergänzt und dazu beigetragen, technische und finanzielle Barrieren zu senken, die Markteinführungszeit zu verkürzen und die Innovation zu steigern.

Parallel dazu helfen Business-to-Business-Plattformen (B2B) wie Wondda und Agilery Start-ups dabei, neue Produkte effizient zu beschaffen, zu entwickeln und auf den Markt zu bringen, wodurch eine neue Infrastruktursebene entsteht, die Innovation vom Besitz einer Fabrik entkoppelt. Bereits 1996 stellte die Harvard Business Review fest, dass Eigenmarken zwar Marktanteile gewinnen konnten, ihre Rentabilität jedoch durch die Komplexität der Herstellung und die Lagerkosten begrenzt war.4

Heute hat sich diese Denkweise geändert: McKinsey schätzt, dass die Margen von Eigenmarken für einige Einzelhändler mittlerweile doppelt so hoch sind wie die von Markenprodukten, eine Veränderung, die durch den Wandel in der Fertigungsökonomie ermöglicht wurde.5

Hindernis Nr. 2: Nationale Fernsehwerbung

In der Vergangenheit wurde die Bekanntheit von Verbrauchermarken durch Massenwerbekampagnen im Fernsehen aufgebaut, wobei die durchschnittlichen Kosten einer nationalen Fernsehkampagne laut Bernstein Research vor Mitte der 2000er Jahre bei etwa 30 Millionen US-Dollar lagen.

Ein 30-Sekunden-Spot während des Super Bowl kostet heute beispielsweise 7 bis 8 Millionen US-Dollar (und bis zu 12 Millionen US-Dollar für Premium-Platzierungen), verglichen mit nur 37.500 US-Dollar in den 1960er Jahren und etwa 1 Million US-Dollar Mitte der 1990er Jahre.

Selbst inflationsbereinigt stellt dies ein außergewöhnliches Wachstum dar. Während die hohen Kosten weitgehend auf die einzigartige Größe von Veranstaltungen wie dem Super Bowl zurückzuführen sind (der immer noch einen seltenen Zugang zu Millionen von Zuschauern auf einmal bietet), hat sich die Werbelandschaft grundlegend verändert.

Heute verbringen Verbraucher mehr Zeit auf digitalen Plattformen wie YouTube, TikTok, Instagram und Netflix, wo hyper-zielgerichtete Werbung eine überragende Kapitalrendite erzielt. Laut Nielsen überholte Streaming im Juni 2025 die Zuschauerzahlen von Rundfunk und Kabelfernsehen in den Vereinigten Staaten, wobei traditionelle Kanäle nun nur noch 44% der Gesamtzuschauerzahlen ausmachen.6

Darüber hinaus verzeichnete allein YouTube Shorts im Jahr 2024 täglich 70 Milliarden Aufrufe,7 während Nutzer in Großbritannien täglich 39 Minuten zu Hause YouTube schauten.8

Heute können aufstrebende Marken mit Echtzeit-Feedback, A/B-Tests und iterativen Botschaften eine messbare, zielgerichtete Reichweite für wenige Cent pro Klick erzielen. Wir glauben, dass der Größenvorteil in der Werbung kein Wettbewerbsvorteil mehr ist.

Hindernis Nr. 3: Regalfläche

E-Commerce und Social Commerce haben die Eintrittsbarrieren beseitigt. Plattformen wie Amazon, Shopify und Instacart ermöglichen es Marken, Verbraucher direkt zu erreichen – ohne sich Regalfläche bei nationalen Einzelhandelsriesen wie Walmart oder Target sichern zu müssen.

Und mit dem Wachstum von TikTok Shop, Instagram Checkout und YouTube Shopping hat sich der Handel mit Inhalten und Communitys zusammengeschlossen.

Das Ergebnis: Marken können nun ihr Publikum, ihr Engagement und ihre Konversionsrate aufbauen, ohne jemals in den Regalen der Supermärkte zu erscheinen. Zwar sind traditionelle Regalflächen nach wie vor wertvoll, doch scheint ihre Monopolstellung zu schwinden.

Auswirkungen auf Investitionen

Die neue Wettbewerbslandschaft für Konsumgüter des täglichen Bedarfs bedeutet zwar nicht das Ende der „Big Food”-Unternehmen oder der Hersteller von Haushalts- und Körperpflegeprodukten, doch glauben wir, dass sich das Blatt wendet.

In einem solchen Umfeld sind unserer Meinung nach die Auswahl einzelner Aktien und ein aktives Management noch wichtiger geworden. Derzeit sehen wir eine Handvoll einzigartiger Chancen:

  • Wir glauben, dass Größe nach wie vor eine Rolle spielt, wenn auch weniger als früher, da große FMCG-Unternehmen weiterhin starke Cashflows generieren, die in den Erwerb von Disruptoren reinvestiert werden können. Der Wettbewerbsvorteil durch Größe scheint jedoch zu schwinden, da kleinere Akteure an Boden gewinnen.
  • Wir bevorzugen Geschäftsmodelle, die unserer Meinung nach Win-Win-Ergebnisse für Verbraucher bieten und erschwingliche Werte liefern, ohne sich zu sehr auf eine einzelne Marke zu verlassen. Diversifizierte Unternehmen wie 3i, Dollarama und Walmart zeigen sich durch flexible Preisgestaltung und eine breite Reichweite weiterhin widerstandsfähig.
  • Wir bleiben vorsichtig gegenüber Unternehmen, die von sich verändernden Konsumgewohnheiten betroffen sind, insbesondere angesichts der Einführung von Glucagon-like Peptide (GLP)-1-Medikamenten zur Gewichtsreduktion, die die Nachfrage nach Genussmitteln oder kalorienreichen Produkten verändern könnten.
  • Wir ziehen es vor, konzentrierte Lebensmittel- und Markenrisiken zu vermeiden und setzen stattdessen auf Distributionsdienstleister wie Abfüller, auf idiosynkratische Turnarounds wie Unilever, ein multinationales Konsumgüterunternehmen, oder auf Premium-Marktanteilsgewinner wie Lindt, einen Schweizer Schokoladenhersteller.

Dasha Fomina ist globale Aktienanalystin im globalen Aktienteam von William Blair.

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Weitere beliebte Meldungen:

1 The MSCI ACWI captures large- and mid-cap representation across 23 developed markets and 24 emerging markets.
2 Source: Euromonitor.
3 Source: Boston Consulting Group.
4 Source: Harvard Business Review.
5 Source: McKinsey.
6 Source: Nielsen.
7 Source: Business of Apps.
8 Source: Ofcom.

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