„Wie die chinesische Wirtschaft ist auch der chinesische Konsum in den letzten Jahrzehnten immer diversifizierter geworden“, schreibt Shiao in der neuesten Ausgabe der Invesco-Publikation Risk & Reward (Seite 13). „Dieses Wachstum, das sich früher vor allem auf Chinas größte Städte gestützt hat, braucht jetzt andere Quellen.“ Als solche können Chinas kleinere Städte dienen. Die günstige Demografie, deutlich steigende Einkommen, die raschere Urbanisierung, bessere Erreichbarkeit und Konnektivität sowie die geringe Verbreitung bestimmter Produkte sorgen dafür, dass außerhalb der großen Metropolregionen eine aufgestaute Nachfrage freigesetzt wird.
Alles in allem betrug der private Verbrauch in China Ende 2017 etwa 5 Billionen US-Dollar. Das sind mehr als 10% des weltweiten Konsums, womit China der zweitgrößte Konsumgütermarkt der Welt ist. Dabei ist das Potenzial dieses Marktes noch keinesfalls erschöpft. Den Daten zufolge ist der Konsumanteil am chinesischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch immer niedriger als in anderen großen Volkswirtschaften. 2017 entfielen lediglich 39,1% des chinesischen BIP auf den inländischen Konsum, gegenüber 68% in den USA, 62,2% in Indien und 55,8% in der Europäischen Union (gemäß den aktuellsten verfügbaren CEIC-Daten für das jeweilige Land, Stand Januar 2019).
Zugleich dürften die Realeinkommen weiter steigen, da die Wirtschaft stark wächst und die Regierung die Konjunktur stützt. Am starken Anstieg des Konsums in den letzten Jahren haben die hohen realen Einkommenszuwächse chinesischer Arbeiter wesentlichen Anteil gehabt. „Viel spricht dafür, dass die Faktoren, die zum Entstehen eines der weltgrößten Konsumgütermärkte beigetragen haben, weiterhin Bestand haben“, so Shiao. „Eines wird sich unserer Ansicht nach aber ändern, und zwar die Struktur des Konsumanstiegs in China: Wir glauben, dass kleinere Städte rasch zu einem wichtigen Wachstumsfaktor werden.“
Seit China vor 40 Jahren mit Wirtschaftsreformen begonnen hat, ist die Entwicklung des Landes vor allem von den großen Städten getragen worden. Diese sogenannten Tier-1-Städte wie Peking und Shanghai sind zu urbanen Zentren herangewachsen und haben sich schnell entwickelt. Die Verbesserung ihrer Infrastruktur hat für mehr Industrie gesorgt und so für neue Arbeitsplätze. Die Einkommen der Bewohner dieser Städte sind rasch gestiegen – und damit auch der Konsum. Inzwischen gelten die Einkommen in diesen Tier-1-Städten gemäß Weltbankdefinition als hoch – mit jährlich 12.236 US-Dollar pro Kopf.
Heute dürften vor allem die kleineren Städte für das dringend benötigte Wachstum des chinesischen Konsums sorgen. Die Rede ist von Tier-2-Städten und Städten in niedrigeren Kategorien (Präfektur- und Bezirkshauptstädte). Diese Städte, zu denen zum Beispiel Chengdu und Nanjing zählen, profitieren von Entwicklungen, durch die sie in Zukunft wesentlich zum Konsumwachstum in China beitragen können. Tatsächlich war das Konsumwachstum – wie auch das Wirtschaftswachstum insgesamt – in diesen Städten in letzter Zeit höher als in den Tier-1-Städten. Ein Grund dafür ist die inzwischen bessere Transport- und Kommunikationsinfrastruktur, durch die die Menschen in diesen Städten jetzt mehr konsumieren können.
Angesichts solcher Tendenzen dürften Unternehmen in kleineren Städten leicht Käufer für ihre Produkte finden, meint Shiao. Ähnlich wie die Bewohner größerer Städte interessieren sich auch die Bewohner kleinerer Städte inzwischen mehr für Premiumprodukte und gesündere, hochwertigere Alternativen. Außerdem legen auch sie größeren Wert auf Erlebnisse – ein Trend, von dem zum Beispiel Online-Reisebüros profitieren sollten. „Wir glauben, dass diese Entwicklung weitsichtige Konsumgüterunternehmen in Chinas kleinere Städte lockt“, sagt Shiao. „Ihre Bemühungen sowie das kontinuierliche Wachstum des Konsumgütermarktes in den größeren Städten dürften dafür sorgen, dass dessen Dynamik bestehen bleibt und er weiterhin den entscheidenden Anteil am chinesischen Wirtschaftswachstum hat.“