Nachhaltige Investitionen verzeichneten ein erstaunliches Jahrzehnt, indem Initiativen von Unternehmen, Individuen und politischen Entscheidungsträgern aufeinandergetroffen sind. Letztere waren in den letzten drei Jahren besonders aktiv. Es hat sich gezeigt, dass der zunehmende Einfluss der Regulierung das Thema Nachhaltigkeit und insbesondere diesbezügliche Daten tiefgreifend verändert. Die viel zitierte Offenlegungsverordnung (SFDR = Sustainable Financial Disclosure Regulation) legt nicht nur die Messlatte für die Offenlegung höher, sondern auch für die Disziplin und den Ansatz in Bezug auf nachhaltige Rahmenregelungen.
In den vergangenen zwei bis drei Jahren lag der Schwerpunkt hauptsächlich auf einer einzigen Dimension: Umwelt - und hier insbesondere dem Klima. Dennoch hat die COVID-Gesundheitskrise gezeigt, dass die soziale Säule eine Schlüsselrolle spielt und dass die drei Dimensionen Umwelt, Soziales und Governance miteinander verknüpft sind und daher einen globalen Ansatz erfordern. Bei DPAM war dies schon immer eine Überzeugung.
Das Rennen hin zu Null-Emissionen: Nicht nur ein Lippenbekenntnis!
Nahezu alle Länder haben sich zur Kohlenstoffneutralität in den kommenden Jahrzehnten verpflichtet. Dies hat wirtschaftliche und finanzielle Folgen. Zunächst bedeutet es einen vollständigen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen bis 2050 und einen aggressiven Dekarbonisierungsprozess. Darüber hinaus werden die Investitionskosten bis zum Jahr 2030 auf über 5 Billionen US-Dollar pro Jahr geschätzt, was einen erheblichen Finanzierungsbedarf erfordert.
Die vergangenen fünf Jahre waren Rekordjahre, was so genannte grüne Anleihen (Green Bonds) und ähnliche Emissionen betrifft. Das ist aber erst der Anfang, diese Instrumente dürften in den kommenden Jahren in großem Umfang emittiert werden. Sie werden für eine bessere Diversifizierung und eine größere Markttiefe sorgen. Anleger wenden sich - ob nun freiwillig oder durch die Regulierung dazu gedrängt - „grünen“ Anlagen verstärkt zu, deren Bewertungen bereits Anzeichen einer starken Nachfrage zeigen.
In der Tat drängt u.a. die europäische Taxonomie Anleger dazu, solche Wertpapiere zu kaufen, die für sie in Bezug auf die ersten beiden Ziele des Klimawandels (Abschwächung und Anpassung) am besten im Einklang stehen. Die weiteren vier Ziele wurden erst kürzlich formuliert[1].
Zur Erinnerung: Die Taxonomie zielt darauf ab, Klarheit darüber zu schaffen, was als umweltfreundlich zu betrachten ist, und hilft bei der Umverteilung von Kapital zugunsten von Wirtschaftsaktivitäten und Unternehmen, die zu den an der Taxonomie ausgerichteten Umweltzielen beitragen.
Die Ambitionen der Länder sind zwar wichtig, aber um erfolgreich zu sein, müssen sie auf globaler Ebene erreicht werden. In diesem Sinne war das Ergebnis der COP26 nicht besonders ermutigend. „Eine Klimakonferenz von den reichen Ländern für die reichen Länder“, wie mehrere Experten feststellten, und mit einer großen Diskrepanz zwischen den offiziellen Erklärungen der ersten Woche und den konkreten finalen Zugeständnissen am Ende der zweiten Woche. Dies führte zu einem Umfeld des Misstrauens zwischen den Ländern - und insbesondere zwischen Industrie- und Schwellenländern. Dieser Vertrauensverlust muss auf den nächsten Konferenzen schnell überwunden werden. Die Auseinandersetzung in der Klimapolitik zwischen China und den USA führt bereits zu geopolitischen Spannungen. Zudem werden das Scheitern der COP26 in mehreren wesentlichen Punkten der internationalen Zusammenarbeit und der Vertrauensverlust zwischen den Staaten die geopolitischen Spannungen in diesen Fragen verstärken.
Wie sieht es in den Bereichen Soziales und Governance aus?
