Nach einer beispiellosen Rallye über insgesamt 14 Monate sind die Inflationserwartungen der Eurozone seit Mitte Mai in eine volatile Seitwärtsphase übergegangen und schwanken seither in einer Bandbreite zwischen 1,4% und 1,6% am Beispiel der 10-jährigen EUR-Inflationsswaps. Der jüngste Durchhänger ist erstaunlich, weil die Rohölpreise – ein wesentlicher Treiber der Inflation – im selben Zeitraum gestiegen sind. Verschiedene Faktoren sprechen dafür, dass es sich hierbei nur um eine Verschnaufpause im Aufwärtstrend handelt und nicht um eine länger andauernde Konsolidierung. Deshalb sollten inflationsindexierte Anleihen (Linker) der Eurozone auch im weiteren Jahresverlauf Potenzial für eine relative Outperformance gegenüber nominalen Staatsanleihen bieten. Auch wenn mit hohen absoluten Erträgen, wie zu Beginn des Jahres, aufgrund steigender Realrenditen nicht zu rechnen ist, werden Linker weniger stark von einem Renditeanstieg betroffen sein als nominale Staatsanleihen. Bei einem Anstieg der mittelfristigen Inflationserwartungen bis Jahresende auf etwa 1,9% liegt beispielsweise das Outperformancepotenzial von europäischen Linkern gegenüber ihren nominalen Pendants bei über 2,0%-Punkten.
Betrachtet man die Entwicklung der Inflationserwartungen seit Beginn der Pandemie, ist gut zu erkennen, dass der Aufwärtstrend phasenweise von deutlichen Korrekturen unterbrochen wurde. Jedoch wurde das Ausmaß der Korrekturen im Zeitverlauf sukzessive kleiner. Dies zeigt die steigende Zuversicht der Marktteilnehmer für eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung und damit steigende Inflationsraten ebenso wie die schwindende Erwartung eines erneuten wirtschaftlichen Stillstands durch eine erneute Verschärfung der Pandemie. Um den aktuellen Aufwärtstrend zu beenden, müssten die Inflationsswaps das April-Tief von etwa 1,4% nach unten deutlich durchbrechen.
Rekordzuflüsse in inflationsindexierte Indexfonds
Der steigende Appetit der Anleger nach Inflationsschutz spiegelt sich auch in den diesjährigen Rekordzuflüssen bei inflationsindexierten Indexfonds. Gemäß einer Auswertung von BlackRock verzeichneten Linker-ETFs von Januar bis Mai 2021 einen Nettozufluss von 18 Mrd. US-Dollar. Damit wurde in diesem Jahr bereits Ende Mai der Jahresrekord von 17,3 Milliarden US-Dollar aus 2020 übertroffen.
Für die anhaltende Verschnaufpause der Inflationserwartungen gibt es vor allem zwei Gründe. Erstens führten attraktive Mehrerträge von inflationsindexierten Anleihen gegenüber ihren nominalen Pendants im Mai zu Gewinnmitnahmen. So konnten Investoren in diesem Jahr bis Mitte Mai mit inflationsindexierten Anleihen der Eurozone einen durchschnittlichen Ertrag von 0,6% erzielen, wohingegen die laufzeitkongruenten nominalen Staatsanleihen einen Verlust von 3,5% erlitten. Viele Anleger verkauften zumindest einen Teil ihrer Linker, was die Kurse drückte.
Der zweite Grund sind die temporär schwächeren Inflationsraten der Eurozone im Juni (1,9% nach 2,0% im Mai) sowie im Juli. Für den Juli ist nämlich nochmals mit einem leichten Rückgang der Teuerungsrate zu rechnen, ehe sie ab August wieder merklich steigen dürfte. Die Antizipation temporär rückläufiger Inflationsraten durch die Marktteilnehmer war vor allem an der Verflachung der Realzinskurve abzulesen. Demnach sind die Realrenditen 5-jähriger deutscher Linker seit Mitte Mai um knapp 5 Basispunkte, bei 2-jährigen Linkern sogar um etwa 33 Basispunkte gestiegen, wohingegen Linker mit einer Restlaufzeit von 10 Jahren von einem Rückgang der Realrenditen von circa 9 Basispunkten profitiert haben.
Linker mit fünf Jahren Restlaufzeit derzeit am attraktivsten
Sobald die temporäre Schwächephase der Inflationsraten in der Eurozone verdaut ist, sollten die Inflationserwartungen im weiteren Jahresverlauf wieder deutlich steigen. Aufgrund der Verflachung der europäischen Realzinskurven handeln inflationsindexierte Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von etwa fünf Jahren momentan auf attraktiven Einstiegsniveaus.
Inflationserwartungen haben sich vom Ölpreis entkoppelt
Dennis Ehlert, Senior Portfolio Manager, Bantleon