Dividendenrenditen sind deutlich gefallen, aber nicht jeder Sektor ist gleich betroffen
Während der durch die Coronavirus-Krise ausgelösten Kapitalmarktturbulenzen war auch bei Aktien eine Flucht in sichere Häfen zu beobachten, also in Unternehmen, die solide Bilanzen haben sowie vermeintlich attraktive – und sichere – Dividendenrenditen boten. Nachdem einige europäische Regierungen und Aufsichtsbehörden die Empfehlung ausgesprochen haben, Dividenden zu kürzen, steht die Ausschüttungspolitik der Unternehmen nun erneut auf dem Prüfstand. Die Vorgabe trifft naturgemäß Dividendenstrategien besonders deutlich. So sind im März die Eurostoxx50-Dividenden-Futures für 2020 um 55% gefallen (2020er Dividenden, die gezahlt oder bereits bekanntgegeben wurden). Mit -54,2% und -38,4% fällt die Korrektur für die Dauer der erwarteten Rezession auch in 2021 und 2022 sehr stark aus. In diesem Umfeld ist eine sorgfältige Analyse der Motive für die Kürzungen wichtig: Handelt es sich um das Ergebnis einer deutlichen Verschlechterung der Ertragslage des Unternehmens oder um politischen Druck und taktisch motivierte Maßnahmen? Eine Analyse der bisherigen Entscheidungen zu Kürzungen oder Streichungen zeigt, dass nicht alle Sektoren gleich betroffen sind. Die Dividendenrenditen der Kernbereiche im Segment Basis-Infrastruktur – Versorger und Telekommunikation – liegen auch weiterhin deutlich über dem Durchschnitt. Im Gegensatz zu anderen Sektoren sind Kürzungen hier weitgehend auf einen temporären politischen Druck zurückzuführen, während die Liquiditätssituation der betroffenen Unternehmen stabil ist. Lediglich im Bereich Transport-Infrastruktur zeigen sich fundamental begründete Kürzungen, die auf die höhere Volatilität der Erträge in diesem Bereich zurückzuführen sind.
Grafik: Eurostoxx50-Dividenden-Futures kollabierten im März
Die meisten Unternehmen des Eurostoxx50, die ihre Dividenden gekürzt oder die Entscheidungen auf das Ende des Hauptversammlungszeitfensters verschoben haben, gehören zu den Sektoren Banken, Reisen & Freizeit sowie Industriegüter. Aufgrund der staatlichen Eingriffe ist allerdings auch die geografische Aufteilung relevant. So haben bereits 60% der französischen und 33% der deutschen Unternehmen aus dem Eurostoxx50 ihre Dividenden gekürzt. Während aus Deutschland nur sehr wenige Infrastruktur-Unternehmen börsennotiert sind, hat vor allem die Entscheidung der französischen Regierung eine sehr negative Auswirkung auf die absoluten Dividendenniveaus für 2020. Dass weitere Regierungen sich der Empfehlung Frankreichs und Deutschlands anschließen, ist derzeit nicht auszuschließen. Zu spüren sein werden die niedrigeren Dividenden in den Monaten April und Mai, wenn die meisten europäischen Unternehmen normalerweise Dividenden ausschütten. Ob das Aussetzen von Dividendenzahlungen über spätere Sonderdividenden ausgeglichen wird, ist aktuell ungewiss und wird stark vom Verlauf der Rezession abhängen.
Das wahre Risiko vieler Unternehmen liegt in der 2021er Dividende
Ein weiteres Risiko bergen die 2021er Dividenden. Sie werden aus den Erträgen des Geschäftsjahres 2020 gezahlt, welche für die meisten Unternehmen tief ausfallen werden. Wir erwarten, dass das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone im Jahr 2020 um bis zu 8% schrumpfen wird. Entsprechend ist mit einer deutlichen Korrektur bei den Unternehmensgewinnen zu rechnen. Man könnte hier Einschnitte von über 40% sehen. In diesem Umfeld haben Basis-Infrastruktur-Aktien den Vorteil, dass sich ihre robusten und weitestgehend konjunkturunabhängigen Geschäftsmodelle weniger schlecht entwickeln sollten. Der Einbruch der Dividendenniveaus ist bei diesen Unternehmen ein kurzfristiger Effekt, unabhängig vom operativen Geschäft. Dementsprechend sind in diesem Segment des Aktienmarktes die Chancen groß, dass viele Unternehmen die 2021er Dividenden auf dem Niveau der Vorjahre beziehungsweise im Einklang mit ihren Dividendenplänen zahlen können.
Dividendenstrategien werden sich in den nächsten Jahren deutlich unterscheiden
Entscheidend für eine attraktive Dividendenstrategie im Kontext der Coronavirus-Krise wird somit kurzfristig das Land der Börsennotierung und mittelfristig die Robustheit der Geschäftsmodelle sein. Während Kürzungen von Investitionsplänen und Dividenden bei stark unterkapitalisierten Unternehmen nahe liegen, sollten Unternehmen mit starken Bilanzen ihre Dividenden weiterhin zahlen können. Aufgrund des staatlichen Einflusses und des sich in Kürze schließenden Fensters für Hauptversammlungsentscheidungen – hierzu gehört auch die Entscheidung über die Verwendung von Gewinnen – werden die 2020er Dividendenzahlungen stark betroffen sein. Für 2021 erwarten wir bereits eine deutliche Entspannung und den Wegfall staatlicher Einflussfaktoren.
Susanne Reisch, CFA, Senior Portfolio Manager Infrastruktur-Aktien bei Bantleon