Die Auswirkungen der Regulierung in Bezug auf soziale Aspekte und Governance-Anforderungen sind derzeit noch recht begrenzt, insbesondere was die Bewertung betrifft.
Im Hinblick auf Soziales liegt der Schwerpunkt weiterhin auf der komplexen Berücksichtigung der Menschenrechte in der gesamten Wertschöpfungskette - mit der bekannten Sorgfaltspflicht, die von Frankreich und Großbritannien eingeführt wurde. Diese Entwicklung wird in Deutschland unterstützt durch das Lieferkettengesetz, welches 2023 in Kraft treten wird. Der erste Entwurf zur Sozialtaxonomie wurde im vergangenen Sommer veröffentlicht und verspricht lebhafte und zugegebenermaßen subjektive Debatten über die Umsetzung.
Das Gleiche gilt für die Governance: Die Mindestmaßnahmen aus regulatorischer Sicht verschärfen die Kontrolle der Vorfälle und Skandale, mit denen Emittenten konfrontiert werden könnten. Darüber hinaus rückt mit dem Übergang von der aktionärsdominierten zur Stakeholder-Governance der Gedanke der „Mission“ des Unternehmens gegenüber der Gesellschaft in den Vordergrund. Dies hat interessante Debatten über das fragile Gleichgewicht dieses Mikrokosmos ausgelöst.
Die fünf Schlüsselbotschaften für 2022 und darüber hinaus:
1. Der ESG-Markt hat sich in den vergangenen fünf Jahren rasant entwickelt und ist inzwischen zum Mainstream geworden. Es gibt keinen ersichtlichen Grund, warum die in den letzten Quartalen zu verzeichnenden starken Zuflüsse in nachhaltige Anlagen nicht anhalten sollten. Das Monitoring dieser Kapitalflüsse ist der Schlüssel im Portfoliomanagement.
2. Die Regulierung dient dazu, diese Mittelflüsse zu unterstützen, wenn nicht gar zu forcieren. Vor allem die SFDR ist ein ‚Game Changer‘ für die Überführung von Anlagegeldern in ESG-Investmentlösungen.
3. Die Nachfrage zieht deutlich an. Auf der Angebotsseite ist das Universum grüner Anlagen nach wie vor relativ gering, mit geografischen und sektoralen Schwerpunkten. Dies kann die Bewertungen belasten. Es ist wichtig, dass sich dieses Universum vergrößert, um eine übermäßige Anzahl von Anlagerisiken durch die wenigen derzeitigen Anlagemöglichkeiten zu vermeiden. Aktiv verwaltete Portfolios können hier den Unterschied machen.
4. Die jüngsten hohen Bewertungen haben Fragen über eine potenzielle Fehlbewertung von ESG-Assets sowie die positive Korrelation zwischen ESG- und Nicht-ESG-Performance aufkommen lassen. Angesichts der Vielfalt nachhaltiger Ansätze ist die Antwort nicht immer einfach. Eine kürzlich durchgeführte Meta-Analyse[2] des „NYU Stern Center for Sustainable Business“ und Rockefeller Asset Management bestätigt die positive bzw. neutrale Korrelation zwischen ESG- und finanzieller Performance. Der Markt ist sich zunehmend einig, dass ESG zu einer Outperformance führt.
5. Schließlich ist die Datenproblematik eine bekannte Herausforderung. Insbesondere die SFDR und die Taxonomie haben ESG-Investitionen und -Daten grundlegend verändert. Die Anforderungen der Anleger haben sich von den subjektiven ESG-Bewertungen der ESG-Datenanbieter hin zu objektiven ESG-Rohdaten direkt von Unternehmen verlagert. Die Finanzwelt benötigt angemessene, verlässliche und zukunftsorientierte Daten, um adäquate Investitionsentscheidungen treffen zu können, die voll und ganz auf die politische Agenda 2030-2050 abgestimmt sind. Die Ankündigung der ‚International Financial Reporting Standards (IFRS) Foundation‘ über die Gründung des International Sustainability Standards Board (ISSB) wurde daher von den Märkten begrüßt. Auf diese Weise wird ein umfassender globaler Grundstock an Standards für die Offenlegung von Nachhaltigkeitsdaten auf dem Finanzmarkt geschaffen, was ein vielversprechender Schritt in die richtige Richtung ist.
Ophélie Mortier, Head of Responsible Investments bei DPAM